Schreiben über Musik:Briefe und Noten

Patrick Dinslage porträtiert Edvard Grieg und seine Musik in einem Stil, von dem sowohl Kenner als auch Amateure profitieren können.

Von Helmut Mauró

Was macht den speziellen Tonfall eines Komponisten aus, was genau bestimmt sein Werk, wo hat er Traditionen verfeinert, perfektioniert, wo hat er unerhört Neues in die Welt gebracht? Es ist wieder einmal ein Versuch, es allen recht zu machen - sicherlich das riskanteste Konzept für eine Buchreihe, die sich an den interessierten Amateur ebenso richtet wie an den Kenner. Was in Musikdingen oft nicht einfach auszumachen ist. Da gibt es sehr informierte Amateure und sehr selbstbewusste Profis. Der Laaber-Verlag hat es dennoch gewagt, eine Porträtreihe "Große Komponisten und ihre Zeit" aufzulegen. Sie bringt in ihren Einzeldarstellungen, die wissenschaftliche Aufsätze, Zeitbeschreibungen, aber auch Anekdoten und bildliches Anschauungsmaterial umfassen, schier alle Aspekte unter einen Hut, von den äußeren Bedingungen und geistigen Kontexten bis zum kompositorischen Detail eines näher untersuchten Werkes.

Namhafte Musikwissenschaftler und Publizisten wie Carl Dahlhaus, Ludwig Finscher oder Peter Gülke haben sich jeweils einem Komponisten gewidmet. Chronologische Übersichten und ausführliche Register machen die drei- bis vierhundert Seiten starken Bände zu nützlichen Nachschlagewerken. Als 29. Band der Reihe erschien in diesem Jahr zu dessen 175. Geburtstag "Edvard Grieg und seine Zeit" von Patrick Dinslage, dem Leiter der Edvard-Grieg-Forschungsstelle der Leipziger Universität.

Immer wieder versuchen Menschen, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse dadurch eigener Kontrolle zu unterwerfen, dass sie ein Haushaltsbuch führen. Wie schon Robert Schumann verfiel auch Edvard Grieg dieser Marotte. Allerdings hat die Sache hier eine lustige Pointe. Grieg hat zwar penibel alle Ausgaben notiert, aber keine Einkünfte. Und so ist das Ergebnis dieser buchhalterischen Leistung nahe null. Wir erfahren im Grunde nichts über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Griegs. Es sind dann eher kollaterale Erkenntnisse, die von diesen Aufzeichnungen ausgehen. Zum Beispiel hat Grieg nicht nur die Kosten für jede einzelne Briefmarke notiert, sondern auch den Briefempfänger. Das sind für die Nachwelt allemal nützliche Informationen.

Leider verfällt Dinslage, wenn die Kapitelüberschrift "Werkanalyse" heißt, fast reflexhaft in einen musikwissenschaftlichen Seminarstil und konzentriert sich dabei im Wesentlichen aufs Deskriptive. Das heißt, man kann in spröder Genauigkeit nachlesen, was Grieg im Einzelnen komponiert hat, was man hören kann oder was man nicht überhören sollte. Diese Werkbeschreibungen machen aber bei Weitem nicht den Hauptteil der Monografie aus, und als Hörhilfe sind sie allemal geeignet. Die Buchreihe will ja in einem für den Laien kaum zu durchschauenden Publikationsmarkt populärer Musikthemen Standards setzen. Jeder Band ist denn auch ein kleines Standardwerk auf der Höhe der Forschung.

Patrick Dinslage: Edvard Grieg und seine Zeit. Laaber Verlag, Laaber bei Regensburg 2018. 358 Seiten, 37,80 Euro.

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