Nahaufnahme:Der junge Wilde

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Philipp von der Wippel: „Ohne Brücken zu Wirtschaft und Politik bleiben bahnbrechende Ideen klein“ (Foto: oh)

Philipp von der Wippel ist 22. Und coacht seit sechs Jahren soziale Start-ups, um die Welt zu verbessern. Geld verdient er auch.

Von Theresa Parstorfer

Philipp von der Wippel trägt schwarzen Rollkragenpullover unter dunkelblauem Tweedjackett. Mit dem Löffel rührt er in seinem Cappuccino, zum Trinken wird er nicht kommen. Viel zu wichtig ist ihm, über sein Start-up "Project Together" zu sprechen. Wippel ist 22, seit sechs Jahren hilft er anderen Start-ups dabei, ihre Visionen für eine bessere Welt umzusetzen.

Das funktioniert so: Gründer können sich bei Project Together bewerben. Wenn ihre Idee verspricht, Städte umweltfreundlicher, Bildung gerechter oder Krankenversicherungen effizienter zu machen, werden sie in eine Coachingstruktur aufgenommen. Er wolle nicht verantwortlich für das nächste Snapchat sein, sagt Wippel. Stattdessen unterstützt er lieber eine Idee wie "Siteinander". Dabei handelt es sich um eine App, die es Eltern ermöglicht, Babysitting-Dienste auszutauschen. Seit 2014 haben 570 derartiger sozialer Start-ups bei Project Together mitgemacht.

Wippel, seine zwei Kolleginnen und ein Kollege bringen die Projekte mit einem Mentor zusammen. Etwa 350 dieser Mentoren zählt das Netzwerk derzeit. "Oft sind das Leute, die in Wirtschaft und Politik erfolgreich waren, und jetzt etwas von ihrer Erfahrung weitergeben möchten", sagt Wippel. Finanzpläne, Zeitmanagement, Teamkonflikte, Werbung - all das können Themen des Coachings sein, das für die Start-ups kostenlos ist. Sie bekommen keine zusätzliche finanzielle Hilfe von Project Together, aber Wippel und seine drei Kollegen sind für einen Zeitraum von sechs Monaten als Ansprechpartner für übergeordnete Fragen da. Zudem bilden sie die Mentoren zuvor selbst aus. Wie man mit 22 Jahren Vorstände und Staatssekretäre kennenlernt, die ehrenamtlich etwas von ihrer Erfahrung weitergeben wollen? Wippel lächelt. "Indem man deren Sprache spricht", sagt er, sich nicht scheut, zu networken und von großen Visionen zu sprechen.

Erst vor wenigen Monaten hat Wippel sein Studium in Oxford abgeschlossen. Eintrag und Foto auf Facebook von ihm in Talar und Barett wurden abgelöst - der Status heißt jetzt "CEO von Project Together". Er und seine drei Kollegen können von Project Together leben. Finanziert werden sie beispielsweise von der Robert-Bosch-Stiftung, der BMW-Foundation und der Schöpflin-Stiftung. Vor wenigen Tagen wurde den jungen Gründern zudem der Europäische Unternehmensförderpreis in der Kategorie "Verantwortungsvolles und integrationsfreundliches Unternehmertum" verliehen.

"Es muss sich etwas ändern", sagt Wippel, "Gesellschaft und Wirtschaft müssen zusammen gedacht werden". Junge Gründer haben die Ideen, oft fehle ihnen jedoch die Einsicht, dass für Unternehmen Quartalsabrechnungen auch eine Rolle spielen. Dennoch könnten auch traditionelle Unternehmen vom "jungen Gründer-Spirit" profitieren, so Wippel. Mit dieser Erkenntnis ist er freilich nicht allein. Sogenannte Inkubatoren sind mittlerweile bei vielen Konzernen Bestandteil der Unternehmensstruktur. Wippel allerdings geht es nicht unbedingt darum, Gründern erste Investoren zu besorgen. Natürlich kann das ein Punkt des Coachings sein, aber wichtig ist Wippel, dass beide Seiten etwas voneinander lernen. In diesem Austausch sieht er sogar Potenzial für ein Geschäftsmodell, das Project Together von der Finanzierung durch Stiftungen auf eine eigenständige Unternehmensbasis bringen könnte.

"Wir sind die jungen Wilden", sagt Wippel, "doch ohne Brücken zu Wirtschaft und Politik bleiben bahnbrechende Ideen klein". Inkubator sei deshalb Teil der Beschreibung von Project Together, allerdings würde er lieber von einer "Bewegung" sprechen, einem "Inkubator mit eigener Agenda". Agenda zur Weltrettung.

© SZ vom 27.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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