Restitution von Raubkunst:Macron handelt, Deutschland redet

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Drei Raubkunst-Bronzen aus dem Land Benin in Westafrika sind im Museum für Kunst und Gewerbe in einer Vitrine ausgestellt. Der Umgang der Museen mit der kolonialen Vergangenheit ist eines der großen kulturpolitischen Themen der Gegenwart. (Foto: dpa)

Auch in deutschen Museen liegen viele Kunstwerke, die einst aus Afrika geraubt wurden. Doch die Institutionen tun alles, um ihre Sammlungen zu verteidigen.

Kommentar von Jörg Häntzschel

Am Freitagabend hat der französische Präsident Macron Worten Taten folgen lassen. 26 Kunstwerke, die 1892 von französischen Kolonialtruppen in Benin gestohlen worden waren und seitdem in Paris liegen, gehen sofort an Benin zurück. Das veranlasste er unmittelbar nachdem Bénédicte Savoy und Felwine Sarr ihm ihren Bericht übergeben hatten, in dem sie genau das als erste Maßnahme empfehlen (SZ vom 22. November). Geraubte Kunst aus den Kolonien zurückzugeben, so führen die beiden Wissenschaftler auf 240 Seiten aus, sei die einzige Lösung des Raubkunstproblems. Leihgaben, "shared heritage", "Zirkulation" führe den Status Quo nur fort. Macron scheint das ebenso zu sehen.

Ihr Befund und Macrons Handeln bringen die deutsche Kulturpolitik in Erklärungsnot. Kaum jemand leugnet noch die in den Kolonien verübten Gräueltaten. Im Koalitionsvertrag wird die Kolonialzeit in einem Satz mit NS-Regime und der DDR genannt. Auch Museumsleute gestehen ein, dass sich in ihren Sammlungen Raubgut befindet. Doch vor dem einzig folgerichtigen Schritt - großzügige Restitutionen - drücken sich die Verantwortlichen. Sie hoffen, Schuldbekenntnisse und symbolische Akte der Buße reichten aus, um über das Raubgut verfügen zu können wie bisher. Deshalb fliegt man afrikanische Kollegen zu Symposien ein, übt dort den "Dialog auf Augenhöhe" und investiert viel Geld in Provenienzforschung.

Museen tun alles, um ihre Sammlungen zu verteidigen

Die nigerianische Kunsthistorikerin Peju Layiwola sagte kürzlich in dieser Zeitung: "Was gestohlen wurde, muss zurückgegeben werden. Es ist, als gehöre mir ein Auto, aber ein anderer fährt es." Der Dieb Deutschland, so könnte man fortführen, hofft, seine Tat gutzumachen, indem er das Opfer zum Bier einlädt und ihm dann - mit dessen Auto - ab und zu die Einkäufe nach Hause bringt.

Ob in Frankreich oder Deutschland: Museen tun alles, um ihre Sammlungen zu verteidigen. Der Kult um das Kulturerbe und die Institution Museum ist hier wie dort stark ausgeprägt. In Deutschland kommen die Strukturen dazu: Manche Museen unterstehen Kommunen, andere Ländern, andere dem Bund. Doch diese Hindernisse ließen sich alle überwinden. Schon jetzt könnten auch die Museen aktiv werden. Statt sich in akribischer Provenienzforschung zu verlieren, sollten sie brauchbare Inventare erstellen und online einsehbar machen. Solange die fehlen, diskutiert man um des Diskutierens willen.

Zuerst aber muss Deutschland sein koloniales Weltbild überwinden. Dass die geraubten Objekte uns nie gehörten, dass sie zurückgegeben werden müssen und dass von einer neuen Partnerschaft mit den afrikanischen Ländern beide Seiten profitieren, wird man dann ganz von selbst einsehen.

© SZ vom 24.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Von Jörg Häntzschel

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