Nachhaltigkeitspreis:Sie reden nicht, sie handeln

Vier Unternehmen aus der Region sind am Montagabend mit dem Nachhaltigkeitspreis des Wirtschaftsforums Oberland ausgezeichnet worden. Sie haben sich gegen 16 andere Konkurrenten durchgesetzt. Die Betriebe engagieren sich für die Natur, die Wirtschaft und die Arbeitnehmer.

Von Benjamin Emonts, David Holzapfel und Katharina Schmid

Wenn es um Nachhaltigkeit geht, ist die Kluft zwischen Reden und Handeln meist groß. Man kennt das aus der Weltpolitik: Klimaziele werden formuliert, aber meist doch deutlich verfehlt. Der Nachhaltigkeitspreis des Wirtschaftsforums Oberland zeichnet dagegen regionale Unternehmen aus, die bei der Nachhaltigkeit wirklich etwas bewegen. Am Montagabend wurde der Preis in Kooperation mit der Standortmarketinggesellschaft Landkreis Miesbach (SMG) bereits zum siebten Mal vergeben. Die prämierten Unternehmen im Tölzer Kurhaus: die Oberland Solidargemeinschaft, der Penzberger Pharmakonzern Roche Diagnostics, die Raiffeisenbank Holzkirchen-Otterfing und das Naturhotel Tannerhof in Bayrischzell.

Die vier Unternehmen setzten sich gegen 16 andere Betriebe aus der Region durch. Die Vorschläge kamen von Städten und Gemeinden, Wirtschaftsverbänden, Innungen und Mitgliedsunternehmen des Wirtschaftsforums Oberland und der SMG. Preisträger im Jahr 2016 war mitunter die Oberlandwerkstätten GmbH, die seit mehr als 40 Jahren Menschen mit Behinderung engagiert. Unterstützt wurde die Verleihung abermals von "Energiewende Oberland", einer Bürgerstiftung für Erneuerbare Energien und Energieeinsparung, und von der Metropolregion München.

Roche Diagnostics

Roche Diagnostics gehört zu den größten Arbeitgebern und Ausbildungsbetrieben in der Region.

(Foto: Roche Diagnostics)

Roche Diagnostics

Der weltweit tätige Pharmakonzern darf sich bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen freuen. Erst im September wurde der Konzern im Pharmabereich zum zehnten Mal in Folge als weltweit nachhaltigstes Unternehmen im Dow Jones Sustainability Index ausgezeichnet - und erhält nun auch den Nachhaltigkeitspreis Oberland.

Aber was zeichnet das Unternehmen in sozialer und ökologischer Sicht aus? Allein in Penzberg hat es mehr als 6000 Mitarbeiter aus 50 Ländern: Roche ist somit der größte Arbeitgeber im bayerischen Oberland und einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren der Region. Im Landkreis Weilheim-Schongau hat der Konzern das größte biotechnologische Ausbildungszentrum Bayerns geschaffen. Derzeit beschäftigt Roche in Penzberg 288 Auszubildende in vier Ausbildungsberufen, darunter 13 Flüchtlinge. Hinzu kommen drei Studienkooperationen. Um den stetig wachsenden Bedarf an Auszubildenden zu decken, hat die Firma Partnerschaften mit mehr als 20 Schulen im Oberland. "Ausbildung ist für uns eine nachhaltige Investition in die Zukunft und den Standort Penzberg", betont Werksleiter Ulrich Opitz.

Roche beschäftigt sich auch mit dem Thema Inklusion. Seit 2009 besteht eine Kooperation mit den Oberland Werkstätten - derzeit sind 31 Menschen mit Behinderung bei Roche tätig. Durch kostenlose Kurse und Lauftrainings werden sie zusätzlich gefördert. "Das Ziel der gelebten Inklusion wurde durch unser einzigartiges Modell erreicht", sagt Opitz. Ungewöhnlich ist der sogenannte "Fürsorge-Dialog". Wenn ein Mitarbeiter wegen seiner Arbeitssituation oder privater Probleme lange fehlt, kann das Gespräch von einer Führungskraft oder dem Angestellten selbst initiiert werden. Der Medizinische Dienst oder der Betriebsrat vermitteln und bieten Hilfestellungen. 60 solcher vertraulichen Gespräche haben bereits stattgefunden.

