KZ Stutthof:Prozess gegen ehemaligen SS-Wachmann geplatzt

Prozess gegen ehemaligen SS-Wachmann

Im Konzentrationslager Stutthof in der Nähe von Danzig ermordeten die Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs Zehntausende.

(Foto: Piotr Wittman/dpa)
  • Im Prozess gegen einen ehemaligen SS-Wachmann im Konzentrationslager Stutthof ist der Angeklagte weiter verhandlungsunfähig.
  • Das Landgericht Münster hat den Prozess daher ausgesetzt; im Januar wird entschieden, ob er von vorne beginnen soll.
  • Die Anklage wirft dem 95-Jährigen hundertfache Beihilfe zum Mord in dem deutschen KZ bei Danzig von 1942 bis 1944 vor.

Der Prozess gegen einen ehemaligen SS-Wachmann im Konzentrationslager Stutthof ist vorerst geplatzt. Das Landgericht Münster setzte das Verfahren am Donnerstag wegen einer schweren Herz- und Nierenerkrankung des Angeklagten aus.

Am bisher letzten Prozesstag mit dem Angeklagten am 22. November hatte dessen Aufmerksamkeit deutlich nachgelassen, die Verhandlung wurde daraufhin abgebrochen. Der 95-Jährige ist seitdem verhandlungsunfähig und liegt im Krankenhaus. Sein Verteidiger sagte einem Bericht der Westfälischen Nachrichten zufolge, dass sein Mandant versucht habe, durchzuhalten: "Er ist aber an seine körperlichen Grenzen gestoßen."

Ein medizinischer Gutachter soll den Mann im Januar erneut untersuchen. Dann will der Vorsitzende Richter Rainer Brackhane entscheiden, ob das Verfahren mit neuen Terminen wieder beginnen muss. Nach einer Verhandlungspause von drei Wochen sieht die Strafprozessordnung diesen Schritt vor.

Eine Genesung ist möglich, aber nicht wahrscheinlich

Der vom Gericht bestellte medizinische Gutachter hatte am 8. Verhandlungstag den Gesundheitszustand des Angeklagten geschildert, der sich in den vergangenen Wochen verschlechtert hatte. Es sei zwar möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich, dass sich der Mann wieder erhole, sagte der Mediziner.

Die Anklage wirft dem Mann aus dem Kreis Borken hundertfache Beihilfe zum Mord in dem deutschen KZ bei Danzig von 1942 bis 1944 vor. Im Konzentrationslager war er 1943 zum SS-Sturmmann - das entspricht einem Gefreiten der Wehrmacht - befördert worden, er überwachte in dieser Funktion Arbeitskommandos und tat Dienst auf Wachtürmen. Er hat nie bestritten, in Stutthof gearbeitet zu haben, will aber von den systematischen Tötungen nichts mitbekommen haben.

Jahrzehntelang wurden am Holocaust Beteiligte nicht zur Verantwortung gezogen, wenn nicht nachgewiesen werden konnte, dass sie selbst getötet hatten. Eine Wende leitete erst 2011 das Urteil gegen den früheren Aufseher im Vernichtungslager Sobibor, John Demjanjuk, ein. Dieses Urteil wurde jedoch nie rechtskräftig, weil Demjanjuk während des Revisionsverfahrens starb. Erst Ende 2016 bestätigte der Bundesgerichtshof im Fall des Auschwitz-Wachmanns Oskar Gröning höchstrichterlich die Linie, wonach Wachmänner in Todeslagern zum Funktionieren der NS-Tötungsmaschinerie beitrugen. Diese Klarstellung löste neue Ermittlungen aus, der Fall Stutthof ist wohl einer der allerletzten NS-Prozesse.

Nach Angaben der für die Aufklärung von NS-Verbrechen zuständigen Zentralen Stelle in Ludwigsburg starben bis Kriegsende 65 000 Menschen in Stutthof und seinen Nebenlagern sowie auf den sogenannten Todesmärschen.

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