Seefeld in Tirol:Wieder in der Spur

Seefeld, Österreich

Winter für alle: Loipen, eine Eisfläche, Winterwanderwege und die Pisten des Gschwandtkopfs finden sich rund ums Seekirchl in Seefeld.

(Foto: Stephan Elsler/ Tourismusverband Seefeld)

Nach langem Stillstand geht es in Seefeld voran. Auch dank der Nordischen Ski-WM, die nächstes Jahr dort stattfindet.

Von Johanna Pfund

Seefeld putzt sich heraus. Wenn die Nordischen Skiweltmeisterschaften im Februar 2019 beginnen, wird alles fertig sein: Das Skistadion, die Straßen, die Schanzen für die Skispringer stehen bereit. Die neue Skirollerstrecke, die im Sommer den Athleten zum Training dient, zählt zu den modernsten in den Alpen und ist vor wenigen Tagen dank kühler Temperaturen und einer leistungsfähigen Beschneiungsanlage in eine schöne Loipe verwandelt worden. Teams aus ganz Österreich und aus Deutschland nutzen diese weit und breit einzige Möglichkeit, endlich auf Schnee zu trainieren, während an den angrenzenden Gebäuden noch gehämmert und gebohrt wird. Der Bahnhof ist mit Zuschüssen neu gebaut worden, künftig kann man per Zug von Hamburg oder Düsseldorf direkt anreisen. "Das alles hätten wir allein nie finanzieren können. Aber ich habe jetzt trotzdem eine Baggerphobie", sagt Bürgermeister Werner Frießer. Die Sache mit den Baggern hat ihr Gutes: Seefeld hat mit der baulichen Frischzellenkur auch sein Image aufpoliert.

Bei Langläufern und Freunden des Wanderns, des Fischens und Eisstockschießens hatten Seefeld und die umliegenden Gemeinden Leutasch, Reith, Scharnitz und Mösern-Buchen - die sich gemeinsam als Olympiaregion Seefeld vermarkten - ohnehin schon einen guten Ruf. Ein ausgedehntes Wegenetz steht im Sommer wie im Winter zur Verfügung. Die Höhenlage auf 1200 Metern auf einem sonnigen Plateau über dem Inntal verspricht Schneesicherheit. Und falls bis November kein Schnee kommt, greifen die Seefelder auf ihr Schneedepot aus der vergangenen Saison zurück. Damit haben sie schon am 9. November eine Loipe am schattigen Rand von Leutasch aufgeschüttet, im Stadion ist auch seit ein paar Tagen gespurt. Das ist nur der Anfang des 260 Kilometer langen Loipennetzes. Dagegen nehmen sich die Skigebiete Rosshütte und Gschwandtkopf mit ihren 20 und fünf Pistenkilometern bescheiden aus. Erweiterungspläne des Skigebiets hinüber zur Zugspitze haben die Seefelder nicht realisiert, auch aus finanziellen Gründen.

Dass Seefeld keine Zukunft als alpiner Skiort haben sollte, hat Walter Frenes früh erkannt. Der 82-Jährige war von 1955 bis 1997 Tourismusdirektor. "Im Alpinen waren wir nicht so stark, und ich habe gedacht, das Langlaufen wäre etwas für uns." Den Startschuss dafür gaben die Olympischen Spiele 1964 in Innsbruck, die Nordischen Wettbewerbe fanden in Seefeld statt. Nur das Spuren der Loipen, bei Olympia vom Militär übernommen, hat nach den Spielen nicht mehr so gut geklappt, erinnert sich Frenes. "Wir haben mit einem Skidoo aus Kanada experimentiert." Erst als gute Spurgeräte auf den Markt kamen und die Langlaufanzüge schicker wurden, wurde der Sport populärer.

Der Ort selbst wurde wesentlich schneller populär als das Langlaufen. Seefeld konnte sich in den 60er- und 70er-Jahren kaum retten vor Gästen. Eine Million Übernachtungen zählte man in den 60er-Jahren. Es wurde gefeiert, kleine und große Stars kamen, schon am Nachmittag konnte man Getränke nur noch flaschenweise bestellen. Ein Casino wurde gegen den Widerstand des Innsbrucker Bischofs etabliert, ein 18-Loch-Golfplatz, der zweite Österreichs, wurde angelegt.

