Altersarmut:Meine innere Zahnarztgattin und ich

Altersarmut

Wie schön wäre es, wenn Frauen und Männer sich mit dem Kinderkriegen abwechseln könnten.

(Foto: Daniel Frost)

Viele Frauen treten im Job kürzer, um für die Kinder da zu sein. Dafür erhalten sie später eine Rente, die nicht zum Leben reicht. Das ist genauso ungerecht wie die Biologie an sich. Zeit, zu verhandeln.

Kolumne von Felicitas Wilke

Ein bisschen Zahnarztgattin steckt noch in vielen von uns. Ich merke das, wenn die ehemalige Schulfreundin auf Facebook ihre Berufsbezeichnung in "Vollzeit-Mama" ändert, und ich merke das, wenn die Bekannte sagt, sie werde so schnell nicht wieder arbeiten. Ein Kind brauche seine Mutter! Ich rolle dann mit den Augen, aber wer weiß, wie ich mal rede, wenn ich ein Kind habe. Fakt ist: Viele Frauen stellen den Job dann erst mal hintenan. Heute arbeiten in Deutschland zwar knapp drei Viertel aller Mütter, weit mehr als die Hälfte davon jedoch mit reduzierter Wochenarbeitszeit.

Dahinter steckt oft ein Teufelskreis: Weil viele Frauen ohnehin schlechter verdienen als ihre Männer, lohnt es sich finanziell, dass sie länger Elternzeit nehmen und auch später beruflich zurückstecken - und dann in Teilzeit erst recht weniger verdienen. Dadurch treffen Frauen auch heute noch auf eine alte Bekannte aus den Fünfzigerjahren: die Abhängigkeit vom Mann.

Hält die Beziehung nicht, kann sich diese Bekanntschaft rächen. Denn die Zahnarztgattin auf Lebenszeit gibt es längst nicht mehr. Bereits seit 2008 erwartet das Unterhaltsrecht von geschiedenen Frauen, wieder in Vollzeit zu arbeiten, sobald ihr Kind drei Jahre alt ist. Anspruch auf Unterhalt haben sie dann nur noch für den Nachwuchs, nicht aber für sich selbst.

Die Regelung sollte Anreize für Familien setzen, sich vom einseitigen Ernährermodell zu verabschieden. Doch verändert hat sich nichts. Zwei Wissenschaftlerinnen des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung haben herausgefunden, dass sich Frauen und Männer in bereits bestehenden Ehen die Familienarbeit und Erwerbstätigkeit noch genauso traditionell aufteilen wie vorher. Auch wenn ihnen Hartz IV droht, gehen Frauen nicht früher wieder mehr arbeiten.

Das ist nicht nur im Fall einer Trennung fatal, sondern wirkt sich auch auf das Leben im Alter aus. In Deutschland bekommen Frauen im Schnitt weniger als halb so viel Rente wie Männer, weil viele nur stundenweise oder über Jahre hinweg gar nicht gearbeitet haben. Pro Kind können sich junge Eltern drei Jahre lang Erziehungszeiten fürs Alter anrechnen lassen, danach müssen sie wieder erwerbstätig sein, um Entgeltpunkte für die Rente zu sammeln. Keine Frau, die sich zu Hause um ihre Kinder kümmert, sitzt faul herum. Aber die Rente, die sie später bekommen wird, erweckt diesen Eindruck.

Es könnte so schön einfach sein, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen. Fair wäre es, wenn die Frau einfach das erste Kind bekommen würde und der Mann das zweite - oder umgekehrt. Zuerst reduziert sie ihre Stunden, solange das beide wollen, dann tritt er beruflich eine Weile kürzer. Beide hätten einen Anreiz, bald wieder arbeiten zu gehen, und beide erhielten später eine Rente, die zum Leben reicht. Und die Gesellschaft, sie würde nicht mehr nur den Müttern, sondern auch den Vätern - oder noch besser: niemandem - ein schlechtes Gewissen einreden, wenn sie ihre Kinder lieben, ihren Beruf aber auch.

Die Biologie wird uns diesen Gefallen nicht tun. Es ist weiterhin gesellschaftliche Realität, dass Frauen nicht mehr 40 Stunden arbeiten wollen, sobald sie Kinder haben. Auch wenn es keinen Spaß macht, sollten sie anfangen zu verhandeln. Nicht mit der Chefin über das Gehalt, sondern mit dem Partner über finanzielle Gerechtigkeit. Verdient die Frau weniger Geld, weil sie mehr Zeit mit den Kindern verbringt, ist es nur gerecht, wenn ihr Mann ihr eine Ausgleichszahlung überweist.

Die Zeit der Ausreden muss vorbei sein

Der Betrag kann sich an den Entgeltpunkten orientieren, die ihr wegen der Teilzeit entgehen. Dieses Geld kann sie für die Zukunft anlegen und sich selbst zu einer besseren Rente verhelfen. Dieses Modell ist pragmatisch, doch es hat - neben dem Mangel an Romantik - einen Nachteil: Die Frauen zahlen weiterhin den Preis, im Job jahrelang auf der Stelle zu treten. Vielleicht will ich später gar keine Karriere machen, ich weiß es noch nicht. Aber ich will mich von der inneren Zahnarztgattin auch nicht davon abhalten lassen.

Ich habe also die Wahl: Entweder ich verhandle mit meinem Partner über Geld oder ich lebe ein gleichberechtigtes Modell, in dem Ausgleichszahlungen gar nicht erst nötig sind. Dafür braucht es einen Partner, der bereit dazu ist. Viele Studien zeigen, dass Väter heute mehr Zeit mit der Familie verbringen wollen und im Gegenzug weniger arbeiten würden. Doch wenn es darum geht, mehr als zwei Vätermonate beim Chef durchzusetzen, geben viele noch immer zu schnell klein bei. Nur sechs Prozent der Väter in Deutschland arbeiten in Teilzeit.

Die Zeit der Ausreden muss vorbei sein. Um die Zahnarztgattin zum Schweigen zu bringen, hilft es nur, sich einen Mann zu suchen, der selbst das gleichberechtigte Modell will. Dafür muss er genauso aus alten Rollenbildern raus wie ich. Ein Kind braucht seine Mutter - und seinen Vater. Und zwei halbe oder drei Viertel Ernährer.

Es ist längst möglich, dass mal der eine, mal der andere Partner länger mit einem Kind zu Hause bleibt - oder dass beide in Teilzeit, aber vollzeitnah arbeiten. Ich will versuchen, der Biologie ein Schnippchen zu schlagen, so gut das eben geht. Denn ich glaube, dass die Utopie einer gerechten Aufteilung gar nicht so utopisch sein muss.

Felicitas Wilke kommt aus einer Familie mit umgekehrter Rollenverteilung. Als sie klein war, arbeitete ihre Mutter Vollzeit und ihr Vater halbtags. Sie selbst träumt von der 30-Stunden-Woche - ob mit oder ohne Kind.

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