Krim-Konflikt:Eine Meerenge wird zum gefährlichen Nadelöhr

Um die Durchfahrt zum Asowschen Meer streiten Russland und die Ukraine schon länger. Warum jetzt eine Eskalation droht - und weshalb diese den Regierungen in Moskau und Kiews sogar nutzen könnte.

Von Frank Nienhuysen

Es ist schon immer eine schmale Durchfahrt gewesen, der Weg zwischen dem Schwarzen Meer und dem benachbarten Asowschen Meer. Seit dem Frühjahr aber ist es ein Nadelöhr. Denn im Mai weihte Russland die neu gebaute Krim-Brücke ein, die das russische Festland mit der von Moskau annektierten ukrainischen Halbinsel verbindet. Und damit sind die ohnehin immensen Spannungen zwischen den Ländern noch einmal gestiegen. Die neue Brücke macht die Durchfahrt für Schiffe schwieriger; Frachter, die höher sind als 33 Meter, können seitdem das Asowsche Meer nicht mehr erreichen - und damit wichtige ukrainische Hafenstädte wie Mariupol und Berdjansk. Moskau kann den Weg ukrainischer Schiffe nun praktisch blockieren.

Dass sich die Lage für die Ukraine seit dem Frühjahr auf diese Weise verschlechtert hat, ist offensichtlich. Der Handelsumfang an dem betroffenen südostukrainischen Küstenstreifen ist deutlich eingebrochen, nicht nur, weil viele Schiffe ihn erst gar nicht erreichen, sondern auch, weil kleinere seit Monaten zunehmend von Russland inspiziert werden. Die ukrainische Regierung beklagt sich seit Langem darüber, dass Schiffe tagelang willkürlich festgehalten würden und Russland auf diese Weise versuche, die Ukraine wirtschaftlich zu treffen. Dabei hat das Land auch so schon massive wirtschaftliche Probleme, unter anderem wegen des Kriegs in der Ostukraine, aber auch durch Korruption und einen Reformstau, der die Entwicklung deutlich bremst.

Moskau wiederum rechtfertigt seine zunehmenden Kontrollen im Asowschen Meer unter anderem damit, dass es die neue Krim-Brücke schützen müsse. Am Sonntag hat die russische Marine nun zwei ukrainische Schiffe mit Waffeneinsatz geentert - und Kiew erwägt, darauf mit der Einführung des Kriegsrechts zu reagieren.

Droht nun also ein neuer hitziger Krieg? Die Europäische Union und die Nato warnen schon seit Längerem davor, dass die Lage am Asowschen Meer eskaliert und eine neue Front entstehen könnte. Die Gefahr zumindest einer Verschärfung der Lage ist groß, denn auf beiden Seiten geht es auch um sehr viel Prestige. An allzu viel Konzilianz und Kompromissbereitschaft gegenüber dem anderen Land dürfte weder die Ukraine noch Russland derzeit großes Interesse zu haben.

Kriegsrecht in der Ukraine - was bedeutet das?

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko will im März wiedergewählt werden, doch allen bisherigen Umfragen zufolge sind seine Aussichten dafür nur sehr gering. Poroschenko könnte also durchaus darauf spekulieren, dass zunehmende Spannungen mit Russland ihm auch zunehmende Unterstützung in der ukrainischen Bevölkerung bringen könnte. Für ein solches Kalkül spricht, dass in der Ukraine bereits jetzt über die Einführung des Kriegsrechts diskutiert wird. Dies würde nämlich die für März geplante Präsidentenwahl voraussichtlich verschieben - und damit wohl auch seine eigene Abwahl. Poroschenko hätte also wichtige Zeit gewonnen.

Doch auch in Russland hat die russische Führung deutlich an Rückhalt und Vertrauen verloren. Müde vom fernen Syrien-Konflikt, in dem Moskau an der Seite von Baschar al-Assad kämpft, hatten sich für die meisten Russen zuletzt soziale Probleme in den Vordergrund geschoben. Rente, Bildung, das Gesundheitssystem. Von all dem könnten neue Spannungen mit der Ukraine wieder etwas ablenken.

Eine offene Seeschlacht am Asowschen Meer ist zwar nicht wahrscheinlich; dann würden die für die Ukraine wichtigen Hafenstädte wohl vollkommen blockiert. Doch schon Machtdemonstrationen auf beiden Seiten sind ein düsteres Szenario. Denn von Klagen vor internationalen Gerichten redet in dem Streit leider niemand.

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