Essen & Trinken:Weihnachten ist ein Fest für die Kartoffel

Lesezeit: 3 min

Kartoffelsalat: Richtig ist er, wenn er schmeckt. (Foto: Maria Holzmüller / SZ.de)

An Heiligabend gibt es traditionell Karpfen - oder eben Würstchen und Kartoffelsalat. Aber wie geht ein richtig guter Kartoffelsalat?

Von Hans Gerlach

Wie Trüffel, Kaviar oder Austern heute war die südamerikanische Kartoffel vor 400 Jahren in Europa noch so selten und teuer, dass sie als aphrodisierend galt. In gewissem Sinne stimmte das sogar: Wo die Knolle später billig und allgegenwärtig geworden war, gab es wenig Mangelernährung, und die Bevölkerung wuchs enorm.

Bei ihrer Verbreitung spielte der Kartoffelsalat von Anfang an eine Rolle. Schon 1597 beschreibt der englische Botaniker John Gerard in seinem Buch "The Herball" nicht nur als erster Europäer die Kartoffelpflanze, sondern auch wie man die Knollen zubereitet: mit Essig, Salz und Wein. Ein Benediktinerabt namens Caspar Plautz lieferte 1621 ein sehr ähnliches Rezept auf Latein, bei ihm kommen auch Öl und Pfeffer an den Salat.

Mit Apfel und Zwiebeln
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Warum ein Heiligabend-Gericht?

Doch warum gilt heute in Deutschland gerade Kartoffelsalat mit Würstchen als typisches Essen für den 24. Dezember? Die Frage lässt sich nicht klar beantworten, eine von Indizien gestützte Theorie muss reichen: Heiligabend gehört zur vorweihnachtlichen Fastenzeit - ob die am 24. Dezember mit Aufgang des ersten Sterns, um Mitternacht oder erst am 6. Januar endet, ist aber Interpretationssache. Im streng katholischen Polen jedenfalls gibt es an Heiligabend vegetarische Fastengerichte - zwölf verschiedene, für jeden Apostel eines. Dazu gehört auch ein Salat mit Mayonnaise, Gemüse und Kartoffeln.

Manche Restaurants erfüllen unterschiedliche Kartoffelsalatwünsche: Etwa der Burgerladen Cosmogrill in München. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Würstchen hingegen passen eigentlich gar nicht in den Speiseplan an Fastentagen, und doch essen wir sie an Heiligabend. Es finden sich sogar Kartoffelsalat mit Seefisch oder Karpfen unter den traditionellen Festvarianten.

Das erklärt sich vielleicht daraus, dass man selbst in sehr christlichen Gegenden die vorweihnachtliche Fastenzeit nie so streng einhielt wie die vor Ostern. Tiere, die man nicht durch den Winter füttern wollte kamen vor Weihnachten zum Schlachter. Dort fielen immer auch wenig haltbare Würste an und die wurden natürlich gegessen - Fastenzeit hin oder her. So passt die Kombination von Würstchen und Kartoffelsalat tatsächlich gut zu Heiligabend.

Mit zerlassener Butter
:Karpfen blau im Wurzelsud

Saftiger Klassiker insbesondere an Weihnachten und Silvester: Karpfen blau, schön würzig dank Zwiebeln, Karotten, Fenchel, Ingwer, Zitrone und zerlassener Butter.

Kein ganz einfaches Gericht

Guter Kartoffelsalat macht mehr Arbeit, als man denkt, aber ein Argument für ihn ist, dass er sich gut vorbereiten lässt. Kein Wunder also, dass die Tradition bis heute beliebt ist - es bleibt ja genug zu tun in den letzten Stunden vor Weihnachten. Allerdings sollte man einen vorbereiteten Kartoffelsalat noch einmal sorgfältig abschmecken, kurz bevor er auf den Tisch kommt. Auch sollte der Salat nicht kalt serviert werden, das schadet dem Geschmack. Wenn möglich also die Schüssel rechtzeitig aus dem Kühlschrank holen und Zimmertemperatur annehmen lassen.

Einzelne Rezeptvorlieben haben vor allem mit Ideologie und Erinnerungen zu tun. In Süddeutschland sind etwa Vorurteile gegen norddeutsche Kartoffelsalate mit Mayonnaise verbreitet. Zu mächtig lautet der Vorwurf. Dabei wirken vor allem fertige Mayonnaise-Kartoffelsalate aus dem Eimer pampfig. Ein bayerischer Kartoffelsalat aus der Fabrik ist auch nicht besser. Wenn man aber zu Hause die Kartoffelscheiben zuerst mit Brühe und etwas Essig sanft mariniert, sodass die Scheiben in Würzflüssigkeit ruhen, dann macht es später keinen Qualitätsunterschied, ob man den Salat mit Mayonnaise oder mit Öl verfeinert.

Ob mit Brühe, (sauren) Gurken oder Apfel, ob mit oder ohne Senf, Speck, Feldsalat oder Endivien, ob mit harten Eiern oder sogar mit Sardellen - alle Kombinationen sind möglich, und alle passen zur Kartoffel. Hauptsache, der Salat wird gut gewürzt und am Ende liebevoll abgeschmeckt.

Guter Kartoffelsalat ist aus guten Kartoffeln

Wirklich entscheidend für das Aroma des Salates sind - wen wundert es - die Kartoffeln. Festkochende Sorten haben den Vorteil, dass sich ihre Scheiben in der Marinade nicht gleich auflösen. Auch lassen sie sich leichter schneiden als mehligkochende Sorten. Doch gibt es Liebhaber, die weniger festkochende Sorten bevorzugen, wie zum Beispiel die aromatische, halbfeste "Agria".

Manche geben sogar einzelne mehligkochende Kartoffeln mit in den Kartoffelsalat, um die Marinade stärker zu binden. Gerade längliche, festkochende Kartoffelsorten haben oft ein schönes Kastanienaroma und dazu eine Form, aus der sich besonders gut gleichmäßige messerrückendicke, runde Scheiben schneiden lassen.

Infrage kommen unter anderem die Sorten "Tannenzapfen" oder "Rosa Tannenzapfen", verschiedene Sorten österreichischer "Kipfler", französische "La Ratte" oder "Bamberger Hörnchen". Die traditionelle "Linda" und die neue Sorte "Allians" sind nicht ganz so schlank geformt, aber schön stabil und schmecken genauso gut.

Ein weiterer wichtiger Trick: Wenn man zuerst klein gewürfelte Zwiebeln in eine Schüssel gibt, diese mit kochender Brühe übergießt und dann die Kartoffeln direkt in die Brühe schnippelt, wird das intensive Aroma roher Zwiebeln gemildert und die Kartoffelscheiben haben genug Zeit, um etwas Brühe aufzunehmen, ein Garant für besonders viel Geschmack.

© SZ vom 22.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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