Lokaltermin:Habibi & Hawara

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Im Wiener Restaurant "Habibi & Hawara" werden Flüchtlinge zu Gastronomen ausgebildet. Das ist nicht nur ein lobenswertes Projekt, sondern vor allem ein lohnenswertes Lokal. Die gute Gemüseküche hier füllt eine Lücke in der Gastronomie der österreichischen Hauptstadt.

Von Katharina Seiser

Wenn es eine österreichische Antwort auf Yotam Ottolenghi in London gibt, dann ist es das Habibi & Hawara in Wien. Das Lokal wirkt zwar lange nicht so schick, und die Speisen sind nicht so elaboriert wie beim berühmten britischen Levante-Koch. Aber es ist populär, meist sogar rappelvoll, und es ist einer der wenigen Zufluchtsorte in Wien, an dem frische, gemüsereiche Küche unprätentiös auf den Tisch kommt. Wer in Österreich Lust auf knackige Salate und gut gewürzte vegetarische Gerichte hat, muss sich bis heute oft blöde Sprüche anhören ("Erdäpfelsalat zum Schnitzel ist gesund genug!"), und in den Beisln der Hauptstadt gehen Knödel, Nockerl oder Tascherl mit Käse und Spinat eh als Gemüse durch.

Für das Habibi & Hawara ist es nicht unwichtig, dass seine Küche in Wien eine Lücke füllt. Denn es geht hier auch um ein Integrationsprojekt. Der Name bedeutet so viel wie "Freund & Freund". Habibi meint den arabischen Liebling, Hawara den Wiener Kumpel. Das Restaurant ist entstanden als Antwort auf die Flüchtlingskrise im Sommer 2015. Geflüchtete arbeiten gemeinsam mit Einheimischen. Ziel der Initiative von Martin Rohla und Katha Schinkinger ist die Ausbildung von Flüchtlingen zu Gastro-Unternehmern, die mittels eines Social-Franchise-Systems künftig auf eigenen Beinen stehen sollen. Es geht also um Nachhaltigkeit, und da ist es wichtig, dass die Küche viele anspricht. Allein um ein lobenswertes Projekt zu unterstützen, würde man hier ja auf Dauer nicht essen gehen.

Auch die zentrale Lage schräg gegenüber der Börse im ersten Bezirk finden offenbar viele Gäste praktisch. Erst vor ein paar Monaten wurde das Restaurant um eine ehemalige Pizzeria erweitert. Ganz fertig renoviert ist noch nicht, aber das stört keinen. Die Einrichtung ist auch ohne Baustelle wild, auf den abgetretenen Böden liegen Orientteppiche, farbenfrohe Deko ist kombiniert mit gemütlich runtergewohntem Wiener Schick. Das Personal ist erwartungsgemäß Multikulti und die Stimmung für Wiener Verhältnisse fast schon übermütig fröhlich. Die Welthauptstadt des Grants zeigt sich hier von ihrer großzügigen Seite. Zu Mittag lockt ein Buffet (mit Desserts und Tee 15,90 Euro) - die Angestellten naher Büros und Kanzleien ebenso wie Touristen.

Etwa 15 kalte Speisen, wie sie in Libanon oder Israel ganz normal wären, eröffnen hier vegetarische Horizonte. Die großteils saisonalen Gemüse - ob Kürbis oder Süßkartoffeln, Brokkoli oder kleine Champignons, Karfiol (Blumenkohl), Melanzani (Auberginen) oder Okraschoten - werden sortenrein im Ofen gebacken oder langsam weich geschmort und dann markant (aber nie zu üppig!) abgeschmeckt mit gerösteten Gewürzen wie Kreuzkümmel oder Koriander, mit Tahin oder Joghurt, Unmengen frischer Petersilie oder Minze sowie mit der Säure von Zitronen, Sumach oder Granatapfel. Die Vintage-Teller sind von ebenso vielfältiger Herkunft wie die Speisen und das Personal. Das syrische Tabouleh, Petersiliensalat mit etwas Bulgur, schmeckt hier so köstlich wie selten, weil kräftig zitrussauer. Um die frisch gebackenen ägyptischen Falafel "Tameya nach Aboudis Rezept" herrscht ein G'riss, verständlich, weil sie nicht zu dicht gepresst und knoblauchüberwürzt sind, sondern so knusprig, weich und harmonisch, dass man klammheimlich den für das gesamte Lokal gedachten, viel zu kleinen Falafelteller als Beute zum eigenen Tisch mitnehmen möchte, um dort ein Laibchen nach dem anderen wegzuknabbern, immer abwechselnd mit einem Klacks vom Hummus. Der hat hier nichts von der zusammengehauenen, sesampastenklebrigen Schwere wie in den üblichen Buden. An Warmem gibt es Lammköfte, Okra-Eintopf und andere wenig attraktiv aussehende, aber köstliche Schmorgerichte. Die Gefahr besteht, dass man bei den Vorspeisen hängen bleibt und sich dabei satt und glücklich isst. Die Desserts würden dagegen von mehr österreichischem Mehlspeisen-Know-how profitieren, sie sind im Vergleich zu den salzigen Speisen etwas eindimensional und trocken.

Abends wird das Familienmenü tischweise geteilt, zum Fixpreis von 25,90 Euro pro Person serviert das auffallend höfliche Personal Etagèren, auf denen viele verschiedene und ähnliche Speisen wie zu Mittag gereicht werden. Wenn etwas besonders gut schmeckt, darf Nachschlag geordert werden. Und wenn auch der Hawara bei den Speisen - also der österreichische Einfluss in der Küche - bis zu den warmen Gerichten am Abend so gut wie unsichtbar war, dann ist er es bei einem Gericht umso mehr: Butterweich geschmortes Schulterscherzl kommt auf einem Bett aus dem gelobpreisten Hummus, darauf ausgelöste Kerne eines reifen Granatapfels.

Würde das ein Koch in einem Wiener Traditionsbeisl machen, so würde er mit nassen Fetzen aus der Stadt gejagt werden. Stünde das Scherzl in einem Weinbistro auf Käferbohnenpüree mit eingelegten Dirndln (Kornelkirschen) auf der Karte, dann würde man die Köchin feiern.

Im Habibi & Hawara ist es die Essenz dessen, worum es bei der Weiterentwicklung einer Küche und einer Gesellschaft geht: das Integrieren neuer Einflüsse. So gesehen funktioniert die Integration im Habibi & Hawara vorzüglich. Kein Wunder also, dass hier so ausgelassen gefeiert wird.

© SZ vom 22.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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