Rentenreport:Was von der Arbeit übrig bleibt

Pfandflaschensuche im Müll

Immer mehr Rentner müssen ihr Einkommen mit dem Sammeln von Pfandflaschen aufbessern.

(Foto: Martin Schutt/dpa)

Eine Studie des DGB zeigt ein großes Gefälle bei den Altersbezügen in Bayern. Doch die Interpretation der Daten ist umstritten.

Von Dietrich Mittler

Niedrige gesetzliche Renten bedeuten nicht in jedem Fall Armut. Wenn Ansprüche aus anderen Versorgungswerken bestehen, der Lebenspartner besser verdient hat oder gar Familienvermögen vorhanden ist, dann können im Alter auch Menschen mit kleiner Rente ihren Lebensstandard halten. Das geht aus einer neuen, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Veröffentlichung hervor, die sich intensiv mit der Frage beschäftigte, warum viele Menschen trotz langjähriger Versicherungszeiten nur geringe Rentenansprüche haben.

Auch Matthias Jena, der Vorsitzende des DGB Bayern, stellte am Freitag bei der Präsentation des Rentenreports Bayern 2018 klar, dass geringe Renten nicht automatisch in die Altersarmut führen. "Manche haben etwas geerbt, privat vorgesorgt oder verfügen über eine betriebliche Altersvorsorge", sagte er. Zudem bekämen viele in Bayern mittlerweile eine höhere gesetzliche Rente. "Aber viele eben auch niedrigere als diese ohnehin schon sehr dürftigen Durchschnittswerte." Für Matthias Jena und seine Stellvertreterin Verena Di Pasquale ist daher die Botschaft des neuen Reports: "Armut im Alter ist längst Realität."

Zwar sei es lobenswert, dass die Politik im Sinne der Rentner nachgebessert habe. Dem Report zufolge lag allein die Rentenanpassung 2016 für Westdeutschland bei 4,25 Prozent, wodurch im Freistaat der durchschnittliche Rentenbetrag für bereits in Rente befindliche Männer um 63 Euro stieg - Bayerns Bestandsrentnerinnen bekamen 44 Euro mehr. Summa summarum betrug somit die durchschnittliche gesetzliche Altersrente für Bestandsrentner 2017 in Bayern 1141 Euro und für Bestandsrentnerinnen 654 Euro.

Klar ist, dass solche Summen Gewerkschafter vom Schlage eines Matthias Jena kaum in Euphorie versetzen, denn die Bezieher jener Renten, die Jena "gute Renten" nennt, bilden eben nicht den Großteil der Bevölkerung. "Gute Renten von mehr als 1500 Euro erreichten etwas mehr als 25 Prozent der Männer, aber nur etwas mehr als vier Prozent der Frauen", sagte er. Klar auch, dass dann der DGB zu schlagkräftigen Formulierungen greift, die Statistiker die Stirn runzeln lassen. Eine solche Formulierung hört sich etwa so an: "Mehr als 70 Prozent der Frauen und gut 37 Prozent der Männer, die 2017 in Bayern in Rente gingen, liegen mit einer gesetzlichen Altersrente von weniger als 900 Euro deutlich unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle von aktuell 1074 Euro."

"Wie so oft in der Debatte um Renten und Altersarmut ist das eine verzerrende Darstellungsweise", kritisiert Sebastian E. Wenz, Wissenschaftler am Gesis-Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften in Köln. Hier würden geringe Renten automatisch mit Armut gleichgesetzt. "Bei den genannten 70 Prozent sind auch Frauen dabei, deren Partner durch eine höher liegende Rente den gemeinsamen Haushalt über die Armutsschwelle hebt", sagte er.

Abgesehen von solchen Scharmützeln sind die Zahlen des DGB-Rentenreports beunruhigend - Stichworte abgesunkenes Rentenniveau, prekäre oder atypische Arbeitsverhältnisse. So lässt sich zum Beispiel nicht leugnen, dass in Bayern die 2017 in Rente gegangenen Männer im Schnitt rund 60 Euro weniger bekommen als jene, die vor ihnen ihren Ruhestand antraten. Hier zumindest liegen neuerdings die Frauen vorne. Bedingt durch höhere Erwerbsbeteiligung "mit veränderten Erwerbsverläufen" bekommen die Neurentnerinnen von 2017 im Schnitt 30 Euro mehr als die Bestandsrentnerinnen.

"Auf bedenklich niedrigem Niveau"

Eines aber bereitet Jena und seiner Stellvertreterin Di Pasquale Sorgen: die Erwerbsminderungsrenten für Menschen, die krankheitsbedingt vorzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden müssen, sind "noch immer auf bedenklich niedrigem Niveau". Im Schnitt kamen Männer, die 2017 erstmals Erwerbsminderungsrente bezogen, auf Zahlbeträge in Höhe von 793 Euro, bei den Frauen waren es 704 Euro. "Viele Erwerbsgeminderte", so heißt es im Report, "sind ob der geringen Zahlbeträge gezwungen, zusätzlich Grundsicherung zu beantragen." Und: "Fast 40 Prozent der Erwerbsminderungen sind psychisch bedingt. 2002 waren es noch knapp 30 Prozent." Für Jena ein Zeichen, dass "die psychischen Belastungen in der Arbeit immer weiter zunehmen" und dass sich in der Arbeitswelt dringend etwas ändern muss.

Angesichts der in Bayern vielfältigen Wirtschaftsstrukturen ist es indes kaum überraschend, dass bei den jeweiligen Renten große Unterschiede bestehen: Schlusslicht in Bayern ist die Stadt Augsburg mit gesetzlichen Durchschnittsrenten für Männer von nur 662 Euro, während die Neurentner im Kreis Erlangen-Höchstadt mit 1368 Euro im Jahr 2017 die höchste gesetzliche Durchschnittsrente in Bayern bekamen. Augsburgs Sozialreferent Stefan Kiefer hat darauf eine klare Antwort: "Augsburg ist ein Produktionsstandort, wo die Leute traditionell schlecht bezahlt wurden - etwa in der Textilindustrie."

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