Hilfsaktion:Bedürftigen zeigen, dass sie auch zu dieser Stadt gehören

Hilfsaktion: Kartoffelsuppe, Fleischpflanzerl mit Schwammerlsoße und Butterspätzle sowie Grießflammeri mit Gewürzkirschen: Für die Gäste gibt es an diesem Wochenende ein Drei-Gänge-Menü.

Kartoffelsuppe, Fleischpflanzerl mit Schwammerlsoße und Butterspätzle sowie Grießflammeri mit Gewürzkirschen: Für die Gäste gibt es an diesem Wochenende ein Drei-Gänge-Menü.

(Foto: Catherina Hess)

Die Stiftung "Wir helfen München" bewirtet und beschenkt auf dem Nockherberg 600 Menschen in Not. Die freut das, doch manchen Gast erfüllt es auch mit Scham.

Von Tom Soyer

Die Blasmusik spielt, im Nockherberg-Festsaal sind die Tische gedeckt, und auch Prominenz ist da: Oberbürgermeister Dieter Reiter mit Ehefrau Petra zum Beispiel, allerdings nicht in Sakko oder Tracht, sondern heute mal mit weißer Warnweste, wie viele andere Helfer hier an diesem Samstagmittag. Denn heute geht's einmal nicht für die Gwappelten und Bessergestellten auf den Nockherberg, sondern für gut 600 Münchner Wohnungslose. Denen spendiert die Stiftung "Wir helfen München" ein dreigängiges Essen, dazu noch ein wärmendes Wintergeschenk, und wer mag, nimmt sich auch noch Kleidung mit.

Sie versteht sich als "Stiftung für Menschen in Not", und solche hat sie auf den Nockherberg vor allem über die Essensausgaben in der Stadt eingeladen. Die Großaktion könnte man missverstehen - als zu wenig nachhaltig. Sparkassen-Vorstand Ralf Fleischer, Stiftungsvorstand Stephan Heller von der Werbeagentur Heller & Partner, Wirt Christian Schottenhamel und die vielen anderen freiwilligen Helfer sehen darin aber kein "Strohfeuerchen". Sondern einen ergänzenden Höhepunkt zu der Hilfe, die die Stiftung das Jahr über den meisten der Gäste sowieso zuteil werden lässt: Mit Geld für kirchliche und andere Suppenküchen und Essensausgaben, bei denen es dann das Jahr über zwar keine drei Gänge - Kartoffelsuppe, Fleischpflanzerl mit Schwammerlsoße und Butterspätzle sowie Grießflammeri mit Gewürzkirschen - gibt, wohl aber warmes Gratis-Essen.

Hilfsaktion: Nockherberg einmal anders: Am Samstag hat die Stiftung "Wir helfen München" 1000 Wohnungslose aus München zu einem Drei-Gänge-Menü in den Paulaner-Festsaal eingeladen. Gekommen sind gut 600.

Nockherberg einmal anders: Am Samstag hat die Stiftung "Wir helfen München" 1000 Wohnungslose aus München zu einem Drei-Gänge-Menü in den Paulaner-Festsaal eingeladen. Gekommen sind gut 600.

(Foto: Catherina Hess)

Josef, 67, der derzeit in einem Wohnheim in Berg am Laim untergebracht ist und seinen Nachnamen nicht nennen möchte, scherzt, dass er normal nicht auf den Nockherberg gehe, "das Bier ist mir zu süß". Die Einladung am Samstag freut ihn aber - "a scheens Essen, eine Abwechslung". Für Stiftungsvorstand Heller ist das vor allem eine Geste, die Bedürftigen zeige, "dass sie auch zu dieser Stadt gehören". Mit seinen Kindern trägt er Suppe auf, serviert Kaffee, und als er selbst einen trinkt, beobachtet er mit Genugtuung, wie die heiter-offene Petra Reiter viele grüßt und von vielen herzlich begrüßt wird.

Horst, mittleren Alters, mit Wollmütze und langem Bart, freut das alles, und zugleich fühlt er sich beschämt. Bei zwei Halben Weißbier philosophiert er fein über die bevorstehende Winterkälte und über die Kälte in den Herzen. Sein Schlafplatz derzeit ist eine Parkbank in der Nähe des Circus Krone, ohne Schlafsack. "Ich bete jeden Abend für meine Sicherheit", sagt er. Platte machen, das sei gewiss nicht sein Wunsch, aber er sei obdachlos und schlafe im Freien. Die OB-Gattin kennt ihn, sie wechseln ein paar herzliche Worte - die ihn danach ob seiner Lage auch traurig machen: "Ich schäme mich, der Frau des Oberbürgermeisters in diesem Aufzug und mit diesem Bart, ungewaschen, die Hand schütteln zu müssen." Es sei entwürdigend, dass man sogar in einem einfachen Wohnheim "um den Schlüssel für die Dusche betteln muss".

Hilfsaktion: Neben dem Essen gab es noch ein wärmendes Wintergeschenk, und wer mochte, konnte sich auch noch Kleidung mitnehmen.

Neben dem Essen gab es noch ein wärmendes Wintergeschenk, und wer mochte, konnte sich auch noch Kleidung mitnehmen.

(Foto: Catherina Hess)

Unter denen, für die Essen im Festsaal aufgetragen wird, sind freilich auch solche, die sich für ihren Way of Life entschieden haben, etwa jener schwarz gekleidete Herr mit der rauen fränkischen Stimme, der zusammen mit etwa 25 anderen Menschen unter der Wittelsbacherbrücke lebt. Er wettert, dass "uns die Stadt am 29. November schon wieder das Bett unterm Arsch klauen will". Dann steht wieder eine Räumung an, weil die Stadt gesundheitliche Schäden bis zum Erfrieren befürchtet - so wie auch im Frühjahr Hochwasserprobleme mit dem Mobiliar unter der Brücke.

Der Oberbürgermeister bekommt das am Rande mit, gesteht auch, dass ihm diese anstehende Räumung "eigentlich zuwider" sei, aber halt aus Gründen von Sicherheit und Verantwortung unvermeidlich. Reiter spürt, dass sich die Dinge da seltsam kreuzen. Heute trägt er ihnen Fleischpflanzerl auf, am 29. muss er Betten einsammeln lassen unter der Brücke.

Die Aktion für die Obdachlosen gibt es seit Jahren, früher im Löwenbräukeller, nun ist sie mit Wirt Schottenhamel auf den Nockherberg gezogen. Das Essen sei alles eigens gespendet, sagt Heller. So könne die Stiftung "Wir helfen München" weiter ungeschmälert die Essensausgaben unterstützen oder auch für die Aktion "Bunte Münchner Kindl" Schulmaterial für Kinder von Sozialhilfeempfängern bezahlen. Mit 400 Schulen kooperiere die Aktion stadtweit, Petra Reiter ist auch dort mit Begeisterung dabei.

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