Regensburger Korruptionsprozess:"Wir haben alles korrekt gemacht, alles"

Regensburger Korruptionsprozess: Der suspendierte Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (links) und Bauunternehmer Volker Tretzel handelten ihrer Darstellung nach allein zum Wohl der Stadt.

Der suspendierte Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (links) und Bauunternehmer Volker Tretzel handelten ihrer Darstellung nach allein zum Wohl der Stadt.

(Foto: Armin Weigel/dpa)
  • Seit acht Wochen stehen der suspendierte Oberbürgermeister Joachim Wolbergs und der Bauunternehmer Volker Tretzel vor Gericht.
  • Es geht um die Frage, ob die hohen Spenden von Tretzels Firma an Gefälligkeiten bei der Vergabe von Bauprojekten geknüpft waren.
  • Nun haben Telefonate das Selbstverständnis der beiden Männer offenbart - von Unrechtsbewusstsein keine Spur.

Von Andreas Glas, Regensburg

Joachim Wolbergs sitzt da, wie eingefroren, auch seine Lippen bewegen sich nicht. Seine Stimme ist trotzdem zu hören. Sie kommt aus dem Lautsprecher auf dem Richtertisch. "Ich bin am Verzweifeln am Rechtsstaat", sagt Wolbergs in dem Telefonat, das der Lautsprecher in den Gerichtssaal transportiert. Es stammt aus dem Herbst 2016, Wolbergs spricht mit Volker Tretzel über die Ermittlungen, die gegen beide laufen. Das mit dem Rechtsstaat sieht Tretzel offenbar ähnlich. Zum Beispiel "die Aufklärungsquote bei den Einbrüchen", die sei sehr niedrig, sagt er am Telefon. Genau, sagt Wolbergs, "da rennen in ganz Deutschland Verbrecher rum und die kümmern sich um so was".

"Die", damit meint der suspendierte Regensburger SPD-Oberbürgermeister Wolbergs die Staatsanwaltschaft. Und mit "so was" meint er wohl die Parteispenden, die aus dem Umkreis des Bauunternehmers Tretzel unbemerkt auf sein Wahlkampfkonto flossen. 475 000 Euro. Wegen "so was" zu ermitteln, hält Wolbergs offenbar für unnötig. Die Ermittlungen, sagt auch Tretzel, die hätten bestimmt schon "eine Million gekostet". Das, findet er, "sollte man mal anprangern". Aber doch nicht ihn. Und nicht den OB.

Seit acht Wochen läuft er jetzt, der Korruptionsprozess in Regensburg. Und allmählich verdichtet sich ein Bild, eine Vorstellung davon, wie die beiden Männer ticken, die hier unter Schmiergeldverdacht stehen. Hat Tretzel heimlich gespendet, weil er sich das Entgegenkommen des OB bei seinen Bauprojekten in Regensburg erhoffte? Hat der OB ihm diesen Gefallen getan? Dass Wolbergs und Tretzel allein diese Fragen für eine Unverschämtheit halten, wird mit jedem Telefonat klarer, das die Ermittler abgehört haben und die Richterin derzeit abspielen lässt.

Die Gespräche zeigen: Wolbergs und Tretzel sind sich keiner Schuld bewusst. Logisch, weil sie ja unschuldig sind, so sehen die zwei Männer das. Es gibt aber eine zweite Interpretation, die infrage kommt: Sie halten sich nicht deshalb für unschuldig, weil sie unschuldig sind. Sondern weil sie kein Unrechtsbewusstsein haben.

Als Oberbürgermeister müsse er "doch ein Interesse daran haben", dass die Leute "in tollen Wohnungen wohnen", sagt Wolbergs in einem der Telefonate mit Tretzel. Und Tretzel baue eben "die besten Wohnungen". Das sei der Grund, "warum ich immer der Auffassung war, Sie müssen in Regensburg so viel bauen, wie es nur geht". Tretzel sieht das ähnlich: "Sie haben ja das Gesamtwohl der Stadt im Auge und dann passt das doch, wenn ein Bauträger schöne Wohnungen baut." "Ja, natürlich", sagt Joachim Wolbergs, "wir haben alles korrekt gemacht, alles."

