Sportpolitik:Vorbei am Anti-Doping-Kampf

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Klärungsbedarf: IOC-Präsident Thomas Bach holt persönlich jetzt ein Vorgang aus seiner Zeit als Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) wieder ein. (Foto: Eugene Hoshiko/Ap)

Vom Gewinn der Fußball-WM 2006 erhielt der DOSB drei Millionen Euro - die anders verwendet wurden als zugesagt.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Thomas Bach hat als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gerade viele Probleme zu bewältigen. Aber nun holt ihn persönlich ein Vorgang aus seiner Zeit als Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

wieder ein. Es geht um den Umgang des Dachverbandes mit Geldern aus dem Überschuss der Fußball-WM 2006. Denn der erfolgte nach SZ-Recherchen nicht so, wie es im WM-Organisationskomitee (OK) vereinbart und von Bach zugesagt worden war. Der Millionen-Anteil für den DOSB floss damals in die Gründung einer eigenen Stiftung. Dabei war, wie sich nun zeigt, eigentlich abgemacht, dass er dem Anti-Doping-Kampf zugute kommen sollte.

Kurz nach dem Turnier, am 30. August 2006, kam damals der Präsidialausschuss des OK-Aufsichtsrates zusammen. Bach zählte als DOSB-Boss zu den Mitgliedern, zudem Vertreter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und der Deutschen Fußball Liga (DFL) sowie Wolfgang Schäuble, damals Bundesinnenminister. Unter Punkt vier ging es gemäß dem Sitzungsprotokoll, das der SZ vorliegt, um den Umgang mit dem wirtschaftlichen Überschuss der WM.

Fünf Millionen Euro, so schlug es der damalige DFB-Präsident Theo Zwanziger vor, sollten aus dem Anteil, der DFB und DFL zustand, an andere deutsche Verbände fließen. Eine Million an den Behindertensportverband, eine Million an die Sporthilfe-Stiftung - und drei Millionen an den DOSB. Innenminister Schäuble antwortete, er begrüße die vorgeschlagenen Solidaritätsmaßnahmen; und er "thematisiert in diesem Zusammenhang die aktuellen wirtschaftlichen Probleme der Nada". Also der Nationalen Anti-Doping-Agentur.

Danach war Bach an der Reihe. Sein Beitrag laut Protokoll: "Herr Dr. Bach erachtet die vorgesehene Zuwendung für den DOSB als eine sehr noble Geste von DFB und DFL und erwartet eine sehr wohlwollende Aufnahme innerhalb des Sports. Herr Dr. Bach weist in diesem Zusammenhang auf die Priorität des DOSB im Kampf gegen Doping im Sport hin und erläutert, dass die gewährten Mittel jeweils in dahingehende sinnvolle gesonderte Projekte investiert werden sollen." Nach diesen Worten fasste das Gremium einen "Beschluss": Der OK-Präsidialausschuss nehme die "vorgetragenen Informationen (...) zur vorgesehenen Mittelverwendung zur Kenntnis".

Doch danach kam es anders, als es vorgetragen worden war. Der DOSB erhielt die drei Millionen und nahm sie als Grundstock, um 2007 die "Stiftung Deutscher Sport" zu gründen. Deren Existenz war weiten Teilen der deutschen Sportlandschaft lange unbekannt, und manche finanzielle Transaktion wirft bis heute Fragen auf. Ein paar Überweisungen gab es für einen guten Zweck, aber das meiste Geld floss gemäß DOSB-Darstellung für Posten, die unter den Geschäftsbetrieb des Sports fallen - bis hin zum Erwerb von Anteilen an der Marketing-Agentur DSM. Auch als Parkstation für Gelder, die für den Neubau der DOSB-Zentrale gedacht waren, wurde die Stiftung benutzt. Kritiker empfinden sie als eine Art zweite Kasse abseits der offiziellen Buchführung, wobei der DOSB stets beteuerte, dass alles korrekt ablaufe.

Für die Nada aber flossen aus der Stiftung lediglich im ersten Jahr 260 000 Euro; und für sonstige Projekte, die im weitesten Sinne als "Kampf gegen Doping im Sport" verstanden werden können, im Laufe der Jahre noch circa 50 000 Euro. Insgesamt also nur ein Zehntel der Summe, die als WM-Überschuss beim DOSB ankam.

Bach war bis Herbst 2013 DOSB-Boss, ehe er Präsident im IOC wurde. Auf eine Anfrage an Bach, warum der DOSB das Geld damals anders eingesetzt habe als gegenüber dem OK-Präsidialausschuss zugesagt, teilt ein Sprecher mit: "Die Finanzen der Stiftung Deutscher Sport sind öffentlich auf der DOSB-Webseite dargestellt, dort finden Sie alle Details." Als es vor vier Jahren erstmals breitere Berichterstattung über die umstrittene Stiftung gab, sagte der langjährige DOSB-Vize und Bach-Vertraute Hans-Peter Krämer, der DFB habe die drei Millionen Euro (sowie später eine weitere halbe Million Euro aus dem Überschuss der Frauen-WM 2011) mit der Bitte überlassen, das Geld dem Sport über eine Stiftung zugute kommen zu lassen. "Daran haben wir uns gehalten." Der DFB widersprach der Darstellung. Ihm sei zwar daran gelegen gewesen, dass die Gelder gemeinnützigen Zwecken zugeführt würden; aber wie und wofür sie eingesetzt wurden, habe er den Empfängern überlassen.

Der Vorgang ist auch deswegen so heikel und bis heute folgenreich, weil die Finanzierung der Nada über viele Jahre ein schwieriges Thema blieb. Der Kern der Debatte war stets gleich: Die Nada-Verantwortlichen und auch viele Bundespolitiker hätten gerne, dass der Sport mehr bezahlt - doch der macht da nicht so mit wie gewünscht. Aktuell gibt es mal wieder ein Finanzierungsloch von 247 000 Euro, das die Spitzenverbände aufbringen sollten, aber aufgrund ihrer Finanzlage nicht aufbringen wollen. Der Dachverband springt auch nicht ein. Dabei stellt sich nun heraus, dass der DOSB mal eine ordentliche Millionen-Summe mit der Zusage erhielt, das Geld für den Anti-Doping-Kampf einzusetzen.

© SZ vom 29.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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