Experiment:Gaming im Altenheim

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Die Digitalisierung soll in der Pflege künftig einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert bei der Prävention einnehmen. (Foto: N/A)
  • An bundesweit 100 Pflegeeinrichtungen werden ab sofort seniorengeeignete Videospiele getestet.
  • Die Digitalisierung werde in der Pflege künftig einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert bei der Prävention einnehmen, erklärte dazu der Vertreter einer erfolgreichen Altenheimkette, die das Projekt unterstützt.

Von Martin Zips

Neben dem Kinder- und Erwachsenen-spiel erfreute sich auch das Seniorenspiel zuletzt größter Beliebtheit. Als solches konnte es in familiären Gemeinschaften beobachtet werden. Beim Kartenspiel war dabei stets auf gut sichtbare Zahlen und Symbole, beim Brettspiel auf nicht zu kleine Würfel und gut greifbare Spielsteine zu achten. Als besonders beliebt galten neben generationsübergreifenden Sing-, Bastel- und Ratespielen vor allem Domino, Rommé, "Fang den Hut" und "Spitz, pass auf". Doch da wird man nun umdenken müssen.

An bundesweit 100 Pflegeeinrichtungen werden ab sofort seniorengeeignete Videospiele getestet. Dabei wird älteren Menschen vom Pflegepersonal eine Karte mit "pseudonymisiertem" QR-Code umgehängt, anhand derer der Computer erkennen soll, für welchen Spieler er welches Spiel bereitstellt. Denn nichts wäre für die moderne Geriatrie fataler als zum Beispiel einen Herzpatienten am (digitalen) Pingpong-Tisch schwitzen oder einen Schlaganfall-Patienten auf dem (digitalen) Post-Fahrrad Briefe austragen zu lassen.

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Im Pressetext der Krankenkasse, die das Projekt begleitet, heißt es dazu: "Beim Spielen mit der Memorebox werden die Bewegungen der Spielenden über die Kinect-Kamera in das Spiel übertragen. Es kann sowohl im Stehen als auch sitzend (z.B. im Rollstuhl) gespielt werden." Reaktionszeiten und Fehlerzahlen werden dokumentiert und können anschließend vom Fachpersonal ausgewertet werden.

Entwickelt wurde die Box von einem Start-up mit dem zukunftsweisenden Namen "Retrobrain". Eine der Überlegungen: Wer heute 80 Jahre alt ist, dürfte seine schönste Zeit in den Sechzigerjahren gehabt haben. Während des (digitalen) Kegelspiels ist der seinerzeit beliebte Schlager "Am Golf von Biskaya" von Freddy Quinn zu hören. Eine anleitende Stimme entspricht dabei akustisch dem Typ "sympathischer Schwiegersohn". Im Gegensatz zu jugendlichen Gamern sind Altenheim-Gamer meist weiblich. Die Digitalisierung werde in der Pflege künftig einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert bei der Prävention einnehmen, erklärte dazu der Vertreter einer erfolgreichen Altenheimkette, die das Projekt unterstützt.

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Mithilfe von Videospielen sollen Senioren agil bleiben. Die Senioren bekommen einen QR-Code und auf sie zugeschnittene Spiele. Die Bewegungen der Senioren werden dann über eine Kamera auf den Bildschirm übertragen. Videospiele wie dieses, die "Sonntagsfahrt", sollen die Gewichtsverlagerung trainieren...

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... beim "Tischtennis" wird die Hand-Augen-Koordination geübt (genau wie beim echten Ping Pong).

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Die Videospiele für Senioren werden von dem Start-Up "Retro Brain" bereitsgestellt und simulieren alltagsnahe Situationen, wie etwa das Austragen von Post.

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Das Videospiel "Kegeln" soll die Bewegungsfähigkeit der alten Menschen trainieren. Während des Kegelns hört man die Songs "Am Golf von Biskaya" von Freddy Quinn, "Das Glück ist ein seltsamer Vogel" von Patrick Lindner und "Die schönen Tränen des Laurentius" von den Wildecker Herzbuben.

Bleibt nur noch die Frage, ob man als älterer Mensch wirklich in einer Welt leben will, in der man etwa aus Mangel an Pflegekräften im Aufenthaltsraum vor einem Flachbildschirm zum Gaming abgestellt wird, bevor einen der Heimroboter aufs Töpfchen setzt. Falls nicht, so hätte sich das mit der Prävention dann eh erledigt.

© SZ vom 22.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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