Computer-Virus:Besonders bösartig

Kreisklinik FFB

Digitaler Notfall: Die Kreisklinik muss ohne ihre EDV auskommen.

(Foto: Günther Reger)

Der digitale Angriff trifft die Brucker Kreisklinik mit Wucht. Planung und Organisation erfolgen derzeit ohne EDV. Doch die Patienten werden wie gewohnt versorgt

Von Ingrid Hügenell und Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Es war ein besonders bösartiger und ungewöhnlicher Virus, der die Computer der Fürstenfeldbrucker Kreisklinik befallen hat, und dazu noch einer, der sich ständig verändert. Das erklärt Klinikchef Alfons Groitl. Am Donnerstag vor einer Woche tauchte er das erste Mal auf, dann konnte man beobachten, dass er sich verbreitete. Irgendwann entschied die Leitung der Klinik, vorsichtshalber alle Computer herunter zu fahren. Seither läuft in der Klinik vieles wieder wie in vordigitalen Zeiten. Die Patienten aber merken Groitl zufolge von der digitalen Virusattacke praktisch nichts.

Die Klinik ist seit einer Woche im Krisenmodus, auch am Freitagvormittag gab es eine Krisensitzung. EDV-Experten sind damit beschäftigt, mit Hilfe von "EDV-affinen Klinik-Mitarbeitern aus dem medizinnahen Bereich" (Groitl) die Computer neu aufzusetzen - ohne die gefährlichen Viren. "Wir sind nicht weit weg vom Normalbetrieb." Wann der erreicht wird, steht noch nicht fest.

In drei von sechs Operationssälen funktionieren die Rechner inzwischen wieder, ebenso wie drei der Labor-Computer. Die OPs seien die ganze Zeit reibungslos gelaufen, sagt Groitl. Den Belegungsplan finden die Ärzte jetzt wieder, wie früher, auf einer analogen Tafel im OP-Bereich, und nicht auf ihren PCs.

Die Lage hätte dem Klinikchef zufolge aber schwierig werden können, wenn zu viele Notfälle hereingekommen wären. Denn dann müssten zuweilen geplante Operationen zugunsten von Patienten verschoben werden, die nicht warten können. Um den Druck aus dem System zu nehmen, habe man die Klinik bei der Integrierten Leitstelle abgemeldet. "Wir schicken aber niemanden weg", betont Groitl.

Weil die Patienten in die umliegenden Kliniken gebracht werden mussten und dadurch die Fahrzeiten länger wurden, reichten die normalen Kapazitäten der Leitstelle an Rettungswagen nicht aus. Daher stellten die Rettungsdienste zwischen Montag 12 Uhr und Dienstag 12 Uhr sieben zusätzliche Einsatzfahrzeuge zur Verfügung. Die Integrierte Leitstelle hatte zunächst davon gesprochen, es seien keine zusätzlichen Einsätze notwendig gewesen. Tatsächlich mussten Rotes Kreuz, Johanniter und Malteser mit Ehrenamtlichen aushelfen. Das werde man auch wieder tun, wenn es notwendig werden sollte, sagt Rainer Betram, Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK). Das BRK stellte fünf Fahrzeuge und leistete 24 Einsätze. Dass Fahrzeuge angefordert werden müssen, die eigentlich zu den Katastrophenschutzeinheiten gehören, kommt Bertram zufolge etwa sechs bis acht Mal im Jahr vor, bei erhöhtem Einsatzbedarf. Zuletzt sei dies beim Hochhausbrand in der Puchheimer Kennedystraße der Fall gewesen.

In der Klinik habe die Versorgung der Patienten geklappt, betont Klinikchef Groitl. Alle Medikamente und Blutkonserven seien stets verfügbar gewesen, das große Labor im Haus habe gearbeitet und zum Glück seien Telefon und Telefax ebenso wenig betroffen gewesen wie die Stromversorgung. Viele Abläufe erfordern laut Groitl ohne EDV mehr Zeit: die Dokumentation der Fälle, Ablaufplanungen, auch die Arztbriefe. Die können die Mediziner derzeit nicht diktieren, sondern müssen sie selbst per Hand schreiben. Die Klinikmitarbeiter, die auf freiwilliger Basis den EDV-Experten zur Hand gehen, fallen an ihren normalen Arbeitsplätzen natürlich weg. Die anderen haben weniger Zeit für ihre eigentliche Arbeit, was sich bei der ohnehin schwierigen Personalsituation bemerkbar macht.

Dass es überhaupt zu der Virusattacke kommen konnte, hat Groitl überrascht: "Mit sowas rechnet keiner." Denn eigentlich habe man sich von einer renommierten Beratungsfirma ein Schutzkonzept erstellen lassen. Nun zeige sich, dass man das ein oder andere noch hätte besser machen können. Um eine Erpressung durch die Schadsoftware handelte es sich offenbar nicht. Nun soll es ein neues Konzept geben, damit die Klinik-EDV künftig besser geschützt ist. "Eine hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben", sagt Groitl. Eine andere Klinik aus Deutschland hat bei der Aufarbeitung ihre Hilfe angeboten. Die Kollegen sind laut Groitl selbst Opfer eines Computervirus gewesen.

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