FC Bayern in der Champions League:Pflaster auf die Wunden

Aus dem Stadion von Claudio Catuogno

Bayern gegen Benfica in der Champions League, bis vor gar nicht so langer Zeit wäre das in der Münchner Arena einer jene Abende gewesen, an denen es eigentlich nur eine Frage zu klären galt: die nach der Höhe des Sieges. Geht es 3:0 aus? 4:1? Oder doch eher 6:1?

Aber nun sind ja gerade Trübsalwochen beim FC Bayern, vier Heimspiele ohne Sieg in der Bundesliga, die Elf eine Ansammlung antiker Statuen, der Trainer eine arme Wurst, und das Management liest lieber das Grundgesetz als die einschlägigen Leistungsbilanzen von möglichen neuen Transferknüllern. Und, fast noch schlimmer: Paul Breitner ist auf der Ehrentribüne ab sofort unerwünscht! Das hat ihm Uli Hoeneß, große Schlagzeile vom Dienstag, aus Verärgerung darüber ausrichten lassen, dass Breitner Hoeneß immer kritisiert! Meine Güte, ist es wirklich so übel?

Nun, manchmal überrascht einen der FC Bayern dann halt doch: indem er in so einem Spiel wie am Dienstagabend einfach das macht, was ja von ihm erwartet wird, was aber in den letzten Wochen fast undenkbar geworden war. Er gewinnt, und am Ende ist die einzige Frage, wie hoch. 3:0 stand es bereits zur Pause in diesem vorletzten Spiel der Champions-League-Gruppenphase, und am Ende stand es nicht etwa 3:3, wie noch vorigen Samstag beim "Slapstik"-Auftritt (Uli Hoeneß) gegen Fortuna Düsseldorf. Sondern 5:1. Die Bayern stehen damit vorzeitig im Achtelfinale, am 12. Dezember geht es bei Ajax Amsterdam dann noch um den Gruppensieg.

Die alten Helden sind noch aus Fleisch und Blut

Sollten die Bayern-Bosse, wofür zuletzt einiges sprach, bereits den Vorsatz gefasst haben, den Trainer Niko Kovac nach diesem Spiel bei voller Lohnfortzahlung in die Arbeitslosigkeit zu schicken, dann wäre man jetzt auf die offizielle Begründung gespannt.

"Selbstverständlich" werde Kovac beim Spiel in Bremen am Samstag auf der Bank sitzen, sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic nach dem 5:1. Ob man mit Arsène Wenger oder anderen Trainerkandidaten bereits Kontakt gehabt habe? "Nein", sagte Salihamidzic. Ob die Mannschaft an diesem Abend vielleicht für den Trainer gespielt habe? Das wollte Salihamidzic so konkret dann aber auch nicht bejahen. Dafür nahm Arjen Robben, noch ganz im Siegesrausch, den Trainer in Schutz: Er habe sich "wirklich gefreut", sagte Robben, "auch für ihn. Er gehört zu uns". Immerhin machte die Münchner Elf in dieser Partie ganz und gar nicht den Eindruck, ein Fall für den kollektiven Frühruhestand zu sein. Und auch der Trainer Kovac, der doch laut verschiedenen Quellen das sogenannte "Vertrauen der Kabine" verloren hat, hatte durchaus seinen Anteil am Erfolg. Er hatte mit wenigen taktischen Maßnahmen eine Formation aufs Feld geschickt, in der - immerhin - alle ihre Stärken ausspielen und fast alle ihre Schwächen kaschieren konnten.

