Massenmörder Samuel Little:Im Geständnisrausch

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"Ich bewege mich in meiner Welt, dort kann ich tun, was immer ich möchte": der 78-jährige Samuel Little. (Foto: AP)

Schon vor Monaten begann der in den USA zu lebenslanger Haft verurteilte Mörder Samuel Little, von weiteren Taten zu berichten. Mittlerweile hat er mehr als 90 Morde gestanden - seine Vernehmung läuft noch immer.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es sind die Details, die den Ermittlern in einem Bezirksgefängnis von Los Angeles versichert haben, dass es sich bei den ausführlichen Erzählungen von Samuel Little nicht um die Prahlerei eines überführten Psychopathen handelt. Sondern um das Geständnis des möglicherweise schlimmsten Serienmörders in der Geschichte der Vereinigten Staaten.

Samuel Little ist 78 Jahre alt, er ist wegen drei Morden in den 1980er-Jahren erst im Jahr 2014 zu lebenslanger Haft ohne Aussicht auf Bewährung verurteilt worden. Er leidet an Diabetes und einer Herzkrankheit, und er hat vor ein paar Monaten zu gestehen begonnen - seine Vernehmungen, die längst zu einem regelrechten Marathon geworden sind, dauern noch immer an, wie das Gefängnis auf Nachfrage bestätigt. Seine einzige Bedingung: Er wollte vom Gefängnis in Los Angeles nach Texas transferiert werden, damit seine Krankheiten besser behandelt werden können.

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"Sein präzises Gedächtnis ist erstaunlich und schauderhaft zugleich, er erinnert sich an Dinge, die vor Jahrzehnten passiert sind und die nur der Täter wissen kann", sagte Bezirksstaatsanwalt Robert Bland der New York Times. Gary Ridgway, der sogenannte "Green River Killer", wurde im Jahr 2001 wegen 49 Morden zu lebenslanger Haft verurteilt; er gilt bislang als der schlimmste überführte Serienmörder in der Geschichte der USA.

Little spricht nun von mindestens 90 Opfern, die er zwischen 1970 und 2005 in verschiedenen Bundesstaaten getötet haben soll. Er berichtete zum Beispiel von einer jungen Frau, die er im Januar 1996 in einer Kleinstadt im Bundesstaat Louisiana erwürgt haben will. Er beschrieb das Opfer nahezu perfekt und erwähnte einen Pekannussbaum hinter einem Friedhof mit kleiner Kirche. Die Beamten ermittelten, und sie fanden einen ungeklärten Mordfall aus eben diesem Monat in eben dieser Stadt - und das erwürgte Opfer unter einem Pekannussbaum hinter einem Friedhof mit kleiner Kirche.

Ein Täter redet nur, wenn er dem Beamten vertraut, der ihn vernimmt

Die Geständnisse erschüttern die USA seit Wochen, weil sie zeigen, dass einer offenbar über Jahrzehnte hinweg durch dieses Land reisen und Menschen töten konnte, ohne erwischt zu werden. Nicht einmal 60 Prozent aller Morde in den USA werden aufgeklärt, und offenbar hat Little seine vermeintlichen Opfer explizit so ausgewählt, dass er immer weiter töten konnte, weil die Aussicht auf intensive Ermittlungen jeweils gering gewesen sei. Es seien allesamt junge Frauen gewesen, abhängig von Drogen oder Alkohol, er habe sie auf der Straße aufgelesen oder in Spelunken angesprochen, in Städten, in denen er davor nicht gewesen sei. Er hatte gehofft, dass kaum jemand diese Frauen vermissen würde und dass die Beamten jeweils schnell aufgeben würden, weil sie keine heiße Spur finden und das Verschwinden auf Drogenmissbrauch zurückführen würden. "Ich bewege mich in meiner Welt", soll er gesagt haben, "dort kann ich tun, was immer ich möchte."

Dass Little überhaupt im Gefängnis sitzt, ist einigem Ermittlerglück zu verdanken. Er war immer wieder verhaftet worden, wegen Raubüberfällen, Vergewaltigungen oder Entführungen, und die Ermittler hatten stets geglaubt, dass Little auch Menschen getötet hatte; sie hatten ihm jedoch nichts nachweisen können. In Florida war er sogar wegen Mordes angeklagt gewesen - und wurde wegen Mangels an Beweisen freigesprochen. Vor vier Jahren dann konnten die Ermittler einen DNA-Test von Little in einem Obdachlosenheim im US-Bundesstaat Kentucky aus dem Jahr 2012 mit Mordopfern aus den 1980er-Jahren in Los Angeles in Verbindung bringen. Im darauf folgenden Prozess wurde er schließlich wegen dreifachen Mordes verurteilt.

Im Sommer dieses Jahres nun hatte ein Beamter das Vertrauen von Little gewonnen - und ihn mit der Aussicht auf die Verlegung in ein besseres Gefängnis zum Reden gebracht. So ist das meist bei derartigen Vernehmungen: Ein Täter redet nur, wenn er dem Beamten vertraut, der ihn vernimmt, nicht selten kommt es gar zu persönlichen Beziehungen zwischen Ermittler und Täter. Auch in Deutschland gab es immer wieder ähnliche Fälle, wenngleich die erschütternde Dimension des Geständnisses von Samuel Little natürlich kaum vergleichbar ist.

"Es passiert nicht häufig, dass man als Polizist einem Menschen begegnet, der einfach nur böse ist"

Gleich mehrere Beamte von "Cold-Case"-Abteilungen reisen nun immer wieder nach Texas, um mögliche Zusammenhänge von Littles Erzählungen zu ungelösten Mordfällen zu prüfen; die Beamten müssen ausschließen, dass Little in seinem Geständnisrausch Morde erfindet. Bislang ist es offenbar gelungen, Little bereits mit mindestens 30 Morden in 14 Bundesstaaten in Verbindung zu bringen - auch deshalb gebe es keinen Grund, am Wahrheitsgehalt der Aussagen von Little zu den anderen Mordfällen zu zweifeln, heißt es aus dem Gefängnis.

Little soll, so ist zu hören, seine Morde ohne Reue gestehen. Er wolle weder sein Gewissen beruhigen, noch hoffe er auf Absolution, er habe aus reinem Egoismus wegen seiner Krankheit und der Aussicht auf bessere medizinische Versorgung zu reden begonnen und erzähle nun wie einer, der von seiner Reise durch die Staaten berichte. Er zeichne erstaunlich präzise Bilder seiner Opfer und erwähne die Zahl seiner Opfer so, wie andere Reisende die Anzahl der Hotels während einer Rundfahrt erwähnen würden. Jackson im Bundesstaat Mississippi: ein Opfer. Cincinnati, Ohio: ein Opfer. Phoenix, Arizona: drei Opfer.

"Es passiert nicht häufig, dass man als Polizist einem Menschen begegnet, der einfach nur böse ist", sagt Tim Marcia am Telefon, der an den Ermittlungen gegen Little wegen der Morde in Los Angeles in den 1980er-Jahren beteiligt gewesen ist. "Ich habe diesem Menschen in die Augen gesehen und mit ihm gesprochen. Er ist abgrundtief böse."

© SZ vom 05.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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