Kampf gegen Ebola:Das Virus und der Krieg

Kampf gegen Ebola: Ein Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde wartet in der Stadt Bunia auf einen Ebola-Infizierten.

Ein Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde wartet in der Stadt Bunia auf einen Ebola-Infizierten.

(Foto: John Wessels/AFP)
  • Mit 440 Infizierten und mehr als 250 Toten gilt der Ebola-Ausbruch, der seit Anfang August im Ostkongo wütet, als der zweitschwerste der Welt.
  • Der Krieg in der Region erschwert es zusätzlich, die Seuche unter Kontrolle zu bringen.
  • Über hundert Milizen kämpfen seit Jahrzehnten um die Kontrolle über die gewaltigen Rohstoffvorkommen der Region wie: Holz, Coltan, Gold, Kobalt und Kupfer.

Von Nathalie Bertrams und Ingrid Gercama, Goma

Wir stoßen an unsere Grenzen," sagt Richard Kitenge vom kongolesischen Gesundheitsministerium. "Schließlich sind wir Zivilisten und nicht das Militär." Er ist dieses Jahr schon das zweite Mal rund um die Uhr gegen das tödliche Zaire-Ebola-Virus im Einsatz. Der Mediziner hat sein Büro in der Provinzhauptstadt Goma, wo jede halbe Stunde ein weißes Frachtflugzeug der Vereinten Nationen abhebt, um Menschen und Material nach Beni, ins Epizentrum der Epidemie zu transportieren.

Mit 440 Infizierten und 255 Toten gilt der Ebola-Ausbruch, der seit Anfang August im Ostkongo wütet, als der schwerste in der Geschichte des Landes und der zweitschwerste der Welt. Das kongolesische Gesundheitsministerium und internationale Organisationen haben Schwierigkeiten, die Epidemie zu kontrollieren. Es sei problematisch für die Helfer, die Menschen überhaupt zu erreichen, sagt Kitenge: "Die Leute mögen zwar nach und nach auf unsere Ratschläge hören und sich die Hände waschen, aber für Krieg sind wir nicht ausgerüstet." Die Nothilfe operiert vor allem im dicht besiedelten Gebiet um die Großstädte Beni und Butembo, das vom aktiven Konflikt geprägt ist. Obwohl die UN-Mission Monusco seit 1999 mit einer Truppenstärke von rund 16 000 Mann einen der weltweit größten Einsätze im Ostkongo hat, ist kein Ende des Krieges in Sicht.

Mittlerweile gibt es eine Impfung. Doch die ist nicht für alle verfügbar

"Die Leute wissen gar nicht, vor wem sie mehr Angst haben sollen: vor Ebola oder vor den ADF-Rebellen", sagt Kitenge. Dunkle Schatten unter seinen Augen lassen seine Erschöpfung erahnen. Dennoch gibt sich der Mediziner vorsichtig optimistisch: "Seit Kurzem haben wir eine neue Waffe im Kampf gegen Ebola - die Impfung."

Dennoch erschwert die angespannte Sicherheitslage immer wieder die Arbeit der Mediziner und Helfer. Erst vor Kurzem gerieten Helfer zwischen UN, Rebellen und kongolesische Truppen. "Jeden Tag flieht ein Patient in eine der 'roten Zonen', zu denen wir keinen Zugang haben," sagt Kitenge. "Was die Krankheit dann dort anrichtet, das wissen wir nicht."

Peter Salama, Direktor des Notfall-Programms der Weltgesundheitsorganisation WHO, hält das neue Ebola-Vakzin für den Schlüssel zur Verhinderung einer größeren Katastrophe: "Der Impfstoff ist bahnbrechend. Das Vakzin ist der Grund dafür, dass wir nicht schon Tausende Fälle haben." Inzwischen wurden schon mehr als 37 000 Menschen mit dem experimentellen Impfstoff immunisiert, darunter etwa 10 000 Pflegekräfte und 8000 Kinder.

Lange war Ebola von der Pharmaindustrie vernachlässigt worden: Seit das Virus 1976 entdeckt wurde, traten Ausbrüche sporadisch und meist lokal begrenzt in afrikanischen Entwicklungsländern auf. Erst als der Erreger in Westafrika zwischen 2013 und 2016 mehr als 28 000 Menschen infizierte und über 11 000 Patienten tötete, realisierte die Welt, dass er das Potenzial hat, sich weiter auszubreiten als zuvor angenommen. Die Entwicklung von Impfstoffen und Therapeutika ist seither massiv vorangetrieben worden. Ein experimentelles Serum mit dem Namen rVSV-ZEBOV wurde als einer der erfolgversprechendsten Impfstoffkandidaten ausgewählt und in der Schlussphase der Epidemie in Guinea erfolgreich an 11 000 Menschen getestet.

