Leistungsschutzrecht:Nach dem Streit der Ärger

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Gesetz auf der Kippe: Nach langem Ringen befindet der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs das deutsche Leistungsschutzrecht für unwirksam.

Von Karoline Meta Beisel

Erst wurde ewig um den Gesetzesentwurf gerungen, dann vor Gericht noch länger um die Anwendung - und jetzt könnte der Europäische Gerichtshof (EuGH) kommen und sagen: Interessante Argumente, aber das Gesetz, um dessen Auslegung ihr streitet, darf gar nicht angewendet werden.

Am Donnerstag hat der Generalanwalt dem EuGH vorgeschlagen, wie das Gericht im Clinch um das Leistungsschutzrecht entscheiden soll. Die Empfehlung bedeutet eine heftige Schlappe für die VG Media: Seit Jahren streitet die Verwertungsgesellschaft mit Google um Bezahlung für die Textchen, mit denen der Konzern in seinen Suchergebnissen klarmacht, worum es in einem Nachrichtenartikel geht. Dem Generalanwalt zufolge darf das deutsche Gesetz, das Google zur Zahlung verpflichten könnte, nicht angewendet werden, weil der Gesetzgeber die geplante Regelung der EU-Kommission hätte vorlegen müssen und das nicht getan hat. Wenn der EuGH sich an den Rat seines Generalanwalts hält - das tut er häufig -, bleibt dem Landgericht Berlin, das die Rechtsfrage klären ließ, kaum anderes, als die Klage der VG Media gegen Google abzuweisen.

Dabei hat der Generalanwalt Verständnis für die Lage, in die viele Verlage durch den digitalen Wandel geraten sind: Es sei "töricht und naiv", nicht zu erkennen, dass das Geschäftsmodell der Zeitungen nicht mehr funktioniere wie früher - gleichzeitig sei es aber "einigermaßen unrealistisch", hochwertigen Journalismus zu erwarten, wenn Medien nicht über nachhaltiges Einkommen verfügten. Die Presse sei "Teil des Lebenssaftes der Demokratie", darum hätten die Länder auch das Recht, auf die Entwicklung zu reagieren.

Nur eben nicht, ohne der Kommission Bescheid zu sagen: Einer EU-Richtlinie zufolge müssen die Mitgliedsländer bestimmte Gesetze, die auf "Dienstleistungen der Informationsgesellschaft" zielen, vor dem Inkrafttreten in Brüssel vorlegen, damit die Kommission prüfen kann, ob sich die Regeln nachteilig auf den Binnenmarkt auswirken. Das hatte die schwarz-gelbe Koalition, die das Gesetz 2013 auf den Weg gebracht hatte, nicht getan.

Während die Stellungnahme von Google recht knapp ausfällt ("Wir haben von Anfang an gesagt, dass die Zusammenarbeit mit der Nachrichtenbranche ein besserer Weg ist als rechtliche Auseinandersetzungen"), verweisen die Aufsichtsräte von VG Media darum auch auf die Millionen von Rechtsberatungskosten, die ihnen nun möglicherweise entstanden sind, um ein Recht einzuklagen, das ihnen von vorneherein gar nicht zustand. Sollte der EuGH den Empfehlungen des Generalanwalts folgen, dürfte die Frage nach Staatshaftungsansprüchen im Raum stehen.

Ausgerechnet an diesem Donnerstag gehen in Straßburg die Verhandlungen über die EU-Urheberrechtsreform in die entscheidende Runde. Bizarre Pointe: Gut möglich, dass von der EU dann doch genau so ein Recht eingeführt wird wie das, das der Generalanwalt nun für nicht anwendbar hält.

© SZ vom 14.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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