Studie:Die Häftlinge im Dachauer Pfarrerblock

Die Historikerin Rebecca Scherf hat neue Aspekte des Verhältnisses von evangelischer Kirche und Naziregime erforscht

Die Verstrickung der Kirchen in den Nationalsozialismus, besonders der Evangelischen Kirche sind kein Tabuthema mehr, aber als ganz aufgearbeitet kann sie auch nicht bezeichnet werden. Kirchenrat Björn Mensing von der Versöhnungskirche an der KZ-Gedenkstätte Dachau erforscht zurzeit im Auftrag der Landeskirche den Umgang mit Nazis, die nach 1945 in seiner Kirche Zuflucht und Auskommen fanden. Andererseits wurden nicht wenige Pfarrer von den Nazis in Gefängnisse und Konzentrationslager deportiert - sie erlitten ein schreckliches Schicksal.

Es gibt unterdessen weitere Studien, etwa die von Rebecca Scherf, die in ihrer Doktorarbeit wesentliche Aspekte des Verhältnisses von evangelischer Kirche zum KZ-System der Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1945 erforscht hat. Ihre Studie wird in der Versöhnungskirche am Donnerstag, 31. Januar, um 19.30 Uhr vorgestellt. Der Wissenschaftlerin geht es um den Widerstand und die Gegnerschaft einzelner Priester gegen das Naziregime. Bis 1937 duldete die SS noch kirchliche Seelsorge in den Lagern. Andererseits wurde bereits im März 1933 der erste evangelische Pfarrer aus politischen Gründen in KZ-Haft genommen, bis März 1945 waren es insgesamt 71 deutsche Geistliche. In einem Überblick dokumentiert die Autorin erstmals alle diese Geistlichen. Ein Großteil der Inhaftierungen erfolgte 1935 und 1941/42, zumeist in den Lagern Sachsenburg und Dachau.

Auf der Grundlage von Tagebucheinträgen und Predigten wird das protestantische Leben der Geistlichen im Dachauer Pfarrerblock rekonstruiert - eine wichtige Ergänzung zu den bereits vorliegenden Studien zu den katholischen Priestern, die mit mehr als 90 Prozent die große Mehrheit der Geistlichen im Konzentrationslager Dachau stellten. Die Arbeit von Rebecca Scherf wurde in diesem Jahr mit dem Wilhelm Freiherr von Pechmann-Preis 2018 ausgezeichnet.

Zur Buchvorstellung hat Björn Mensing, Beauftragter der Landeskirche für Gedenkstättenarbeit, ein Zeitzeugengespräch organisiert. Heinz H. Niemöller, der am 6. Januar 1924 geboren wurde, wird an diesem Abend erzählen. Er durfte mit einer Ausnahmegenehmigung sogar einmal seinen Vater, Pfarrer Martin Niemöller, im KZ Dachau besuchen.

An dem Abend spricht Rebecca Scherf, Kirchenhistorikerin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, über ihre Arbeit. Außerdem wird noch Irmgard Schwaetzer, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, erwartet und ein Grußwort sprechen. Die Moderation übernimmt Kirchenrat Björn Mensing.

Rebecca Scherf: "Evangelische Kirche und Konzentrationslager (1933-1945)", Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte Reihe B: Darstellungen, Band 71, Vandenhoeck & Ruprecht Verlage, Göttingen - ISBN: 978-3-525-57057-9, 296 Seiten, gebunden, 60 € (als E-Book 49,99 €)

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