Mittlerweile wird der Impfstoff vom US-Pharmakonzern Merck produziert und von der Impfallianz Gavi bezahlt. Deutschland unterstützt die privat-öffentliche Partnerschaft bis zum Jahr 2020 mit 600 Millionen Euro und ist damit viertgrößter Geldgeber der Allianz, die sich für einen besseren Zugang zu Impfungen in Entwicklungsländern einsetzt. Gavi und Merck haben zugesichert, dass sie im jetzigen Ausbruch im Ostkongo bis zu 300 000 Dosen des Impfstoffs bereitstellen können.

Die Akzeptanz der Impfung ist hoch

Die WHO und die Ethikkommission der kongolesischen Regierung genehmigten das noch nicht zugelassene Vakzin für den "compassionate use", also die vor der Zulassung geduldete Anwendung aus humanitären Erwägungen. Durch eine Ringimpfung aller Menschen, die mit infizierten Patienten in Kontakt geraten sind, hoffen die Helfer, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Der Impfstoff wurde schon bei einem früheren Ausbruch im Frühjahr in der Provinz Équateur erfolgreich eingesetzt.

Die Akzeptanz der Impfung ist hoch. "Das einzige Problem ist, dass das Serum nicht für jeden verfügbar ist," sagt Steward Mohindo, der gemeinsam mit anderen Studenten aus Beni die Nothilfe unterstützt, "sondern nur für die Kontakte der Kontakte von Infizierten." Er geht in die einzelnen Haushalte, um die Bevölkerung über das Vakzin aufzuklären. Der junge Mann ist selbst auch nicht geimpft worden, hat aber keine Befürchtung, sich mit dem Virus zu infizieren: "Wir folgen strikt dem Protokoll, so haben wir beispielsweise das Händeschütteln zur Begrüßung ausgesetzt."

Das Ebola-Epizentrum liegt neben dem Virunga-Nationalpark, der Heimat bedrohter Gorillas

Carl Theunis, Kommunikationsbeauftragter von Ärzte ohne Grenzen (MSF), betont, dass der Erfolg des neuen Ebola-Impfstoffs entscheidend davon abhängt, ob diejenigen gefunden werden, die geimpft werden müssen. "Wir versuchen, eine vollständige Liste zu entwickeln, aber es ist eine enorme Herausforderung, da wir die betroffenen Gemeinden oft nicht einmal erreichen können."

Das dicht besiedelte Gebiet des Ebola-Epizentrums liegt nur einen Steinwurf vom Virunga-Nationalpark entfernt, der Heimat bedrohter Gorillas. Zwischen den grünen Bergketten der Virunga-Vulkane im Grenzgebiet zwischen Ruanda, Uganda und der Demokratischen Republik Kongo führen über hundert Milizen, allen voran die berüchtigten Allied Democratic Forces (ADF) und verschiedene Mayi-Mayi genannte örtliche Rebellengruppen, seit Jahrzehnten einen brutalen Krieg. Sie kämpfen um die Kontrolle über die gewaltigen Rohstoffvorkommen der Region wie: Holz, Coltan, Gold, Kobalt und Kupfer.

Mehr als eine Million Menschen sind auf der Flucht vor der Gewalt. Das stellt die Nothilfe vor ein großes Problem: "Die Gefahr ist hoch, dass sich unter den Flüchtlingen infizierte Menschen befinden," sagt Yves Willemot, Repräsentant der Kinderhilfsorganisation Unicef in Goma. Unicef schätzt das Risiko, dass sich die Krankheit in die Nachbarländer ausbreitet, inzwischen als "sehr hoch" ein. Das Personal an den Grenzen ist mit Thermometern ausgerüstet und dazu ausgebildet worden, erste Anzeichen von Ebola zu erkennen.

Die am stärksten von Ebola betroffenen Regionen rund um Beni mit 200 000 und Butembo mit vier Millionen Einwohnern sind außerdem boomende Handelszentren. Sie liegen an den wichtigsten Verkehrsrouten der Region und sind zudem Knotenpunkte illegaler Handelsrouten für Holz und Diamanten, die durch Uganda und Kenia bis nach Hongkong, Indonesien und Europa reichen. Bisher wurden mehr als 14 Millionen Reisende untersucht.

FILE PHOTO: An ampule of one of the new therapeutics in Beni, Congo

In der Krisenregion kommen auch neue Ebola-Medikamente zum Einsatz.

(Foto: Reuters)

Jean Bierra, ein 80-Jähriger mit einem leuchtend roten Cowboyhut, der mit großer Verspätung mit dem Minibus aus Butembo in Goma ankommt, ist einer von ihnen. "Wir wurden sicher zehn Mal auf dem Weg angehalten," sagt er. "Sie haben unsere Temperatur gemessen, wir mussten uns die Hände waschen. So eine Zeitverschwendung. Ebola ist doch bloß eine Erfindung." Wie Bierra glauben viele Menschen, dass Ebola nicht existiert und nur eine raffinierte Intrige der Regierung ist. Niemand kann sich vorstellen, dass der ganze Aufwand der internationalen Hilfe nur wegen einer mysteriösen Infektionskrankheit betrieben wird.

Das Vertrauen in die Regierung ist wegen jahrelanger Menschenrechtsverletzungen und Misswirtschaft extrem gering. Viel Kommunikationsarbeit sei gefragt, sagt Eva Erlach, Beauftragte für Community Engagement des Internationalen Roten Kreuzes. Die Organisation sammelt in einem Feedback-Verfahren laufend Gerüchte über Ebola und passt ihre Interventionen entsprechend an. "Die Bevölkerung ist durch den Konflikt traumatisiert und der Regierung gegenüber äußerst skeptisch. Sie fragen sich, warum Ebola mit allen Mitteln bekämpft wird - aber nicht die Milizen", sagt Erlach.

Erst vor Kurzem wurde ein Krankenwagen des Roten Kreuzes angegriffen, weil eine aufgebrachte Menschenmenge nachsehen wollte, ob im Sarg tatsächlich eine Leiche oder doch nur ein paar Steine lagen. "Eines der hartnäckigsten Gerüchte ist, dass Menschen infiziert und getötet würden, um ihnen dann die Organe zu stehlen und zu verkaufen," erklärt Erlach die Tatsache, dass die Menschen so große Angst vor den professionellen Bestattungen der Helfer haben.

Das neue Sicherheitsprotokoll ist nur schwer zu vermitteln

Aufgrund des hohen Infektionsrisikos bei traditionellen Beerdigungsriten werden Begräbnisse von Ebola-Opfern von geschulten Spezialteams durchgeführt. Bei diesen "sicheren und respektvollen Bestattungen" wird auf gefährliche Rituale wie das Waschen, Berühren oder Küssen der Toten verzichtet. Die aber sind ein kulturell wichtiger Bestandteil, darum ist das neue Sicherheitsprotokoll den Menschen nur schwer zu vermitteln. Aufgrund des Widerstandes hat das Rote Kreuz sein Vorgehen angepasst: Familienmitglieder werden inzwischen in den Prozess mit eingebunden. "Dann können die Angehörigen sich selber davon überzeugen, dass wir keine leeren Särge transportieren oder die Leichen verstümmelt sind", so Erlach.

Für die Aufklärungsarbeit gehen Hunderte Freiwillige von Haus zu Haus, nutzen aber auch andere Medien und Kanäle, um möglichst viele Menschen zu erreichen: Filmvorführungen in Dörfern, interaktive Radiosendungen, in denen Zuhörer Fragen an Experten stellen, Workshops mit Gemeindevorstehern, religiösen Führern und Jugendgruppen sowie Whatsapp-Gruppen. "Die Kernaussage ist: Ebola gibt es wirklich und Ebola kann geheilt werden." Laut Erlach zeigt die Sensibilisierung Erfolge. "Wir sehen, dass es in Beni schon viel weniger Widerstand gibt."

