Yanis Varoufakis:Rückkehr eines Rebellen

Gianis Varoufakis; varoufakis

Varoufakis bei einer Pressekonferenz in Brüssel 2015.

(Foto: Julien Warnand/dpa)

Kaum einer bestimmte 2015 das Bild der Griechenlandkrise so wie Yanis Varoufakis. Nun kehrt der Ex-Finanzminister zurück in die Politik - ausgerechnet in Deutschland.

Von Leila Al-Serori

Es ist noch nicht lange her, da war Yanis Varoufakis ein politischer Popstar. Als griechischer Finanzminister wurde er während der Finanzkrise 2015 zum Gesicht seiner Regierung und Liebling der Presse. Das lag vor allem an seinen markigen Sprüchen, seinem harschen und provozierenden Auftreten bei Euro-Gruppen-Treffen. So bezeichnete er seinen damaligen deutschen Kollegen Wolfgang Schäuble als den "Zuchtmeister" der Euro-Zone. Oder sagte Sätze wie diesen: "Was sie mit Griechenland machen, hat einen Namen: Terrorismus." Ein Video, in dem Varoufakis offenbar den Mittelfinger in Richtung Deutschland streckte, machte wochenlang Furore.

Doch genauso schnell wie Varoufakis damals die politische Bühne beherrschte, war er wieder weg. Nach nur fünf Monaten im Amt reichte er seinen Rücktritt ein, machte seither als Autor und Vortragender deutlich weniger von sich reden.

Nun kommt der 57-jährige Wirtschaftsexperte zurück in die Politik: Varoufakis tritt bei der Europawahl im Mai 2019 als Spitzenkandidat der transnationalen Bewegung "Democracy in Europe Movement 2015" (DiEM25), die er selbst 2016 mitgegründet hat, an. Und zwar ausgerechnet in seinem Lieblingsgegnerland von damals: Deutschland. Die Bestätigung seiner Kandidatur sendete die Bewegung am frühen Nachmittag via Twitter:

Offiziell nominiert wurden die Kandidatinnen und Kandidaten - zehn Frauen und zehn Männer - am Sonntag in Berlin. Alle sind aus unterschiedlichen Ländern und treten gemeinsam an. "Wir werden die nationalen Barrieren durchbrechen", kündigte die Partei im Vorfeld an. Die Einführung transnationaler Listen für alle Parteien lehnte das Europaparlament in einer Abstimmung Anfang des Jahres ab, auch Kanzlerin Angela Merkel sprach sich dagegen aus. Dass jemand wie Varoufakis in Deutschland antritt, ist dennoch rechtlich möglich, wenn er als EU-Bürger einen Wohnsitz im entsprechenden Land hat. DiEM25 hat sich in Deutschland außerdem einen Bündnispartner gesucht: die Kleinstpartei "Demokratie in Bewegung", deren Liste der Grieche nun anführt.

Varoufakis pflegt das Bild des rebellischen Anti-Politikers, tritt statt mit Krawatte gerne in Lederjacke auf. So sehr seine provozierende Art 2015 von den einen geliebt und von den anderen kritisiert wurde, so unumstritten ist seine fachliche Expertise. Varoufakis ist Professor für Wirtschaftswissenschaften und Ökonomische Theorie, hat mehrere wissenschaftliche Standardwerke geschrieben, unterrichtet in seiner Heimat Griechenland, in Großbritannien und den USA.

Wie er sich Europa vorstellt, hat er kürzlich in mehreren Interviews skizziert - auch in der Süddeutschen Zeitung. "Wir sollten in Europa endlich einen Plan machen zur Restrukturierung der Euro-Zone, statt immer mehr gutes Geld schlechtem Geld hinterherzuwerfen. Deutschland kann und soll nicht weiter Löcher stopfen. Spätestens jetzt mit den Problemen Italiens geht das nicht mehr, das Land ist viel zu groß", sagte Varoufakis. DiEM25 beschrieb er als "Graswurzelbewegung" und betonte: "Wir müssen weg von den nationalen Ansätzen zur Lösung unserer Probleme."

Außerdem fordert er bis 2025 eine verfassungsgebende Versammlung, die aus der EU eine europäische Republik macht, wie er dem RBB sagte. "Das Europäische Parlament ist das einzige Parlament in der Geschichte der Menschheit, das kein Recht zur Gesetzgebung hat. Das muss man einmal so sagen. Und dann erkennt man das Ausmaß der Farce."

Er wolle eine Alternative zum "Establishment", also den großen Parteien, und den Rechtspopulisten sein. Diese seien zwei Seiten einer Medaille, sagte er der Frankfurter Rundschau: "Sie bekämpfen sich angeblich, aber sie brauchen einander. Die Junckers und die Merkels und die Macrons der Welt sagen den Wählern: 'Ich weiß, dass Sie sehr wütend auf mich sind. Aber wenn ich weg bin, kommen nach mir Leute wie Salvini.'" Aber genau so eine Haltung würde Rechte stärken: "Salvini braucht das Establishment. Denn es sind die Sparpolitik und der Sozialismus für die Banker, die die Unzufriedenheit schaffen, die Salvini nährt. Wenn du für einen stimmst, stimmst du auch für den anderen."

Für die bisher recht unbekannte Kleinstpartei "Demokratie in Bewegung" dürfte der prominente Name Varoufakis ein Gewinn sein. Denn mit ihm könnte tatsächlich der Einzug ins Europäische Parlament gelingen, bei der Europawahl gibt es keine Fünf-Prozent-Hürde. Was den Bekanntheitsgrad angeht, steht der frühere Polit-Popstar den anderen Spitzenkandidaten in Deutschland - Manfred Weber (CSU), Ska Keller (Grüne), Katarina Barley (SPD) und Nicola Beer (FDP) - zudem in nichts nach. Dem früheren Popstar-Image sei Dank.

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