Besonders stolz ist das Unternehmen auf sein neues "Truck Gate". Über das Gebäude wird der gesamte Lkw-Verkehr am Standort Penzberg abgewickelt. Seine Fassade besteht aus einer Holzverschalung. Die Beheizung erfolgt über eine eigene Anlage zur Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung, die eine Primärenergieeinsparung von 27 Prozent ermöglicht. Das Licht erzeugen stromsparende LED-Leuchten. Das Gebäude ist nach Auskunft des Unternehmens "komplett recycelbar". Eine neue Energiezentrale ist bereits fertiggestellt. Über drei Kühltürme auf dem Dach fließt das Regenwasser über Rohrleitungen und eine Turbine in ein unterirdisches Sammelbecken. Auf diese Weise wird Strom erzeugt. Außerdem wird aus Abwasser und mit Hilfe von Klärgas kohlenstoffdioxidfreie Energie erzeugt. Den Angestellten stehen auf dem Werksgelände 880 Fahrräder zur Verfügung. Seit Juni 2016 pendelt ein Shuttlebus aus dem Münchner Süden zum Werk in Penzberg. Die Mitarbeiter können ohne Auto an ihren Arbeitsplatz fahren. Rund 50 Mitarbeiter nutzen derzeit das Angebot und schonen damit die Umwelt.

Streuobstwiese der Solidargemeinschaft OBERLAND e.V.

Die Solidargemeinschaft Oberland setzt sich seit Jahren für heimische Lebensmittel ein.

(Foto: Solidargemeinschaft Oberland)

Solidargemeinschaft Oberland

Egal ob Honig, frisches Obst oder Gemüse: Die Solidargemeinschaft Oberland setzt sich seit nunmehr 18 Jahren für Lebensmittel aus der Region ein. Für ihr Engagement wurde sie nun mit dem Nachhaltigkeitspreis 2018 ausgezeichnet. "Wir sind sehr freudig überrascht", sagt die Vorsitzende Adriane Schua. "Der Preis bestätigt, dass es richtig und wichtig ist, was wir tun." Die Solidargemeinschaft Oberland ist Teil des Netzwerks "Unser Land", das ein vielseitiges Angebot an regionalen Lebensmitteln aus zehn Landkreisen vermarktet. Während sich in den gemeinnützigen Solidargemeinschaften Ehrenamtliche dafür einsetzen, den Gedanken des regionalen Produzierens und Kaufens zu verbreiten, übernimmt die GmbH wirtschaftliche Aufgaben und koordiniert die Zusammenarbeit von Erzeugern, Handwerkern und Handeltreibenden. Die Solidargemeinschaft Oberland zählt derzeit 15 aktive Mitglieder und rund 100 Fördermitglieder aus den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach. Damit sei der Verein zwar "gut aufgestellt", sagt Vorsitzende Schua. "Trotzdem sind wir als gemeinnütziger Verein natürlich immer auf der Suche nach Menschen, die dieselben Ziele und Werte haben und sich ehrenamtlich dafür einsetzen wollen."

Das wichtigste Ziel der Solidargemeinschaft sei, die Verbraucher zu sensibilisieren durch Vorträge, Infoständen und vielfältige Aktionen. Der Verein bietet beispielsweise Kinderkochkurse an, bei denen ausschließlich regionale Produkte verarbeitet werden. Schulklassen können im Projekt "Schule auf der Streuobstwiese oder beim Imker" während des Unterrichts in die Natur gehen, wo sie dem Thema hautnah begegnen.

Hobbygärtner haben im Projekt "Sonnenäcker" die Möglichkeit, ihre eigenes Beet auf einem Acker zu pachten und dort ihr Gemüse selbst zu pflanzen, zu pflegen und zu ernten. "Die Pächter sind so vielfältig wie die Pflanzen, die dort angebaut werden", sagt Schua. Besonders beliebt sei das Projekt bei Familien mit kleinen Kindern. Denn auf den Beeten können die Kleinen mit eigenen Augen betrachten, wie die Früchte wachsen, die später auf ihrem Teller landen.

Mit solchen und anderen Aktionen macht sie Solidargemeinschaft Oberland den Menschen die einheimischen Produkte schmackhaft - davon profitieren die regionalen Erzeuger und auch die Pflanzen, die mehr Wertschätzung erfahren. In der Begründung für die Verleihung des Nachhaltigkeitspreises 2018 heißt es: Die Solidargemeinschaft Oberland setze sich auf vielfältige Weise für eine "lebens- und liebenswerte Heimat" ein. Sie stärke die regionale Wirtschaft, schaffe neue Arbeitsplätze und erhalte die bäuerliche Landwirtschaft und die einzigartige Landschaft im Oberland. Ganz abgesehen von dem Beitrag, den sie für den Umwelt- und Klimaschutz leistet

Tannerhof

Seit seiner Gründung im Jahr 1905 setzt sich das Naturhotel Tannerhof für die Natur ein.

