Renault-Chef Ghosn:Kein Geständnis, sondern eine Kampfansage

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Hat Carlos Ghosn in Japan gegen das Gesetz verstoßen – oder ist er Opfer einer Intrige geworden? (Foto: Itsuo Inouye/AP)
  • Der in Japan verhaftetete Automanager Carlos Ghosn soll zugegeben haben, dass sein damaliger Arbeitgeber Nissan der Finanzaufsicht nur die Hälfte seiner Bezüge gemeldet habe.
  • Was klingt wie ein Geständnis, kann als Kampfansage gewertet werden. Die japanische Staatsanwaltschaft könnte sich noch blamieren.
  • Inzwischen gibt es auch Spekulationen, wonach Nissan die vielen Details über Ghosn verbreitet. Möglicherweise, weil dieser einen Plan schmiedete, der den Japanern nicht gefiel.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Carlos Ghosn, der in Tokio in Untersuchungshaft sitzt, hat angeblich zugegeben, dass Nissan der Finanzaufsicht nur die Hälfte seiner Bezüge gemeldet habe. Das berichtete die japanische Presse am Mittwoch. Der Chef der Renault-Nissan-Allianz habe den Staatsanwälten jedoch erklärt, da die zweite Tranche, etwa acht Millionen Euro pro Jahr, erst fällig werde, wenn er zurücktrete, habe Nissan sie noch gar nicht melden müssen.

Seine Aussage war somit kein Geständnis, sondern eine Kampfansage. Falls die Vereinbarung für aufgeschobene Zahlungen juristisch geschickt formuliert ist, falls sie zum Beispiel eine Klausel enthält, wonach sie nur unter bestimmten Bedingungen ausgezahlt werden muss, dann könnten die Staatsanwaltschaft in Tokio sich blamieren. Denn dann würden ihre Vorwürfe in sich zusammenfallen - und Ghosn könnte freikommen.

Japans Staatsanwälte spielen den Medien gerne Puzzlestücke zu, aus denen diese einen Tathergang rekonstruieren. Diesmal sei das anders, glaubt Ex-Staatsanwalt Nobuo Gohara. Die ständig neuen Details gelangten vermutlich nicht durch die Ermittler, sondern durch Nissan an die Öffentlichkeit. Das Unternehmen könnte demnach versuchen, Ghosn als durchtrieben und geldgierig zu schmähen.

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Die japanischen Medien nehmen das dankbar auf, sie schüren die Empörung über die Wohnungen, die Ghosn sich von Nissan bezahlen ließ. Und über das Beraterhonorar, das er seiner Schwester zugeschanzt habe. Dass der 64-Jährige sich damit womöglich gar nicht strafbar gemacht hat, interessiert derzeit kaum. Hiroto Saikawa, Ghosns Ziehsohn und seit April 2017 formell Nissan-Chef unter ihm, schüre die Antipathien gegen seinen einstigen Mentor, so Aktien-Analyst Tatsuo Yoshida gegenüber der Tageszeitung Yomiuri. "Das ist ein Putsch, die Ghosn-Ära ist vorbei."

Viele Japaner reagieren mit Groll, wenn man sie auf Ghosn anspricht

Ghosn plante eine Restrukturierung der Allianz zwischen Renault und Nissan. Nach Angaben der Financial Times wollte er die beiden fusionieren. Falls er sich damit nicht hätte durchsetzen können, habe er sie unter das Dach einer neu zu schaffenden Holding bringen wollen, die er geführt hätte. Dagegen habe Nissan sich gesperrt, das größere und erfolgreichere der beiden Unternehmen. Ohnehin wähnen sich die Japaner im Nachteil: Renault kontrolliert 43 Prozent der Nissan-Aktien, Nissan dagegen nur 15 Prozent von Renault.

An diesem Donnerstag treffen sich die Lenker der Allianz in Amsterdam, um die künftigen Strukturen zu besprechen. Das Treffen soll schon vor Ghosns Verhaftung geplant worden sein. Beobachter in Japan fragen, ob Ghosn kaltgestellt werden sollte, indem Nissan die Staatsanwaltschaft einschaltete. Dann wäre es kein Zufall, dass Nissan mit seiner internen Untersuchung von Ghosns Finanzgebaren begann, nachdem dieser vor sechs Monaten ankündigt hatte, er wolle die Allianz umbauen. Saikawa sagte den Nissan-Mitarbeitern am Montag, jetzt müsse man die Allianz überdenken.

Viele Japaner reagieren mit Groll, wenn man sie auf Ghosn anspricht. Der schlaue Ausländer habe gutgläubige Japaner ausgenommen, heißt es. Von seinen Verdiensten um Nissan wollen sie nichts hören. Während der juristische Fall wackelt, hat die öffentliche Meinung Ghosn bereits verurteilt. Derweil suchen die Staatsanwälte nach einem andern Finanzverbrechen, dessen sie ihn anklagen können. Während der Finanzkrise 2008 wälzte Ghosn 15 Millionen US-Dollar private Spekulationsverluste auf Nissan ab. Allerdings stimmte der Nissan-Vorstand dem damals zu, und auch die Börsenaufsicht erklärte, sie habe Bescheid gewusst.

© SZ vom 29.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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