Prozess in Regensburg:Die Ermittler stehen im Wolbergs-Prozess in der Kritik

Staatsanwältin Christine Ernstberger

Staatsanwältin Ernstberger hat Fehler bei der Telefonüberwachung zwar zugegeben.

(Foto: Armin Weigel)
  • Die Verteidiger aller Angeklagten haben im Korruptionsprozess gegen den suspendierten Regensburger SPD-Oberbürgermeister Joachim Wolbergs die Verhaftungen der Angeklagten massiv kritisiert.
  • Vor allem Ermittlungsleiterin und Staatsanwältin Christine Ernstberger steht in der Kritik.
  • Die ersten acht Wochen des Prozesses haben offenbart, dass es handfeste Ermittlungsfehler gab.

Von Andreas Glas, Regensburg

Es gibt da ein Telefonat aus dem Herbst 2016, zwischen Joachim Wolbergs und seiner Wahlkampfmanagerin. Die Ermittler haben das Telefonat abgehört und mitgeschnitten. Das Gericht hat es kürzlich vorgespielt, beim Korruptionsprozess gegen Wolbergs, den suspendierten Regensburger SPD-Oberbürgermeister. "Die ist total nett", sagt Wolbergs am Telefon über Staatsanwältin Christine Ernstberger, "die ist total korrekt", "keine Scharfmacherin". Das ist bemerkenswert, weil Wolbergs heute ganz anders über die Staatsanwältin spricht. Weil er sie an praktisch jedem Prozesstag spüren lässt, dass er sie geradezu verachtet.

Dass Wolbergs wütend ist auf die Staatsanwaltschaft, hat Gründe - auch nachvollziehbare Gründe, das hat der bisherige Prozessverlauf gezeigt. Die Ermittler haben Fehler gemacht. Bei der Telefonüberwachung, beim Verschriften der Telefonate, auch bei den Haftbefehlen. Mehrere Wochen saßen Wolbergs, Bauunternehmer Volker Tretzel und ein Ex-Mitgeschäftsführer der Firma Tretzel im Gefängnis, Anfang 2017 war das. Um die Zweifel zu verstehen, muss man die fünf Gründe kennen, weswegen die Staatsanwaltschaft U-Haft gegen Joachim Wolbergs beantragt hatte.

Erster Haftgrund: Ein Telefonat, das Wolbergs Ende 2016 mit Hans Rothammer führte, dem Präsidenten des Fußballklubs Jahn Regensburg. Damals war Wolbergs noch Jahn-Aufsichtsratschef. Die Ermittler wollen in dem Telefonat gehört haben, dass Wolbergs und Rothammer vereinbarten, Aufsichtsratsprotokolle zu manipulieren. Sie werteten dies als Versuch, Beweismaterial zu vernichten - und damit als Verdunkelungsgefahr. Sechs Wochen nach der Inhaftierung ordnete das Landgericht an, Wolbergs freizulassen. Anders als die Ermittler erkannte das Gericht keine Absprachen zwischen Wolbergs und Rothammer. Wohl zurecht, denn am Telefon sagt der OB über die Protokolle: "Lass es, wie es ist." Das konnten auch die Prozessbeobachter hören, als das Gespräch im Gerichtssaal abgespielt wurde. Seltsam, dass die Staatsanwaltschaft über diesen Satz nicht stolperte.

Zweiter Haftgrund aus Sicht der Staatsanwälte: Wolbergs soll einen Rathausmitarbeiter mit Blick auf dessen Aussagen bei der Polizei beeinflusst und unter Druck gesetzt haben. Auch diese Einschätzung teilt das Gericht nicht. Es betrachtet das Gespräch zwischen Wolbergs und seinem Mitarbeiter als "neutral". Dritter Haftgrund: Ein Treffen zwischen Wolbergs, dem mitangeklagten Ex-Geschäftsführer der Firma Tretzel, dessen damaligem Rechtsanwalt und einem weiteren Tretzel-Mitarbeiter an Silvester 2016. Aus einem zuvor abgehörten Telefonat zogen die Ermittler den Schluss, dass der Tretzel-Mitarbeiter bei dem Treffen zu einer für Wolbergs entlastenden Aussage gedrängt werden sollte. Auch dieses Treffen wertete das Gericht als unproblematisch - und damit komplett anders als die Staatsanwaltschaft.

Vierter Haftgrund: Ein Telefonat zwischen Wolbergs und Unternehmer Tretzel am 3. Januar 2017. Darin ging es um eine Wohnung, die Wolbergs' Mutter bei der Firma Tretzel gekauft und dafür einen Rabatt bekommen hatte. Am Telefon soll Tretzel angekündigt haben, eine Preisliste zu erstellen, die den Rabatt rechtfertigt. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ging es um eine gefälschte Liste. Das Gericht dagegen sah dafür keine Indizien und erkannte keinen Haftgrund.

Nur beim fünften Punkt waren sich Staatsanwaltschaft und Landgericht einig, dass Verdunkelungsgefahr besteht. Dabei geht es um ein Telefongespräch zwischen Wolbergs und einem Journalisten. Den soll der OB aufgefordert haben, interne Dokumente der Stadt zu vernichten, die der Journalist zuvor von Wolbergs bekommen hatte - angeblich aus Furcht, dass die Dokumente den OB belasten könnten, falls sie in die Hände der Ermittler geraten. Dass allein dieser fünfte Verdunkelungsverdacht gereicht hätte, um die U-Haft gegen Wolbergs durchzusetzen, ist sehr fraglich.

Kein Wunder also, dass die Verteidiger aller Angeklagten die Verhaftungen massiv kritisieren. "Herr Wolbergs ist wegen dieses Haftbefehls aus dem Amt genommen worden. Ansonsten säße er heute noch im Rathaus", sagt sein Anwalt Peter Witting. Was bei aller Kritik aber in Vergessenheit gerät: Dass das Regensburger Amtsgericht den von der Staatsanwaltschaft beantragten Haftbefehl damals zuließ. Und das Landgericht zwar vier Haftgründen nicht folgen wollte - aber seinerseits zwei Gründe nannte, die im Haftantrag der Staatsanwälte gar nicht vorkamen. Zwei Gespräche, in denen Wolbergs offenbar Einfluss nahm auf Aussagen zweier städtischer Mitarbeiter bei der Polizei. Den Haftbefehl hob das Gericht erst im März 2018 auf, als die Ermittlungen beendet waren und die Strafkammer die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen Wolbergs zuließ.

Prozess zeigt handfeste Ermittlungsfehler

Dass die Kammer diese Anklage von Bestechlichkeit bei Wolbergs und Bestechung bei Tretzel auf Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung herabstufte, darin sehen deren Verteidiger einen weiteren Beleg, dass die Verhaftungen unrecht waren. Schließlich hatte das Amtsgericht die Haft auf Grundlage der Bestechlichkeits- und Bestechungsvorwürfe angeordnet - und nicht aufgrund des weniger schweren Verdachts der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung, den das Landgericht letztlich zur Verhandlung zuließ.

All das bedeutet nicht, dass die Staatsanwaltschaft den OB und die Mitbeschuldigten zu Unrecht vor Gericht gestellt hat. Würde die Strafkammer sie für unschuldig halten, sie hätte die Anklage gar nicht zugelassen. Die ersten acht Wochen des Korruptionsprozesses haben offenbart, dass es eine Menge Indizien gegen die Angeklagten gibt. Aber eben auch handfeste Ermittlungsfehler.

Dazu gehören die Abhörmethoden der Polizei, die Richterin Elke Escher als "massiven Verstoß" gegen Grundrechte rügte. Denn es wurden Gespräche aufgezeichnet, die den Kernbereich der geschützten Privatsphäre betreffen. Außerdem Gespräche zwischen Beschuldigten und Verteidigern, was ebenso verboten ist. "Alles andere als schön" findet Escher auch, dass mehrere entlastende Gespräche oder Gesprächspassagen nicht oder nicht korrekt in den Ermittlungsakten verschriftet wurden. Dazu wurden wohl mehrere Unbeteiligte im Nachhinein nicht informiert, dass ihre Telefonate mit den Angeklagten abgehört wurden. Etwa die Landtagsabgeordnete Margit Wild (SPD), die deswegen Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Ermittlungsleiterin Christine Ernstberger eingereicht hat.

Staatsanwältin Ernstberger hat Fehler bei der Telefonüberwachung zwar zugegeben - aber recht lapidar als "nicht gut" bezeichnet, was bei Prozessbeobachtern Unbehagen ausgelöst haben dürfte. Kritik an der U-Haft blockt Ernstberger komplett ab. "Sind Sie immer noch der Meinung, die Haft war korrekt?", wollte Joachim Wolbergs kürzlich von ihr wissen. "Ja", sagte die Staatsanwältin, "ich würde es genauso wieder machen."

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