Bildende Kunst:Handys und Höhlenmalerei

Zeitkritische Themen dominieren die Arbeiten bei den vierten Offenen Ateliers in Haar. Trotzdem wirken viele Werke ausgesprochen fröhlich

Von Angela Boschert, Haar

Egal ob sie gegenständlich oder abstrakt sind - Zeitthemen bestimmen die Kunstwerke, die am Wochenende bei den vierten Offenen Ateliers in Haar zu sehen gewesen sind. Acht Künstler öffneten ihre Ateliers in der Hans-Pinsel-Straße und luden zu Gesprächen ein.

Bei Corinna Weiss traf man gleich auf Bilder, die von aktuellen Problemen angeregt sind. Sei es zu viel Plastikmüll in den Weltmeeren oder die Flüchtlingskrise. So stehen auf ihrem Bild "Seite an Seite" vier Frauen, die sich in Haut- und Haarfarbe sowie Bekleidung unterscheiden, gedrängt beieinander und sehen den Betrachter mit einem Blick an, der zwischen unsicher-bedrückt und neugierig-auffordernd schwankt. Immer ist beides impliziert. Die schlichte Malweise des märchenhaften, fantastischen Realismus ermöglicht kaum ein Ausweichen. "Ich möchte ein Bild, das bei aller Bitterkeit des Themas positiv behaftet ist", sagt Weiss und unterstreicht, welche Fragen sie bewegen: Was ist daran falsch, anders zu sein? Wann können wir einander einfach mit Respekt begegnen? "Ihre Mädels", wie Weiss ihre Bilder nennt, fordern eine Antwort. Geben muss sie der Betrachter.

Im nächsten Stock zeigt Gastkünstler Thomas Rasche, der als Architekt beim Münchner Bauamt arbeitet, Zeichnungen, die mit zarten Farben das Leben einer Amarylis dokumentieren, von ihrem Aufblühen bis zum Verblühen. Härter im Strich, aber ebenfalls von dokumentierender Präzision sind seine Zeichnungen eines verwilderten Hausschweins aus Korsika, das einen wilden, aber auch freundlichen Charakter kundtut. Der zweite und der dritte Blick zeigt es. Auf ihn will Rasche hinaus.

Innehalten lässt einen Andrea Matheisens Skulptur "Sei Vogel, sei frei". Deren Füße haben die Ausmaße von Schuhen eines Clowns. Der Kopf hingegen ist so klein, dass sogar der kleine Singvogel auf ihm zu groß erscheint. Auch die weiteren, zwischen zehn und fünfzig Zentimeter großen Bronzefiguren zeigen diese Verjüngung des Körpers zwischen den überproportionalen Füßen und dem kleinen Kopf. Warum? Für Matheisen stehen diese Füße für Bodenständigkeit und Verwurzelung, wie die eines Baumes. "Die Figuren wissen, was sie sind", sagt sie. Daher hätten sie die Freiheit des Geistes, der leicht und frei wie ein Vogel ist. Und daher klein dargestellt.

Naturverbundenheit zeigt Hannes Höfler in seinen kleinformatigen Aquarellen, die Blumen ebenso zeigen wie ein Haus oder Landschaften. Für den Ottobrunner, der aus dem Druckgewerbe kommt, ist Malen eine seelische Erholung. Asiatische Kampfsportarten, die er seit mehr als 40 Jahren betreibt, sind seine Kraftquelle. Man merke beim Malen gleich, ob ein Aquarell etwas wird oder nicht, sagt er.

Von Vögeln ließ sich Maria Öhlin-Lostetter anregen. Seit November vergangenen Jahres fotografierte sie Kohl- und Blaumeisen verschiedenen Alters in ihrem Garten. Absolut naturgetreu sitzen die bunten Vögel nun vor grünem oder blauem Hintergrund und sind umgeben von geraden braunen Linien, die an Äste erinnern. Öhlin-Lostetter geht es um das Mit- und zugleich Gegeneinander der runden, eleganten Vogelkörper und dem Einpassen in die eckigen Formen der sie umgebenden Äste. Liegt hier die Ruhe in der Kraft?

Farbkräftig und lebendig wird es bei der Ex-Fernsehmoderatorin und Kinderbuchautorin Ramona Leiß, die sich vor zehn Jahren der Malerei zugewendet hat. Ihre gegenständlichen Acrylbilder sind von Höhlenmalereien angeregt und zeigen oft Elefanten. Aber nicht um ihrer Darstellung willen, sondern eingebettet in eine Tier- und Pflanzenwelt, die etwas Märchenhaft-Spielerisches hat. Und zugleich an das, für die Herausforderung des Lebens und Überlebens auf der Welt, notwendige Miteinander erinnert.

Unter das Motto "Non-Kommunikation" hat Alessandra Motta-Rees ihre gezeigten Malereien gestellt. So sitzen auf ihren eindringlichen Bildern Personen neben- oder beieinander und blicken zueinander, ohne sich anzusehen, wobei nur ihre Oberkörper oder ihre Beine gemalt sind. Die Botschaft ist deutlich: Man blickt auf Handy, Tablet oder E-Book anstatt in die Welt. Dabei ginge es auch anders, wie Motta-Rees in dem Bild "Kommunikation 2" zeigt. Hier sind einige junge Frauen auf einer Treppe sitzend locker miteinander im Gespräch. Ihre mobilen Telefone halten sie unbeachtet in ihren Händen.

Völlig ungegenständlich sind die großformatigen Bilder von Fancher Brinkmann, die von Feuerrot oder Blau bestimmt werden. Die in den USA ausgebildete Künstlerin lässt sich von Farbvorstellungen im Kopf inspirieren und beginnt mit einer der Primärfarben auf der Leinwand zu spielen. Die thematische Essenz zeigt sich in zeitaktuellen Titeln der Bilder, nicht im Abgebildeten.

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