Serie: Frauen machen Politik:Geschlechtergerechtigkeit in Zahlen, Daten und Fakten

Stadtpanorama von München bei Sonnenuntergang

Parität zwischen den Geschlechtern ist in München noch nicht überall erreicht.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Besonders in Parlamenten und Parteien sind Männer deutlich überrepräsentiert. