Russland-Ermittlungen:Mueller schweigt, Trump antwortet

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Der US-Sonderermittler lässt sich nicht in die Karten schauen, bleibt aber hartnäckig. Das hat auch mit seiner persönlichen Geschichte zu tun.

Von Alan Cassidy, Washington

Der Mann mit dem einfachsten und der Mann mit dem schwierigsten Job in Washington arbeiten im gleichen Team. Der erste heißt Peter Carr. Seine Aufgabe besteht darin, jeden Tag eine Reihe von Journalistenanfragen mit den immer gleichen zwei Wörtern zu beantworten: No comment. Carr ist der Mediensprecher von Robert Mueller, dem Mann mit dem schwierigsten Job in Washington. Der Sonderermittler untersucht seit eineinhalb Jahren die russische Einmischung in die Präsidentschaftswahl 2016. Und die Vorgabe, die er seinem Sprecher schon zu Beginn der Untersuchung gemacht hat, lautet: Wir sagen nichts.

Irgendwo dazwischen auf der Schwierigkeitsskala landen die Jobs all jener Journalisten, Politiker und sonstiger Angehöriger der Washingtoner Politblase, die obsessiv versuchen, Muellers Ermittlungen zu erfassen. Was ist sein nächster Schritt? Wann kommt er? Schon immer hüllte Mueller sich und seine Untersuchung in Schweigen, doch so ruhig wie zuletzt, vor den Midterm-Wahlen, war es noch nie um ihn. Das ändert sich jetzt. Diese Woche reichte US-Präsident Donald Trump eine Liste von handgeschriebenen Antworten ein zu Fragen, die Mueller an ihn hatte. Gleichzeitig sind auch die Spekulationen zurück, fiebrig und erwartungsvoll: Nähern sich die Ermittlungen ihrem Ende?

Russland-Ermittlungen
:Trump reicht schriftliche Antworten bei Sonderermittler Mueller ein

Vor Reportern hatte der Präsident betont, dass er die Antworten persönlich verfasst habe. Unterdessen werden neue Vorwürfe bekannt: Einem Medienbericht zufolge soll Trump im Frühjahr versucht haben, Ermittlungen gegen zwei seiner politischen Gegner anzustrengen.

Wenige Leute verfolgen die Untersuchung so genau wie Garrett Graff. Der Journalist kennt Mueller seit vielen Jahren, er hat eine Biografie über ihn geschrieben. Er habe aufgegeben, Prognosen abzugeben, sagt Graff. "Um Mueller zu verstehen, ist es hilfreicher, auf seine Vergangenheit zu blicken." Dazu gehört seine Zeit als Strafverfolger, in der er beharrlich die Untersuchung des Lockerbie-Anschlags leitete, bei dem 243 Menschen ums Leben kamen. Dazu gehört der erfolgreiche Prozess gegen den New Yorker Mafia-Paten John Gotti in den 1990er-Jahren. Und dazu gehört seine Zeit bei der Bundespolizei FBI, wo er eine Woche vor den Anschlägen vom 11. September 2001 Direktor wurde.

Was wusste Trump? – Dieser Frage geht Robert Mueller sehr konsequent nach. (Foto: Andrew Harnik/AP)

Besonders prägend war aber sein Einsatz im Vietnamkrieg. Graff hat darüber vor einigen Monaten eine Geschichte im Magazin Wired verfasst, weil er glaubt, dass sie am besten illustriere, was Mueller antreibt: "Der unbedingte Wille, seinem Land zu dienen, etwas zurückzugeben."

Robert Swan Mueller III, Sohn einer wohlhabenden, protestantischen Familie aus der Nähe von Philadelphia, hatte eben sein Studium beendet, als er sich als Marineinfanterist für den Einsatz im Vietnamkrieg meldete. Weil man ihn wegen seines lädierten Knies abwies, wartete er ein Jahr, bis die Verletzung ausgeheilt war. Und meldete sich erneut. Er durchlief die Offizierschule und die für ihre Härte bekannte Army Ranger School. 1968 kam er als Offizier nach Vietnam, führte eine Einheit von Marineinfanteristen.

Für seinen Einsatz verdiente er sich einen Tapferkeitsorden, nachdem er einen verletzten Kameraden unter schwerem feindlichem Feuer in Sicherheit gebracht hatte. Wenig später durchbohrte eine Gewehrkugel seinen Oberschenkel. Er kämpfte weiter. Noch Jahre danach, so erzählt es Graff, habe Mueller über schwierige Situationen gesagt: "Egal, was auf mich zukommt, es wird nie mehr von derselben Heftigkeit sein wie damals." Daraus beziehe der 74-Jährige seine Ruhe - und seine Gabe, sich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren.

Niemand zweifelt daran, dass auch Muellers jetzige Aufgabe genau das ist: ziemlich heftig. Die Aufsicht über die Untersuchung liegt seit Kurzem beim umstrittenen interimistischen Justizminister Matthew Whitaker. Viele befürchten, dass Trump ihn auf den Posten berufen hat, um den Sonderermittler zu stoppen. Die Demokraten haben für diesen Fall angekündigt, eigene Ermittlungen im Repräsentantenhaus weiterzuführen, wo sie nun eine Mehrheit haben. Kaum ein Tag vergeht, an dem Trump sich nicht über Mueller und dessen "Hexenjagd" auslässt.

US-Justizministerium
:Trumps Türsteher

Interims-Justizminister Matthew Whitaker ist ein loyaler Anhänger des US-Präsidenten - bereits früh forderte er, die Befugnisse des Sonderermittlers Mueller zu begrenzen. Die Demokraten sehen eine Gefahr für den Rechtsstaat.

Von Alan Cassidy

Mueller lässt sich davon nicht beirren. Er und seine 13 Staatsanwälte, darunter auch einer, der schon bei der Watergate-Untersuchung dabei war, ermitteln weiter. Sie haben bereits mehr als 30 Personen angeklagt, mindestens vier Personen aus dem weiteren Umfeld von Trumps Kampagne haben ein Geständnis abgelegt oder wurden von einem Gericht für schuldig gesprochen. Inzwischen schälen sich mehrere Spuren der Untersuchung hinaus.

Die ersten drei betreffen die Frage nach illegaler Zusammenarbeit mit russischen Kräften, das, was die Amerikaner collusion nennen. Da sind erstens die Fälle von Geldwäscherei und die zweifelhaften Auslandsgeschäfte von Trumps Ex-Wahlkampfchef Paul Manafort und dessen Partner Rick Gates. Beide bekannten sich schuldig. Und beide kooperieren seither im Gegenzug für eine Strafmilderung mit Mueller.

Da sind zweitens die russischen Angriffe vor den Wahlen 2016: Cyberattacken auf die Computer der Demokratischen Partei, die mit der Veröffentlichung von Tausenden E-Mails durch Wikileaks endeten. Und Beeinflussungsversuche über soziale Medien, wie sie die Internet Research Agency betrieb, eine russische Trollfabrik, gegen die Mueller Anklage erhob.

Der dritte Strang sind die verschiedenen Kontakte, die Angehörige von Trumps Wahlkampfteam zu russischen Kreisen hatten. Dazu zählen die früheren Berater Michael Flynn und George Papadopoulos, dazu gehört aber auch Trumps Sohn Donald Junior, der sich im Trump-Tower mit einer Kreml-nahen Anwältin traf, die der Kampagne des Präsidentschaftskandidaten "Dreck" über Hillary Clinton versprochen hatte.

Die Frage, die über allem schwebt, lautet: Was wusste Trump selber von diesen Dingen? Und: Verhielt er sich dabei nur politisch ungeschickt - oder beging er persönlich eine Straftat? Nur Letzteres könnte Mueller zur Anklage bringen. Und nur Letzteres wäre wohl genug, um ein Impeachment-Verfahren einzuleiten.

Fast nichts bekannt ist in der Öffentlichkeit über den vierten Strang der Untersuchung, die Frage, ob Trump als Präsident die Ermittlungen der Justiz behinderte - etwa, indem er den damaligen FBI-Chef James Comey feuerte. Und gänzlich an andere Staatsanwaltschaften abgegeben hat Mueller schließlich Themen, die Trumps Firma betreffen, alles also, was mit der Verhaftung von dessen früherem Vertrauensmann Michael Cohen zusammenhängt - zum Beispiel die Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin im Wahlkampf. Muellers Biograf deutet das so: "Er fokussiert sich ganz auf das, was direkt im Zusammenhang mit Russland steht."

Völlig offen ist, wo das alles enden wird. In einem großen Bericht an den Kongress, der die verschiedenen Puzzleteile zusammenfügt? In einer Anklageschrift gegen den Präsidenten? Oder in einer Entlastung desselben? Niemand weiß es. In Washington wird weiter spekuliert, und die Hoffnungen, die viele Trump-Gegner in Mueller setzen, wachsen weiterhin. Gleichzeitig wird sich auch Trumps Kampf gegen den Sonderermittler verschärfen. Noch schweigt Mueller - die Frage ist, wie lange noch.

© SZ vom 24.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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