Viele Kinder und Frauen haben sich ausgerechnet in Krankenstationen infiziert

Unter Anleitung des sogenannten Überwachungskomitees des kongolesischen Gesundheitsministeriums werden bezahlte Freiwillige von Tür zu Tür auf die Suche geschickt, um alle Infizierten und deren Kontakte zu finden. Wird eine Person mit Ansteckungsrisiko identifiziert, wird der Fall im Labor getestet und dann eine Impfung angeboten. Nach der Impfung muss der Betroffene 21 Tage - die maximale Inkubationszeit des Virus - beobachtet werden. "Es dauert bis zu zehn Tage, Immunität aufzubauen, nachdem jemand geimpft ist. Also müssen wir schnell sein", sagt Guido Cornale, Unicef-Chefkoordinator in Beni.

Laut Cornale ist es harte Arbeit und extrem kompliziert, die richtigen Leute zu identifizieren. "Stellen Sie sich vor, ein Ebola-Tod ereignet sich in einer Gemeinschaft," sagt er. "Wir müssen zunächst alle Personen identifizieren, die an der Beerdigung teilgenommen haben. Dann wiederum müssen wir all jene finden, die mit ihnen in Kontakt standen. Das summiert sich. Vor allem, wenn sie dann auch noch herumreisen." Die Überwachungs- und Impfungsteams arbeiten weiterhin daran, die Suche nach Fallkontakten und potenziellen Lücken zur Bewältigung der Herausforderung zu verbessern.

Immer wieder gibt es neue Komplikationen, bei denen die Detektivarbeit der Kontaktsucher gebraucht wird. Beispielsweise stellten sprunghaft ansteigende Fallzahlen infizierter Kinder - einer Gruppe, die eigentlich noch nie besonders anfällig für das Virus war - die Epidemiologen der Nothilfe vor ein Rätsel. Die Anzahl der betroffenen Frauen und Kinder ist viel höher als bei früheren Epidemien, so Cornale. Das Phänomen war besorgniserregend, weil der Grund lange im Dunklen blieb und sowohl Kommunikationsarbeit als auch Nachverfolgung vieler Fälle unmöglich machte. Schließlich fanden Cornale und sein Team die Antwort: Die meisten Frauen und Kinder hatten sich in medizinischen Einrichtungen infiziert. Fast alle Betroffenen hatten Krankenstationen besucht, in denen Pfleger eine Kombination aus traditioneller und moderner Medizin praktizieren und sich nicht an Hygienemaßnahmen halten. "Sie verwenden keine Handschuhe, sie haben keine Handwaschstationen. Oft benutzen mehrere Patienten dasselbe Bettlaken, dieselbe Nadel", so Cornale.

Die politische Stimmung ist aufgeheizt

Aufgrund der Sicherheitslage in der Region ist es für die Regierung schwierig, diese informellen Gesundheitseinrichtungen zu überwachen. Daher arbeiten Nothelfer daran, jeden einzelnen der privaten medizinischen Behandler zu kartieren. "Die Idee ist, ein leistungsorientiertes Finanzsystem einzurichten," so Cornale. "Wenn die privaten Mediziner unsere Hygieneanforderungen erfüllen, zahlen wir ihnen einen Bonus. Der neue Ansatz gibt uns wirklich die Hoffnung, dass wir die Epidemie schnell beenden können."

Selbst wenn Mitarbeiter von Hilfsorganisationen schon viel dafür getan haben, um die weitere Verbreitung des Ebola-Virus zu stoppen, müssen sie jetzt schnell sein. Kurz vor Weihnachten, am 23. Dezember, stehen die seit Jahren von Präsident Joseph Kabila verschleppten Neuwahlen an. Obwohl er selbst kein drittes Mal kandidieren wird, ist die politische Stimmung aufgeheizt. Die zerstrittene Opposition befürchtet, dass der Präsident seinen auserkorenen Nachfolger um jeden Preis durchdrücken wird - Anti-Kabila-Proteste werden jetzt schon blutig niedergeschlagen. Lokale Zeitungen sind voll von grellen Artikeln, die das Aufflammen erneuter Gewalt in der Region illustrieren.

Die UN und weitere internationale Hilfsorganisationen sorgen sich wegen der möglichen Auswirkungen der Wahlen auf Bevölkerungsbewegungen, nicht nur innerhalb des Kongo, sondern auch grenzübergreifend. Das Flüchtlingskomitee der Vereinten Nationen hat bereits Zehntausende Menschen gemeldet, die nach Uganda geflohen sind. Dort haben darum jetzt auch erste Impfungen begonnen.

Die Recherche für diesen Artikel wurde vom European Journalism Centre/ Global Health Journalism Grant Programm für Deutschland unterstützt.

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