Seefeld hatte alles, was ein Monaco der Alpen brauchte. "Wir waren ein Hotspot der Unterhaltung, es gab 14 Livebands", erzählt Frenes und lächelt bei der Erinnerung an diese Zeiten. Keine Freunde machte er sich aber, als er vor den Olympischen Spielen 1976, bei denen wiederum die Nordischen Wettkämpfe in Seefeld ausgetragen wurden, die Fußgängerzone durchsetzte. Grundstücke mussten enteignet werden. Der Ärger war aber bald vergessen, mit den Weltmeisterschaften 1985 folgte das nächste Großereignis. Sieben Fünf-Sterne-Hotels gab es. Es schien, als könne Seefeld nichts aus der Erfolgsspur werfen.

Ein Trugschluss. "Die Zeit ist in den 90er-Jahren an uns vorbeigaloppiert", sagt Alois Seyrling, Obmann des Tourismusverbands und Besitzer des Hotels Klosterbräu. Der 38-Jährige hat das nur als Kind erlebt. Mit 22 Jahren übernahm er das Hotel, als Seefeld nur noch ein Schatten des mondänen Orts war. Die Zahl der Übernachtungen war gesunken, viele Häuser waren zu altmodischen Schuppen verkommen, die Architektur der 70er-Jahre ist bis heute sichtbar.

Auch dauerte es Jahre, bis die Loipen an die neue Skatingtechnik angepasst wurden - Seefeld hatte eine weitere Neuerung verschlafen. Das 1999 eröffnete Play Castle, das nach wie vor ungenutzt am nördlichen Ortseingang steht, erwies sich als gigantische Fehlinvestition. Die Geldgeber, viele aus der Region, versenkten 200 Millionen Schilling, etwa 14,5 Millionen Euro, in der schlossartigen Eventlocation, die nur ein Jahr lang geöffnet war. Dieses Geld fehlte für Investitionen.

Es wäre wieder ein Wunder nötig gewesen, wie einst das mittelalterliche Hostienwunder von Seefeld, das um 1500 bereits so viele Pilger anlockte, dass man im Ort ein Kloster für deren Beherbergung baute. "Aber es tut sich was, wenn der Leidensdruck groß genug ist", sagt Seyrling, dessen Klosterbräu sich in den historischen Klostergebäuden befindet. "Vor zehn Jahren hat mir vieles nicht gefallen, es gab nur noch zwei Fünf-Sterne-Hotels, viele Souvenirläden und Ramsch."

Wie Seefeld wieder zu neuem Glanz gelangte

Irgendwie hat die nächste Generation sich einen Ruck gegeben, die Häuser vom Muff der 80er-Jahre befreit, investiert und stilvoll renoviert - wie Seyrling auch. Seine hauseigene Disco-Bar, die Kanne, in der sich mehr oder weniger Prominente trafen, gibt es immer noch. "Aber das ist jetzt eher ein Kännchen", sagt Seyrling. Stattdessen hat er den Wellnessbereich ausgebaut. Die Fußgängerzone, gegen die sein Großvater gekämpft hat, sieht der Enkel als Juwel.

Wie das Hotel Klosterbräu befinden sich viele Häuser in Familienbesitz. Auch wenn manche Familien nicht aus der Region stammen wie die Familie Liebherr mit dem Hotel Interalpen, ist die Verbundenheit zur Region groß. "Die Zusammenarbeit mit Familienhotels ist einfacher, weil diese über Generationen denken", betont Elias Walser, Geschäftsführer des Tourismusverbands Seefeld. Das Resultat: Es werden wenig Hotels verkauft. Und die Übernachtungszahlen sind wieder dort, wo sie einst waren, bei über einer Million.