Alles korrekt? Die Staatsanwälte sehen durchaus ein Problem, falls ein OB sich für einen Unternehmer starkmacht, der ihn heimlich mit Geld unterstützt. Und offenbar auch das Gericht, das die Anklage gegen Wolbergs und Tretzel wegen Bestechlichkeit und Bestechung zwar ablehnte - wegen Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung aber zuließ. Für das Gericht ist nicht entscheidend, ob Wolbergs sich als käuflich empfindet. Sondern ob er käuflich gewesen ist.

Nur einmal blitzt bei Unternehmer Tretzel Selbstkritik durch

Volker Tretzel geht es vor allem darum, das Gericht zu überzeugen, dass nicht nur sein eigenes Geld an Wolbergs floss. Neben Tretzel selbst, seiner Firma und seiner Schwiegermutter haben ja auch acht seiner Mitarbeiter gespendet. Rund drei Dutzend mal, je 9900 Euro. Parteien müssen ihre Spenden erst ab 10 000 Euro veröffentlichen.

Die Staatsanwaltschaft hält das für ein Strohmannsystem, das Tretzel installierte, um seine Spenden zu verschleiern. Ein früherer Geschäftsführer der Tretzel-Firma, der auch angeklagt ist, soll dieses System im Auftrag seines Chefs organisiert haben. Oder wie Tretzel selbst am Telefon zu Wolbergs sagt: "Er hat sich halt drum gekümmert, dass die Jungs auch eine Spende abdrücken, so wie ich das eigentlich erwartet habe."

Die Tretzel-Mitarbeiter haben vor Gericht gesagt, dass sie aus eigenem Antrieb eher nicht gespendet hätten. Darauf deutet auch hin, dass die Firma immer wieder Beträge um die 20 000 Euro an die Mitarbeiter überwies. Nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben hatten die Mitarbeiter dann jene rund 10 000 Euro auf ihren Konten, die sie an den von Wolbergs geführten SPD-Ortsverein überwiesen. Eine Rückvergütung? Nein, sagen die Tretzel-Verteidiger. Tretzel habe den Mitarbeitern dieses Geld später wieder von deren Gewinnbeteiligungen abgezogen. Manche Mitarbeiter haben diese Theorie vor Gericht gestützt, andere weniger. Tretzel jedenfalls beharrt darauf, "dass die Jungs das aus eigenem Vermögen" spendeten, das sagt er am Telefon auch zu Wolbergs.

Nur einmal blitzt bei Unternehmer Tretzel Selbstkritik durch. "Na ja, diese Spenden hätte es vielleicht doch nicht gebraucht", sagt er. Der Politiker am anderen Ende der Leitung ist weniger kritisch. Die Spenden seien "zulässig", sagt Wolbergs. Was er offenbar auch für zulässig hält: dass sein ebenso angeklagter Parteigenosse Norbert Hartl, früher Fraktionschef der Rathaus-SPD, sich mit Tretzels Firma per E-Mail über Ausschreibungskriterien für städtischen Baugrund austauschte. Dass die E-Mail auch an ihn selbst ging, daran könne er sich nicht erinnern, sagte Wolbergs. Geht es nach Tretzel, ist das ohnehin eine Petitesse: Dass "Hartl den Kriterienkatalog ein bisschen maßgeschneidert hat, das spielt ja keine Rolle", sagt er am Telefon. Wolbergs pflichtet bei: "Ein Politiker muss ja wissen", dass er nicht "völlig auf dem Holzweg" sei.

Dass die Staatsanwaltschaft auch hinter Tretzels Finanzspritzen für den SSV Jahn Regensburg eine Einflussnahme auf die Politik sieht, kann Wolbergs ebenfalls nicht nachvollziehen. Das neue Stadion, in dem der Fußballklub spielt, gehört der Stadt. Statt zu ermitteln, müssten die Kripo-Ermittler "Ihnen die Füße küssen für Ihr Engagement beim Jahn", sagt der OB zu Tretzel, denn bei der Kripo gebe es ja auch Stadiongänger.

In einem weiteren Telefonat sagt Tretzel zu Wolbergs, dass er ihm "finanziell aus der Patsche helfen" wolle. Worum es konkret geht, wird nicht klar. In einem späteren Gespräch vereinbaren die beiden dann ein persönliches Treffen, offenbar bei Tretzel zu Hause. Da "essen wir eine Kleinigkeit", sagt Tretzel, da seien auch "mein Sohn, meine Schwiegertochter und meine Enkelin da". Ganz familiär also. Da "komme ich gerne", sagt Wolbergs.

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