Und wie zum Beweis, dass die alten Helden noch aus Fleisch und Blut und Muskelsträngen sind und nicht etwa schon in Marmor gegossen, erzielte Robben, 34, zwei Tore, die wie eine Reminiszenz an eine andere Zeit wirkten. Das 1:0 in der 13. Minute war sein erster Champions-League-Treffer seit anderthalb Jahren. Und mit dem 2:0 (30.) machte er seinen ersten Doppelpack seit 2014 perfekt. Dann traf Robert Lewandowski zweimal - und schließlich erzielte Franck Ribéry, 35, den Endstand. Gut möglich, dass dem von Kritikern erfreulich unbelästigten Uli Hoeneß auf der Ehrentribüne der Gedanke gekommen ist, dass der verdammte Umbruch doch noch ein, zwei Jährchen warten kann.

Allerdings muss man auch dies dazu sagen: Der Gegner leistete allenfalls passiven Widerstand. Was erstaunlich war, denn nachdem im 19-Uhr-Spiel der Gruppe E bereits Ajax Amsterdam gegen AEK Athen den Einzug ins Achtelfinale perfekt gemacht hatte, brauchte Benfica in München einen klaren Sieg, um die Chance zu wahren, die Bayern noch zu überholen. Dazu fehlten den Portugiesen aber die Mittel - nur, als 40 Sekunden nach der Pause der eingewechselte Gedson Fernandes das 1:3 erzielte, blitzte kurz so was wie Slapstick-Gefahr auf aus Sicht der Münchner. Dann übernahmen sie wieder die Kontrolle.

Arjen Robbens Trick funktioniert noch

Was die Partie aber ebenfalls zeigte, schon bevor sie angepfiffen war: Wie schmal der Grat ist, auf dem die Bayern wandeln mit ihrer Entscheidung, zur Vermeidung von Ersatzspielerfrust mit dem kleinsten Kader aller Bundesligaklubs in die Saison zu ziehen, und damit auch gleich noch die Champions League gewinnen zu wollen. Um das zu erkennen, reichte ein Blick auf die Bank. Neben Torwart Sven Ulreich, dem von Kovac nur spärlich berücksichtigten Sandro Wagner, dem Portugiesen Renato Sanches, der seinem Gala-Auftritt beim 2:0 im Hinspiel keine weiteren Galas mehr hatte folgen lassen, sowie Javi Martínez saßen dort: Wooyeong Jeong, Jonathan Meier und Meritan Shabani. Verletzt oder erkrankt fehlten Tolisso, James, Coman, Thiago, Gnabry - und kurzfristig musste sich auch Hummels (Magen-Darm) vom Dienst befreien lassen.

Die Mannschaft stellte sich quasi von selbst auf, aber statt wie elf Mann von der Resterampe präsentierte sich dann eine schlüssig formierte Elf: Rafinha als Rechtsverteidiger, Joshua Kimmich und Leon Goretzka als robustes Duo in der Zentrale, Thomas Müller auf der Zehnerposition, wo er immer wieder mit Tempo in die Aktionen kam. Die frühe Führung tat ihr übriges. Wie genau Robben auf der rechten Seite an fünf Portugiesen vorbei gekommen ist, muss er sich zwar selbst noch mal in der Zeitlupe angucken, aber wo er schon mal vorbei war, entsann er sich des guten alten Robben-Tricks: mit links ins lange Eck. Das 2:0 fiel nach ganz ähnlichem Muster, bloß landete der Ball diesmal in dem aus Sicht des Schützen rechten Torwinkel.

Weil Robben in dieser Szene theoretisch auch zu Lewandowski hätte ablegen können, schien der Pole kurzzeitig zu schmollen und musste von Müller befriedet werden. Doch auch das Thema hatte sich erledigt, nachdem Lewandowski zwei Eckbälle jeweils per Kopf ins gegnerische Tor gewuchtet hatte (37., 51.). Und weil ja auch Franck Ribéry noch traf (76.), durfte der Trainer Kovac den Franzosen kurz darauf sogar auswechseln, ohne dass es einen einzigen bösen Blick gegeben hätte.

5:1 also, ein Spiel, das nun wie ein großes Pflaster auf all den offenen Bayern-Wunden pappt. Wie lange der Kleber hält, muss sich aber erst noch zeigen.

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