Zufriedenheit im Job:"Viele machen ihr Glück vom Chef abhängig"

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Ein Mann macht einen Kopfstand im Büro. Ob er danach glücklicher am Schreibtisch sitzt? (Foto: Imago)

Chief Happiness Officer sollen Mitarbeiter glücklich machen - und die Produktivität der Firma steigern. In Frankreich haben sie besonders viel zu tun.

Von Leo Klimm, Paris

Fünf bis sieben Kilo legten manche Mitarbeiter von OVH an Gewicht zu, stellte ein Arbeitsmediziner fest. Und zwar innerhalb des ersten Jahres, nachdem sie beim größten europäischen Betreiber von Rechenzentren angefangen hatten. "Wir hätten die Augen verschließen können", sagt Florent Voisin: "Aber hier geht es um die Gesundheit." Voisin sah es als seinen Job an, gegenzusteuern. Er ließ auf dem OVH-Gelände im nordfranzösischen Roubaix einen Sportplatz einrichten, stellte einen Fitnesscoach ein und heuerte einen Yoga-Lehrer an. Außerdem schaffte er die Gratis-Limonade für OVH-Mitarbeiter ab.

Chief Happiness Officer (CHO) heißt Voisins Job. Es gibt ihn auch unter der Bezeichnung Chief Wellness Manager oder Feelgood-Manager. Egal, wie er genannt wird: Immer geht es um das Glück der Mitarbeiter - oder um das, was die Unternehmensleitungen dafür halten. In Zeiten, in denen die Fixierung auf individuelles Glück in der Gesellschaft omnipräsent ist, in denen Happiness-Ratgeber die Buchregale füllen und Achtsamkeits-Apps die Smartphones fluten, wollen Firmen nicht hintanstehen.

Firmenpatriarchen sorgten sich schon vor mehr als hundert Jahren um die Leibesertüchtigung und um würdige Lebensbedingungen ihrer Arbeiter. Später fehlte in kaum einem Betrieb eine gute Seele, die es den Kollegen behaglich machte. Mit dem Trend zum CHO, der seit einigen Jahren aus dem Silicon Valley nach Europa schwappt, erhält das Wohlergehen der Mitarbeiter aber neue Aufmerksamkeit: Es wird zum strategischen Faktor erhoben - aus purem Eigennutz der Firmen.

"Ich optimiere das Engagement der Angestellten gegenüber dem Unternehmen, indem ich ihnen Dienste anbiete, die ihr Wohlbefinden steigern", bekennt Voisin. Burn-out, Bore-out oder Übergewicht können Firmen viel Geld kosten. Umgekehrt gilt: Zufriedene und gesunde Mitarbeiter sind produktiver, wie zahlreiche Studien belegen.

Geht es um den Trend zum CHO, ist Frankreich ein besonders aufschlussreicher Fall. Dort sind innerhalb von eineinhalb Jahren mehr als 250 überwiegend große Unternehmen wie der Kosmetikkonzern L'Oréal oder die Großbank BNP Paribas einem speziellen CHO-Club beigetreten. "Wir haben in Sachen Unternehmenskultur besonders viel Nachholbedarf", erklärt sich Catherine Testa, Mitbegründerin des Clubs, das starke Interesse. "Frankreich ist geprägt von starren Hierarchien und einer Kultur der Benotung. Viele machen ihr Glück vom Chef abhängig", sagt Testa.

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Tatsächlich ergab eine Umfrage der sozialdemokratisch geprägten Fondation Jean Jaurès im Herbst, nur 44 Prozent der französischen Arbeitnehmer hätten das Gefühl, sie würden im eigenen Unternehmen geschätzt. In Deutschland liegt der Vergleichswert um 32 Punkte höher.

Wer sich jedoch nicht richtig anerkannt fühlt und in Angst vor dem eigenen Chef lebt, ist weniger motiviert bei der Arbeit. "So etwas können sich Unternehmen im Wettbewerb schlicht nicht mehr leisten", sagt Testa. "Für junge, umworbene Talente zählt heute nicht nur das Gehalt, sondern auch eine Unternehmenskultur, die einen angenehmen Arbeitsalltag garantiert. Das haben wir in Frankreich lange vernachlässigt." Viel Arbeit für die CHOs also.

Jobbeschreibung: gute Seele

Den neuen Beruf gibt es Testa zufolge in zwei Ausprägungen. Die erste entspricht dem Profil von OVH-Mann Voisin, der früher als Arbeitspsychologe tätig war. Diese Sorte Feelgood-Manager kümmert sich nicht bloß um die Yoga-Angebote oder den Ausbau des Betriebskindergartens, wie Voisin es getan hat, sondern erforscht im Idealfall grundsätzlich alle Möglichkeiten, wie neben dem Gewinnstreben das Wohlergehen der Mitarbeiter zum strategischen Unternehmensziel wird. Oft berichten sie direkt an die Konzernleitung.

Die zweite Sorte hat dagegen bescheidenere Ansprüche: Diese CHOs sind eine Mischung aus der altbekannten guten Seele, dem Hausmeister und dem Personalreferenten. Sie organisieren mal einen Umtrunk am Feierabend, mal einen Firmenausflug, sorgen für schnellen Ersatz, wenn der Dienstcomputer kaputtgeht und bestellen den in vielen Firmen fast schon obligatorischen Kickertisch. "Hier geht es vor allem darum, Zusammenhalt zu schaffen", sagt Testa.

Am Konzept des glücksbringenden Arbeitgebers entzündet sich - gerade unter den streitfreudigen Franzosen - auch scharfe Kritik. "Die Behauptung, Glück sei eine Voraussetzung fürs Arbeiten, ist nichts als Tyrannei", schreiben der Ökonom Nicolas Bouzou und die Philosophin Julia de Funès in ihrem vor Kurzem erschienenen Buch La Comédie (in)humaine. "Allzu oft sollen der Kicker, Grünpflanzen und die Mittagsmeditation ein echtes Projekt und den Sinn von Arbeit ersetzen." Glück dürfe sehr wohl die Folge gelungener Arbeit sein - nicht aber eine Bedingung für Leistung im Job. "Glück muss unbedingt Privatsache bleiben", so die zwei Autoren.

Glück ist ein großes Wort. Womöglich das falsche, wenn es um den Job geht, räumt Catherine Testa vom CHO-Club ein. Vielleicht würde Freude oder Zufriedenheit als Wort und als Anspruch schon genügen. "Es ist nicht Aufgabe von Unternehmen, die Leute glücklich zu machen", sagt Testa. "Aber Unternehmen dürfen ihre Mitarbeiter auch nicht unglücklich machen."

Nicht selten, erzählt Testa, seien übrigens die Happiness Officer selbst bei der Arbeit nicht sehr froh. "Wenn ihr Posten erst einmal eingerichtet ist, werden sie von der Firmenleitung oft ziemlich allein gelassen." Und Einsamkeit macht unglücklich.

© SZ vom 02.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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