Asyl:Einsperren, rauswerfen

Immer öfter ordnen Richter an, abgelehnte Flüchtlinge in Abschiebehaft zu nehmen. Diese Form von Haft setzt keinerlei Schuld voraus, sie dient allein dazu, die Menschen am Untertauchen zu hindern, bevor sie abgeschoben werden.

Von Bernd Kastner

Immer öfter werden Flüchtlinge, die Deutschland verlassen müssen, in Abschiebehaft genommen. Während die Zahl der Abschiebungen seit 2015 nur leicht zugenommen hat, verdoppelte sich die Zahl der Fälle von Abschiebehaft bis 2017. Zugleich nimmt die Dauer dieser Haft deutlich zu. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. Deren innenpolitische Sprecherin Ulla Jelpke verurteilt die Entwicklung: "Ein Resultat der von der Bundeskanzlerin eingeforderten nationalen Kraftanstrengung bei Abschiebungen ist offenbar, dass Geflüchtete immer häufiger und länger in Abschiebungshaft genommen werden, in Einzelfällen sogar Kinder. Ich finde das unerträglich."

Die Antwort der Bundesregierung basiert auf Rückmeldungen aus den Bundesländern, die für Abschiebungen und die mitunter vorangehende Haft zuständig sind. Diese Häftlinge haben sich in der Regel nicht strafbar gemacht, sie sind nur deshalb inhaftiert, um ihre Rückführung zu garantieren. Wurden 2015 noch gut 1800 Menschen zu diesem Zweck eingesperrt, stieg die Zahl 2017 auf gut 4000. In den ersten Monaten 2018 deutet sich ein weiteres Plus an. Die Auswertung der Daten durch einen Experten der Linksfraktion verdeutlicht den Unterschied zu früheren Jahren: Während von 2008 bis 2014 die Zahl der Abschiebungen leicht zunahm, sank die Zahl der Inhaftierungen. Gestiegen ist in den letzten Jahren auch die Dauer der Haft: Die Zahl der Fälle, in denen Geflüchtete mehr als sechs Wochen eingesperrt waren, hat sich seit 2015 etwa vervierfacht.

Sollten Abschiebehäftlinge spezialisierte Rechtsanwälte zur Seite gestellt bekommen?

Immer wieder stellt sich Abschiebehaft später als rechtswidrig heraus, wie oft, ist strittig. Die Bundesländer erfassen nicht systematisch, wie oft Gerichte eine Haftanordnung kippen. Die Linksfraktion geht von einer hohen Zahl aus und beruft sich dabei auf den Hannoveraner Asylanwalt Peter Fahlbusch, der auf solche Fälle spezialisiert ist und zu seinen eigenen Mandanten Statistik führt. Seit 2001 habe er demnach bundesweit 1675 Abschiebehäftlinge vertreten, in knapp der Hälfte der Fälle habe ein Gericht abschließend festgestellt, dass die Haft rechtswidrig gewesen sei. Zusammengerechnet seien dies 21 854 unrechtmäßige Hafttage, so Fahlbusch. Die Linksfraktion fragt, ob man Abschiebehäftlingen nicht automatisch einen spezialisierten Anwalt zur Seite stellen sollte, ähnlich wie bei Untersuchungshäftlingen. Davon aber hält die Bundesregierung nichts: Sie habe "keinen Zweifel", dass bereits jetzt "ein umfassender Schutz von Grund- und Menschenrechten gewährleistet ist".

Jelpke kritisierte die Unkenntnis in diesem Bereich: Es sei "bezeichnend", dass rechtswidrige Abschiebehaft nicht systematisch erfasst werde. "Wer die eigenen Fehler nicht dokumentiert, muss sich auch nicht damit auseinandersetzen", sagte die Politikerin. "Offenbar zählen die Freiheitsrechte von Geflüchteten für deutsche Behörden so wenig, dass sie selbst deren rechtswidrige Inhaftierung billigend in Kauf nehmen - wenn dies der besseren Durchsetzung von Abschiebungen dient."

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