US-Politik:"Mad Dog" tritt ab

  • US-Verteidigungsminister James Mattis will die Alleingänge seines Chefs offenbar nicht mehr mittragen. Er wird seinen Posten verlassen.
  • Trump hatte am Mittwoch quasi im Alleingang entschieden, die noch verbliebenen 2000 US-Soldaten aus Syrien abzuziehen.
  • Medienberichten zufolge will der US-Präsident wohl auch die Hälfte der etwa 14 000 US-Soldaten aus Afghanistan zurückholen.

Von Thorsten Denkler, New York

James Mattis hat es wohl einfach nicht länger ausgehalten. Gut möglich, dass die Spontanentscheidung seines Chefs, US-Präsident Donald Trump, vom Vortag ihm den letzten Stoß versetzt hat, sein Amt als Verteidigungsminister hinzuwerfen. In seinem Rücktrittsschreiben an Trump erklärt Mattis jedenfalls am Donnerstag, Trump habe "jedes Recht auf einen Verteidigungsminister, dessen Ansichten besser mit den Ihren übereinstimmen". Seine Ansicht sei es eben, "Verbündete mit Respekt" zu behandeln. Eine Eigenschaft, die Trump fremd zu sein scheint.

Trump hatte am Mittwoch quasi im Alleingang entschieden, die noch verbliebenen 2000 US-Soldaten aus Syrien abzuziehen. Angeblich, weil der IS besiegt sei. Und die US-Soldaten dort nicht länger gebraucht würden. Außerdem will er wohl auch die Hälfte der etwa 14 000 US-Soldaten aus Afghanistan zurückholen, wie verschiedene Medien berichten.

Mattis ist gegen den Abzug aus Syrien. Und dürfte ähnlich über einen Rückzug aus Afghanistan denken. Seiner Ansicht nach ist der Kampf gegen den IS längst nicht beendet. Mattis soll versucht haben, Trump zu erklären, dass ein Abzug zu mehr Chaos in der Region führen könne. Und dass dies am Ende die USA vor noch größere Probleme stellen werde, als wenn die Truppen vor Ort blieben.

Aber Trump wollte nicht auf Mattis hören. Er hat den früheren Vier-Sterne-General schlicht übergangen. Es ist nicht mal klar, ob Trump Mattis über seine Entscheidung in Kenntnis gesetzt hatte. Mattis, der einst zu den einflussreichen Stimmen in Trumps Kabinett zählte, muss danach klargeworden sein, dass er keinen Zugang mehr zu Trump hat.

Es ist ja nicht seine erste Erfahrung dieser Art. Trump hatte etwa Mattis via Twitter damit überrascht, dass transsexuelle Personen künftig aus dem militärischen Dienst verbannt würden. Er ordnete eine Militärparade an - die jetzt allerdings erst mal gecancelt ist. Er legte sein Veto gegen die Wahl von Mattis für einen neuen Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff ein, dem obersten Soldaten der USA. Und Trump wischte ebenso die Bedenken von Mattis gegen eine Verlegung von Truppen an die Grenze zu Mexiko beiseite. Mattis gehört zudem zu jenen, die äußerst skeptisch sind, ob Nordkorea in absehbarer Zeit sein Atomwaffenprogramm beendet.

Anfangs war Trump noch stolz darauf, wie viele hochrangige Militärs er für den Dienst in seiner Regierung gewinnen konnte. Dazu gehörten etwa Ex-General Michael Flynn als Nationaler Sicherheitsberater, der dann von General H. R. McMaster abgelöst wurde. Den früheren Vier-Sterne-General John Kelly machte er zu seinem Stabschef im Weißen Haus. Jim Mattis wurde Verteidigungsminister. Auf diesen schien Trump besonders stolz zu sein. "Wenn ich einen Film drehen würde, dann würde ich Sie besetzen, General Mattis", hat Trump mal vor Publikum gesagt. Trump redete Mattis auch gerne mit dessen Spitznamen an: "Mad Dog".

Wenn Mattis jetzt allerdings Ende Februar in den Ruhestand geht, dann ist von den ganzen Generälen keiner mehr übrig.

Mattis hatte ähnliche Probleme mit dem Präsidenten wie schon Ex-Außenminister Rex Tillerson oder Stabschef John Kelly, der zum Jahresende geht. Es war auf herkömmlichem Weg über Akten und Papiere kaum möglich, Trump elementare strategische Fragen näherzubringen. Tillerson hatte kürzlich erklärt, Trump lese nicht und müsse ständig vor Entscheidungen bewahrt werden, die in Konflikt mit dem Gesetz stehen würden. Von Mattis wird berichtet, dass er mit leicht verständlichen Karten und Grafiken versucht hat, Trump zu zeigen, warum manche seiner Entscheidungen den amerikanischen Interessen entgegenstehen. Was nicht immer erfolgreich war.

Trumps einsame Syrien-Entscheidung hat Mattis besonders getroffen

In den vergangenen Monaten soll sich Trump gegenüber Mitarbeitern zunehmend beschwert haben, wie uneinig er sich oft mit Mattis sei. Er habe sich immer seltener mit Mattis getroffen. Was den Verdacht nährte, dass die Zeit von Mattis in der Trump-Regierung bald vorbei sein könnte.

Trumps Entscheidung zu Syrien scheint Mattis auf eine besondere Weise getroffen zu haben. Er wird von Mittwoch auf Donnerstag Dutzende Anrufe von Amtskollegen bekommen haben, denen er erklären musste, was nicht zu erklären ist. Und er, Mattis, für vollkommen falsch hält. In diesem Moment kann es nur noch zwei Möglichkeiten geben: mitmachen oder gehen.

Die Gefahr, die Mattis und viele andere sehen, ist, dass mit dem Abzug der USA Russland und Iran an Einfluss in der Region gewinnen könnten. Zugleich schwindet der Druck auf Regimeführer Baschar al-Assad, sich von der Macht zurückzuziehen. Außerdem lässt Trump die kurdischen Kämpfer im Stich, die im Kampf gegen den IS an der Seite der USA standen. Die Türkei wird es freuen, jetzt kann sie ihren Kampf gegen die Kurden ungehindert fortsetzen.

Sogar Außenminister Mike Pompeo und Trumps aktueller Nationaler Sicherheitsberater John Bolton sollen versucht haben, Trump davon abzuhalten. Beide haben kürzlich erklärt, dass es in Syrien um mehr gehe als nur darum, den IS zu vertreiben. Dass Trump auf Pompeo und Bolton nicht hört, ist fast schon verwunderlicher als dass er Mattis ignoriert.

Mit dem angekündigten Abzug aus Syrien löst Trump ein altes Wahlversprechen ein. Dass er damit Syrien in noch tieferes Chaos stürzen könnte und darüber seinen Verteidigungsminister verliert, das scheint ihn nicht zu stören. Einen Nachfolger für Mattis will Trump in den kommenden Tagen benennen.

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