Auch Bürgermeister Frießer sieht die Entwicklung positiv: "Wir haben ja nichts anderes als den Tourismus." Nur noch wenige "Problemkinder" gebe es. Eine weitere Bebauung aber wäre das falsche Signal, findet er. Projekte wie das geplante Hotel des Karstadt-Besitzers René Benko direkt am See seien in Ordnung, das seien ja nur Ersatzbauten für alte oder bereits abgerissene Häuser. "Aber das, was Grünfläche ist, soll auch Grünfläche bleiben."

Zum Beispiel der Pfarrbichl, der sich wie eine grüne Insel zwischen Ortskern und Sportzentrum schiebt. Mit zweitem Wohnsitz sind 1700 Personen angemeldet - das sind aber laut Frießer viele, die woanders ihren ersten Wohnsitz haben und in Seefeld arbeiten. Für die Familien ist gesorgt, sagt der Rathauschef: "Es gibt mehr Kinderbetreuungsstunden als in Innsbruck." Die Schule ist renoviert, es gibt Vereine, die Feuerwehr - die 3400 Einwohner haben ihr Leben, nicht nur die Sorge um die Belegung der knapp 8000 Gästebetten.

Also alles gut? Nein, sagt Elisabeth Gürtler. "Seefeld fehlt noch ein klares Profil, aber wir alle arbeiten daran", erklärt die Chefin des Fünf-Sterne-Superior-Hotels Astoria. Bei Ischgl denke man an Party, bei Kitzbühel an die Hautevolee, und bei Seefeld? An nichts Spezielles, findet sie.

Die Familie der 68-Jährigen besitzt die Hotels Sacher in Wien und Salzburg, jahrelang organisierte sie den Wiener Opernball, bis Ende des Jahres leitet sie noch die Spanische Hofreitschule, mit Seefeld ist sie verbunden, seit ihr Vater in ihrem Geburtsjahr die Pension Britannia, das heutige Astoria, kaufte. Ihre Gäste, sagt sie, schätzen das erholsame Abschalten, das, was man Sommerfrische nannte und nun auf den Winter ausdehnt. Sie lädt regelmäßig Künstler nach Seefeld ein, um den Wert des Ortes zu unterstreichen. Etwa den Bariton Clemens Unterreiner. "Menschen wie ihm nimmt man ab, dass sie Gutes schätzen." Die Weltmeisterschaft sei wichtig, um Aufmerksamkeit zu gewinnen, doch es wäre fatal, findet sie, Seefeld auf Langlauf zu reduzieren.

Seefeld in Tirol: "Seefeld fehlt noch ein klares Profil", findet Elisabeth Gürtler, die das Fünf-Sterne-Hotel Astoria im Ort leitet.

"Seefeld fehlt noch ein klares Profil", findet Elisabeth Gürtler, die das Fünf-Sterne-Hotel Astoria im Ort leitet.

(Foto: Daniel Zangerl/Astoria)

Aber Ruhe, Bummeln und Sport schließen sich ja nicht aus. Das haben Maria und Wolfgang Pfeiffer früh gemerkt. Die Pfeiffers haben wie Gürtler Familienbesitz übernommen, oben in Leutasch, und ihm ihre eigene Ausrichtung gegeben: "Besondere Naturerlebnisse, ergänzt mit Yoga, Meditation und vegetarischem Essen gehören zum Konzept des Hauses", sagt Maria Pfeiffer. "Aufatmen" lautet der Name des 30-Betten-Hauses, es ist komplett mit Naturmaterialien ausgestattet, Fernseher gibt es nicht. Die Weltmeisterschaft, findet das Ehepaar, tut Seefeld gut: Die Infrastruktur oder die neu gestaltete Wasserfläche ums Seekirchl am Sportzentrum sei ein Gewinn. "Das ist lässig", sagt Maria Pfeiffer. Ihre Gäste schätzten den Bummel in der Fußgängerzone von Seefeld, um dann wieder in die Natur und Ruhe nach Leutasch zurückzukommen.

Im Februar kriegen die Besucher dann auch noch erstklassige Sportereignisse geboten, die Teams bringen Image und Leben. Danach hat die Region vermutlich wieder mehr von dem, was viele Gäste suchen und was sich der Bürgermeister mit der Baggerphobie wünscht: Ruhe.

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