Feuerwehr:Pflicht zum Löschen

Feuerwehr warnt vor Gefahren

Feuerwehrleute in Ahrensburg, Schleswig-Holstein, bei einer Übung - es gilt, das Feuer in einem nachgebauten Wohnzimmer zu löschen.

(Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)
  • Die Freiwillige Feuerwehr in Grömitz an der Ostsee hat Nachwuchssorgen. So massiv, dass die Gemeinde nun überlegt, eine verpflichtenden Feuerwehrdienst einzuführen.
  • Die Brandschutzgesetze der Länder verpflichten auch kleinere Orte dazu, eine Löschtruppe zu unterhalten.
  • Von mehr als 20 000 Feuerwehren sind nur 10 Pflichtfeuerwehren.

Von Thomas Hahn, Hamburg

Björn Sachau hat die Erfahrung gemacht, dass man seine Pflicht am besten freiwillig tut. Sachau ist Feuerwehrführer in der Ostseegemeinde Grömitz, ein überzeugter Vertreter des ehrenamtlichen Feuerwehrbetriebs, und es gefällt ihm eigentlich nicht, dass die Grömitzer Gemeindevertretung beschlossen hat, neben der freiwilligen Feuerwehr eine Pflichtfeuerwehr einzurichten. "Freiwillige sind viel motivierter als jemand, den man zwingt", sagt Sachau.

Trotzdem findet er den Grundsatzbeschluss richtig und steht auch zu den Satzungen der neuen Pflichteinheiten in den sechs Grömitzer Ortsfeuerwehren, welche die Gemeindevertretung ebenfalls verabschiedete. Es geht nicht anders. Es fehlen Leute. Die Grömitzer Feuerwehr arbeitet an der Grenze ihrer Belastbarkeit.

Drei der sechs Ortsfeuerwehren auf dem Gebiet der 7700-Einwohnergemeinde leiden unter Personalmangel. Die größte Wache in Grömitz müsste mit 63 Kräften besetzt sein, hat aber nur 35. Nach den Brandschutzgesetzen der Bundesländer hat aber jedes noch so kleine Dorf eine schlagkräftige Feuerwehr zu unterhalten. Das Prinzip der Freiwilligkeit hat sich dabei zum Rückgrat des Brandschutzes entwickelt, weil man früh feststellte, dass die Pflicht mehr mürrische als leidenschaftliche Brandschützer hervorbrachte.

Nicht jeder mag ein Lebensretter sein

Doch Freiwilligkeit birgt immer auch das Risiko des Personalmangels, weil die Leute sich ja ebenso für ein anderes oder gar kein Ehrenamt entscheiden können. Und nicht jeder kann oder mag sich zu allen Tages- und Nachtzeiten für lebensrettende Einsätze bereithalten. Längst werben die Feuerwehren deshalb aktiv um Nachwuchs, lancieren Imagekampagnen, nutzen Netzwerke, schaffen Kooperationen mit dem Handwerk oder Bauhöfen, versuchen, dem Vorurteil entgegenzuwirken, Feuerwehren seien ein Hort für schale Brauchtumspflege und Rechtsradikale. Das scheint sich auszuzahlen. In Schleswig-Holstein zum Beispiel meldet Holger Bauer, Sprecher der Landesfeuerwehr, "leicht steigende Mitgliederzahlen", nachdem der Trend jahrelang negativ war.

Auch die Gemeinde Grömitz mit dem parteilosen Bürgermeister Mark Burmeister versuchte lange, den Einheimischen das Ehrenamt schmackhaft zu machen: mit Plakataktionen, Einzelgesprächen, Jobangeboten, Vergünstigungen wie freies Parken oder freien Eintritt im Erlebnisbad Grömitzer Welle. Vergeblich. Die Pflichtfeuerwehr ist das letzte Mittel, das den Brandschutz gewährleisten soll. "Es bleibt nichts anderes übrig", sagt Sachau.

Silvia Darmstädter, Sprecherin des Deutschen Feuerwehrverbandes, sieht die Situation gelassen: "Es gibt in ganz Deutschland fast 23 000 Feuerwehren. Weniger als zehn davon sind Pflichtfeuerwehren." Grömitz? Bezeichnet sie als "Einzelfall". Auch Landesfeuerwehr-Sprecher Bauer verwahrt sich gegen den Eindruck, Schleswig-Holstein sei ein Land in Feuerwehrnot, bloß weil es auch in List auf Sylt, in Friedrichstadt/Nordfriesland und Burg/ Dithmarschen schon Pflichtfeuerwehren gibt. Nicht Mitgliederschwund habe dort zu einem gefährlichen Personalmangel geführt, sondern örtliche Streitereien, die inzwischen beigelegt seien.

Während die anderen Pflichtfeuerwehren in Schleswig-Holstein die freiwillige Feuerwehr ersetzen, existieren in Grömitz jetzt beide Versionen nebeneinander. Das ist neu und zeigt, dass die Gemeinde es sich nicht leisten mag, jene zu verprellen, denen die Freiwilligkeit wichtig ist.

Nicht die einzige Gemeinde mit solchen Problemen

Bürgermeister Burmeister kann nun zusätzlich Frauen und Männer im Alter zwischen 18 und 50 zum Brandschutzdienst einbestellen. Diese müssen eine Truppmannausbildung absolvieren wie jeder freiwillige Feuerwehr-Einsteiger. Wer nicht erscheint, muss ein Bußgeld zahlen. Kein Lust zu haben, ist kein Grund. Gesundheitliche oder besondere familiäre Umstände schon eher. "Letztlich muss man von Fall zu Fall entscheiden, wen man verpflichten kann", sagt Sachau, "es gibt dazu keine hundertprozentige Vorschrift."

Björn Sachau sagt: "Wir sind nicht die einzige Gemeinde mit solchen Problemen." Es könnte also sein, dass sich demnächst weitere Pflichtfeuerwehren formieren. Sachau findet das nicht schön. Wenn es nach ihm geht, ist die Grömitzer Pflicht zum Löschen nur ein vorübergehendes Phänomen. "Wir hoffen, dass durch den sanften Druck der eine oder andere merkt, dass der Dienst für die Allgemeinheit auch Spaß machen kann", sagte er. Manche Leute muss man vielleicht erst zwingen zu dem Glück, ein Feuerwehrmensch zu sein.

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