Social-Media-Debatte:Wann ist ein Bot ein Bot?

Social-Media-Debatte: Kein Roboter, sondern ein echter Vogel.

Kein Roboter, sondern ein echter Vogel.

(Foto: Benjamin Balazs/Unsplash/Bearbeitung: SZ.de)
  • Die Unionsfraktion denkt darüber nach, Social Bots in Netzwerken wie Twitter gesetzlich zu einer Kennzeichnung zu zwingen.
  • Experten halten das Problem, das von derartigen automatisierten Accounts ausgeht, in Deutschland jedoch für überschätzt.
  • Echte Übeltäter würden sich ohnehin nicht daran halten, betroffen wären stattdessen viele Medien- und Unternehmensaccounts.

Von Max Muth

Die Unionsfraktion im Bundestag denkt über eine Kennzeichnungspflicht für automatisierte Nachrichten in sozialen Netzwerken nach, die von sogenannten Social Bots stammen. "Man sollte das ernsthaft prüfen", sagte Fraktionschef Ralph Brinkhaus auf eine entsprechende Frage in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Er mache sich Sorgen um die Demokratie, es sei höchste Zeit aufzuwachen. Brinkhaus' Vorschlag wird auch von Vertretern der SPD goutiert, die Grünen hatten die gleiche Idee schon vor der Bundestagswahl im vergangenen Jahr. Dabei ist noch nicht einmal klar, was einen Bot zum Bot macht.

Wie lässt sich ein Bot eindeutig identifizieren?

Social-Bots sind seit der US-Wahl 2016 ein großes Thema, wenn nicht sogar ein Hype. Verschiedene Studien und Zeitungsartikel stellten damals die These auf, dass die automatisierten Twitter-Helfer mitverantwortlich waren für die für viele unerwartete Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Seitdem wird auch in Deutschland immer wieder vor möglicher Beeinflussung von Wahlen durch Bots gewarnt. Einen Nachweis hierfür gibt es bislang allerdings nicht.

Das liegt auch daran, dass keine Einigkeit darüber herrscht, wann ein Twitter-Account eigentlich als Bot zu verstehen ist. Manche Wissenschaftler stufen einen Account als Bot ein, wenn er 50 oder mehr Tweets am Tag absetzt. Um sehr große Mengen an Tweets wissenschaftlich zu untersuchen, ist das möglicherweise ein guter erster Schritt. Doch um festzulegen, ob ein einzelner Account ein Bot ist, ist dieses Kriterium offensichtlich Unsinn: Jeder kann sich noch heute einen Twitter-Account anlegen und 150 Tweets verfassen. Dadurch wird man aber nicht zur Maschine.

Ein anderer Weg, Social Bots zu klassifizieren, ist der Einsatz von Machine-Learning. Dabei klopft eine künstliche Intelligenz automatisch Tweets auf bestimmte Merkmale ab, die bereits bei sicher als Bots identifizierten Accounts festgestellt wurden. Die Anzahl der Tweets pro Tag kann dabei ebenso eine Rolle spielen wie das Alter eines Accounts, die verwendete Sprache, die Anzahl der verwendeten Hashtags oder die Uhrzeit, zu der für gewöhnlich gepostet wird.

Unglückliche Debatte über eingebildete Probleme

Die dritte mögliche Variante ist die händische Suche nach den oben genannten Auffälligkeiten, gepaart mit journalistischer Recherche - zum Beispiel durch Anfragen bei den Account-Betreibern. Der Schweizer Social-Media-Experte Luca Hammer etwa empfiehlt eine Kombination aus den Varianten zwei und drei um Bots aufzuspüren. Doch selbst dann könne man sich nie sicher sein, ob man es mit einem Bot zu tun hat. Aussagen wie die der Berliner Firma "Botswatch", die herausgefunden haben will, dass rund um die Verabschiedung des umstrittenen UN-Migrationspakts im Bundestag mehr als 25 Prozent der Tweets von Bots stammten, sind deshalb mit großer Vorsicht zu genießen. Oder wie es der Nürnberger Informatik-Professor Florian Gallwitz im Gespräch mit der NZZ zusammenfasste: Weil wissenschaftlich nicht geklärt sei, was ein Bot überhaupt ist, sei "jede quantitative Aussage über Bots unseriös".

Auch im Fall der Berliner Firma Botswatch stellt sich die Frage, welche Methodik sie anwendet und wie die Firma Bots definiert. Tabea Wilke, Geschäftsführerin von Botswatch, will darauf aber nicht eingehen. Wie Botswatch zu seinen Ergebnissen komme, sei ein Geschäftsgeheimnis, sagte sie der NZZ. Das mag für ein Unternehmen, das exklusive Expertisen verkaufen will, eine nachvollziehbare Einstellung sein, entkräftet die Kritik von vielen Fachleuten aber nicht.

Die aktuelle Debatte über Social Bots ist zumindest unglücklich. Zwar bezweifelt kaum jemand, dass es Versuche der politischen Beeinflussung über soziale Netzwerke gibt. Erst gestern wurde ein Bericht öffentlich, der den US-Senat über Details der russischen Desinformationskampagne zu den Wahlen 2016 informierte. Die meisten Fachleute sind allerdings der Auffassung, dass diese Einflussnahme eher selten von Bots ausging, sondern vielmehr von echten Menschen an Computern versucht wurde, zum Beispiel an Computern in der Sankt Petersburger Trollfabrik IRA (Internet Research Agency).

Achtung: SZ-Bot!

Wenn Politiker jetzt entgegen der Ratschläge vieler Experten eine Kennzeichnungspflicht für Bots einführen, dann könnte das auch Folgen für diese Zeitung haben: Denn auch der SZ-Twitter-Account hat Bot-Tendenzen: Immer wenn ein Text auf SZ.de veröffentlicht wird, geht eine Twitter-Nachricht mit kurzem Beschreibungstext online. Dieser Kurztext kann vom Autor des Textes oder einem SZ-Redakteur zwar geändert werden, wenn das aus irgendwelchen Gründen aber nicht passiert, dann besteht der Tweet aus der Dachzeile und der Überschrift des Artikels - ganz automatisch.

Echte Übeltäter aus Trollfabriken fremder Mächte würden sich von einer strafbewehrten Kennzeichnungspflicht sicher nicht abschrecken lassen, unter teilautomatisierten Medien-Accounts dagegen wäre künftig zu lesen: "Achtung: Social Bot."

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