Jugendliche Arbeitslose zum Job führen:Sanfter Einstieg

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Beim neuen Projekt "My Way" fahren Caritas und Jobcenter mit einem Rollermobil Treffpunkte von Jugendlichen an, die nicht zur Schule gehen und keine Ausbildung haben. Man will ins Gespräch kommen und ihnen Perspektiven aufzeigen.

Von Laura Dahmer, Freising

Einhändig schiebt Mario Altmann das neue Gefährt des Pilotprojekts "My Way" vom Caritas-Zentrum Freising in Position. Das kann er ohne Anstrengung, denn das Gefährt ist eine Ape, ein kleines, dreirädriges Rollermobil. Knallrot, in der Farbe der Caritas. Sein Auftrag: Suppen verteilen und Anlaufstelle sein für Jugendliche, die Unterstützung brauchen. Kommenden Freitag hat der rote Flitzer seine Jungfernfahrt und wird einige Treffpunkte der Jugendlichen anfahren. Allerdings noch nicht mit Suppe, sondern, passend zur Weihnachtszeit, mit Lebkuchen und Punsch - natürlich alkoholfrei.

"Eigentlich wäre es wohl besser, wenn wir mit Zigaretten und einer Halben Bier kommen", gesteht Bernhard Reiml, Geschäftsführer des Jobcenters Freising. Das Jobcenter führt das Projekt "My Way" gemeinsam mit der Caritas durch. Man habe aber etwas Harmloseres finden wollen, das dennoch das Interesse der Jugendlichen weckt. Deshalb die Suppe: "Es ist Winter, draußen ist es kalt, die Suppe soll locken", erklärt Andrea Lachner, Fachdienstleiterin der Rentabel-Kaufhäuser. Ziel des Projekts ist es, Jugendliche aufzufangen, die "durchs Netz gefallen sind", wie Lachner es nennt. Damit gemeint seien jungen Menschen, die nicht zur Schule gehen, keine Ausbildung haben, aber auch nicht beim Jobcenter oder sonst wo gemeldet sind. "Oft sind sie zwischen 15 und 25 Jahre alt, aus bildungsfreien Schichten mit Migrationshintergrund", stellt Reiml fest. Viele gehören der "Generation Arbeitslosigkeit" an, deren Eltern schon arbeitslos waren. Diese Generation wolle man jetzt abholen und auf sie zugehen, bevor sie selbst zum Jobcenter kommen. "Denn wenn sie sich bei uns für Hartz IV melden, sind sie schon in den Strukturen gefangen", bestätigt auch Raphael Steinberger, Teamleiter für Markt und Integration beim Jobcenter.

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Die Jugendlichen "auf die Spur bringen"

Die zwei pädagogischen Arbeitsanleiter, die am Freitag zum ersten Mal und von kommendem Jahr an zweimal wöchentlich mit dem Suppenmobil durch Freising fahren, sollen die Jugendlichen deshalb präventiv "auf die Spur bringen", wie Reiml es nennt. "Behördenvertreter wie wir wären an dieser Stelle völlig falsch. Mit uns verbinden sie Enttäuschungen, von denen sie im Leben schon viele erlebt haben."

Wie genau die Pädagogen Mario Altmann und Robert Maier diese Weichenstellung mit der Suppenausgabe erreichen können, dafür gibt es kein genaues Konzept. Die nächsten Monate sollen eine Testphase sein: Wie wird das Angebot angenommen, über welche Themen wird gesprochen? "Prinzipiell sind wir für alles offen, wollen auf jeden Bedarf eingehen", ist für Lachner von der Caritas klar. "Ob sie Hunger haben, eine Bleibe brauchen oder Klamotten." So könne sie sich zum Beispiel vorstellen, immer ein paar Sachen aus dem Rentabel mit in das Suppenmobil zu packen. Auf lange Sicht solle außerdem noch ein Sozialpädagoge vom Jugendamt mit ins Boot geholt werden. Bisher warte man noch darauf, dass das Projekt im Jugendhilfeausschuss diskutiert werde, dann sollte grünes Licht kommen. "Auch mit Schuldner- und Suchtberatung wollen wir zusammenarbeiten", ergänzt Jobcenter-Geschäftsführer Reiml.

Nach einem Jahr will man Kassensturz machen

Am Freitag ist Robert Maier aber erst einmal noch alleine unterwegs und hat nur Punsch und Kekse an Bord der roten Ape. Damit fährt er dann die Brennpunkte am Bahnhof, am Tollhaus Lerchenfeld und die Katharina-Geißler-Straße an, um mit den Jugendlichen zu reden. Und auch, um ihnen zu sagen: "Geht zur Berufsberatung, zum Jugendamt oder zum Buchcafé Etappe", so Bernhard Reiml. Den Streetworkern wolle man mit dem Projekt nicht die Arbeit wegnehmen, auch mit ihnen stehe man im Austausch. "Wir wollen einen sanften Einstieg bieten: Vielleicht haben die Jugendlichen ja mal Lust, zur Etappe zu kommen und die Suppe mitzukochen", bestärkt Lachner. Denn dort machen sie von sofort an allwöchentlich die Suppe, mit der das Mobil "My Way" dann umherfährt.

Das Pilotprojekt soll jetzt zunächst erprobt und getestet werden. Nach einem Jahr will man dann Kassensturz machen, sagt Reiml. Und sehen: Lohnt sich das Projekt? Lässt es sich sogar noch ausweiten?

© SZ vom 20.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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