Namensrecht:Keine Gräfin von und zu Vollpfosten

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Zwei Royal-Fans mit Samt-Krone: So einfach wie in Großbritannien, sich einen wohlklingenden Adelstitel zuzulegen, ist es in Deutschland nicht. (Foto: dpa)
  • Eine Frau hat sich in Großbritannien selbst einen Adelstitel zugelegt; diesen wollte sie sich auch in Deutschland anerkennen lassen.
  • Der BGH hat dies abgewiesen.
  • Demnach dürfe sich niemand in Deutschland selbst, und sei es nur namensmäßig, in den Adelsstand erheben.

Von Wolfgang Janisch

Wer einmal studieren will, wie sehr das Recht letztlich kulturell geprägt ist, der sollte sich über deed poll kundig machen, den britischen Weg zur Namensänderung. Man benötigt ein Formular, einen Zeugen und einen neuen Namen, das war's. Die Leichtigkeit bei der Namenswahl führt naturgemäß zu Verirrungen, laut Independent läuft jetzt irgendwo ein "Bacon Double Cheeseburger" herum - aber er wollte es ja nicht anders. Andere Neunamen klingen sehr vernünftig. Ilyena Vasilievna Mironov zum Beispiel heißt nun Helen Mirren und gewann einen Oscar. Und in Deutschland? Muss man schon von der Cosa Nostra verfolgt werden oder wenigstens Jens Rüdiger Vollpfosten heißen, sonst wird es schwierig.

Denn im deutschen Namensrecht gilt, jawoll, die Ordnungsfunktion. Das musste gerade Silke Nicole V. erfahren, eine Ballettlehrerin aus dem Fränkischen, die sich in London niedergelassen hatte und nun beide Pässe hat. Man weiß nicht, wie, aber irgendwann war ihr der Gedanke gekommen, dass es schön wäre, wenn sie fortan Silia Valentina Mariella Gräfin von Fürstenstein heißen könnte. Angelehnt war das an das hessische Adelsgeschlecht Diede zum Fürstenstein, das Anfang des 19. Jahrhundert erloschen ist.

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Gedacht, getan. Seit 2013 hat sie einen Reisepass, der sie als Gräfin ausweist; ihre Zwillinge sind bereits geborene von Fürstensteins. Doch mit ihrem Versuch, den frisch erworbenen Adelsnamen ins deutsche Personenstandsregister eintragen zu lassen, biss sie beim zuständigen fränkischen Standesamt auf Granit. Die Sache ging vor Gericht, nun hat der Bundesgerichtshof entschieden: Woanders mag sie als Gräfin auftreten, für Deutschland bleibt sie Silke Nicole V.

Auch im BGH-Urteil klingt die urdeutsche Sorge durch, dass namensmäßig alles drunter und drüber ginge, wenn man den Menschen die Wahl ließe. Ähnlich war das vor bald zehn Jahren beim Bundesverfassungsgericht, damals ging es um die Frage, ob Dreifach-Nachnamen zulässig sein sollten; die Richter fanden, das würde zu unübersichtlich - Ordnung muss sein. Weil aber die Staaten Europas hier ganz unterschiedliche Traditionen kennen, hat der Europäische Gerichtshof vor zehn Jahren darauf gedrungen, dass man im zusammenwachsenden Europa nicht so streng sein dürfe - weil Europäer, die in einem Land so und im nächsten anders heißen müssen, sich letztlich nicht frei bewegen könnten. Deshalb gilt: Wer aus einem EU-Staat einen legal erworbenen und dort eingetragenen Namen mitbringt, der darf ihn ins deutsche Personenstandsregister eintragen lassen.

Dennoch ließ der BGH Gräfin von Fürstenstein am Personenstandswesen scheitern und stellte dafür eine sehr komplizierte Überlegung an, die zurückreicht bis zur Weimarer Reichsverfassung. Damals wurden die Adelsprivilegien abgeschafft; Adelsbezeichnungen blieben nur noch im Namen erhalten und durften nicht mehr neu verliehen werden. Die Folgerung, die der BGH daraus zieht, läuft nun ein bisschen auf den Schutz des ererbten Namensadels hinaus. Laut BGH darf sich niemand selbst, und sei es nur namensmäßig, in den Adelsstand erheben. Auch nicht über ein deed poll in London. Warum nicht? Das sei ein Gebot der staatsbürgerlichen Gleichheit.

© SZ vom 18.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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