Urteil:Miete darf wegen Baustellenlärms gemindert werden

Baustelle an der Ecke Bayer-/ Goethestraße in München,  2013

Wird ein Haus nebenan abgerissen, hält das Amtsgericht München eine Mietminderung von 30 Prozent für angemessen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Weil auf dem Nachbargrundstück gebaut wurde, hat eine Frau ihre Miete für die Dauer der Baustelle gemindert.
  • Das Amtsgericht gibt ihr recht. Für die Zeit der Abbrucharbeiten hält das Urteil eine Minderung von 30 Prozent für angemessen, für die Hochbauphase von 25 Prozent.

Von Stephan Handel

Wenn einer aufs Land zieht, braucht er sich später nicht zu beschweren, dass der Gockel kräht und die Kuhglocken bimmeln - das haben Gerichte seit Langem schon entschieden. Aber muss ein Großstadtbewohner es dulden, wenn neben seiner Wohnung gebaut wird? Weil in einer Stadt immer irgendwo eine Baustelle und der dazugehörige Lärm sozusagen ortsüblich ist? Nein, meint das Amtsgericht, und erlaubte einer Mieterin die Minderung der Miete.

Es geht um eine Drei-Zimmer-Wohnung in der Maxvorstadt, die die Mieterin 1997 bezogen hatte, 67 Quadratmeter, Miete aktuell 989,08 Euro brutto. 2015 und 2016 wurde auf dem Nachbargrundstück, dem Gelände einer früheren Fabrik, ein Block mit 100 Wohneinheiten errichtet. Wegen des damit verbundenen Lärms minderte sie die Miete für neun Monate um insgesamt 1536,98 Euro.

Das wollte die Vermieterin nicht hinnehmen, sie klagte: Die Baustelle habe keine unzumutbaren Lärmbelästigungen verursacht, die gesetzlichen Vorschriften seien eingehalten worden. Außerdem sei die benachbarte Fabrik schon zum Zeitpunkt des Einzugs stillgelegt gewesen, die Mieterin habe also damit rechnen müssen, dass dort irgendwann einmal gebaut werde. Und überhaupt: In einer Großstadt werde ständig irgendwo gebaut, die Lärm- und Schmutzimmissionen seien deshalb unwesentlich und ortsüblich.

Beim Amtsrichter stieß sie damit jedoch auf wenig Gegenliebe: "Zwar ist es zutreffend", heißt es im Urteil, "dass in Großstädten immer irgendwo gebaut wird. Dennoch entspricht es der allgemeinen Verkehrsanschauung, dass man auch in Großstädten in Wohnungen ungestört von Baulärm leben kann." Das Gericht hatte sich das Bautagebuch vorlegen und ein Sachverständigengutachten erstellen lassen, die Mieterin hatte außerdem selber Protokoll geführt und Fotos der Verschmutzungen angefertigt.

Mit diesen Beweisen kam der Richter zu der Überzeugung, dass "von Oktober 2015 bis einschließlich Juni 2016 von der benachbarten Großbaustelle erhebliche Lärm- und Schmutzeinwirkungen auf die Wohnung der Beklagten stattgefunden haben, welche zu einer mehr als unerheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung des Mietgebrauchs geführt haben". Für die Zeit der Abbrucharbeiten hält das Urteil eine Minderung von 30 Prozent für angemessen, für die Hochbauphase von 25 Prozent.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig: Das Landgericht wies in der nächsten Instanz die Berufung der Vermieterin zurück, ließ aber wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Oberlandesgericht zu - ungewöhnlich für eine Streitsache, die am Amtsgericht begann. (AZ: 472 C 18927/16)

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