(Foto: Tannerhof)

Naturhotel Tannerhof

Einen imposanten Anblick bieten die vier Hüttentürme am Berghang oberhalb des Tannerhofs. Dass man hier in die Höhe statt in die Breite gebaut hat, war freilich Absicht. Für seine Fremdenzimmer wollte das Naturhotel und Gesundheitsresort in Bayrischzell möglichst wenig Fläche versiegeln. Die Türme wurden errichtet aus Massivholz und mit natürlicher Holzwolle gedämmt. Bereits seit seiner Gründung im Jahr 1905 setzt sich der Familienbetrieb in vierter Generation für den Erhalt der Natur ein. "Uns wurde das in die Wiege gelegt", sagt Betreiberin Burgi von Mengershausen. "Die Dankbarkeit, an einem so wunderschönen Ort zu leben, verlangt auch, möglichst wenig kaputt zu machen."

Das Unternehmen beschäftigt inzwischen fast 80 Mitarbeiter. Der Bio-Gedanke zieht sich durch alle Abteilungen des Hauses: Das Restaurant bietet ausschließlich bio-zertifizierte Lebensmittel an. Die 60 Hotelzimmer sind ökologisch ausgestattet mit Vollholzmöbeln und -böden. Seinen Strom bezieht der Tannerhof von Greenpeace; geheizt wird zu 90 Prozent mit Hackschnitzeln, gewaschen mit ökologischen Reinigungsmitteln. Eine kleine Bioland Landwirtschaft mit Freilandgarten, Gewächshaus für Kräuter und vier Rindern ergänzen den nachhaltigen Gedanken. Mit geschlechtsneutraler Bezahlung der Mitarbeiter und zum Teil übertariflichen Löhnen versucht der Tannerhof, soziale Nachhaltigkeit in seinem Konzept zu verankern. Dazu gehört unter anderem die Integration anerkannter Asylbewerber. "Wir freuen uns sehr über den Preis", sagt von Mengershausen. "Denn wir wollen als nachhaltig wirkender Arbeitgeber auch wahrgenommen werden."

Raiffeisenbank Holzkirchen-Otterfing eG
Marktplatz 11
83607 Holzkirchen

Die Raiffeisenbank Holzkirchen-Otterfing bezieht Ökostrom.

(Foto: Raiffeisenbank Holzkirchen-Otterfing)

Raiffeisenbank Holzkirchen-Otterfing

"So viel Geld Unsinn machen kann, so viel kann es auch Sinn machen", sagt Konrad Buckel, der Vorstandsvorsitzende der Raiffeisenbank Holzkirchen-Otterfing. Die Finanzkrise zu Beginn des Jahrtausends habe die Bank sehr nachdenklich gemacht. Sie ging folglich neue Wege. In ihrem Portfolio tauchen inzwischen viele nachhaltige Fonds und Mikrofinanzprodukte in Entwicklungsländern auf. Kunden, die Geld bei der Bank anlegen, dürfen mitbestimmen, wofür es als Kredit ausgegeben wird: etwa für die regionale Wirtschaft, den Wohnungsbau oder die Umwelt. "Regionale Geldanlagen mit Sinn."

Der Jury war das den Nachhaltigkeitspreis 2018 wert. Zumal das Unternehmen nicht nur sein Produktangebot nachhaltig gestaltet. Es setzt auch auf Umweltverträglichkeit. Den Strom bezieht der Betrieb ausschließlich aus regenerativen Energien. Der Betrieb seiner Heizungs- und Klimaanlage wurde von Heizöl auf Erdwärme umgestellt. Das Dach wird kostenlos den Betreibern einer Fotovoltaikanlage zur Verfügung gestellt. Oder Beim Kauf von Kaffee wird darauf geachtet, dass er das Fair-Trade-Siegel trägt.

Auch in Sachen Personalpolitik wollen sie ein gutes Beispiel geben. Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmer liegt bei etwa 15 Jahren. Vakante Positionen werden mit eigenen Nachwuchskräften besetzt. Außerdem können die Mitarbeiter auf verschiedene Teilzeitmodelle und Kindergarten-Zuschüsse zurückgreifen. Und die Bank unterstützt soziale Projekte in der Region: Mit Hilfe eines "Gewinnsparvereins" konnte sie im Jahr 2016 etwa 20 000 Euro für wohltätige Zwecke sammeln. Die Auszeichnung mit dem Nachhaltigkeitspreis sei "auch eine Imagefrage" für die Bank, sagt Vorstandsvorsitzender Buckel. "Unsere Kunden nehmen das wohlwollend auf."

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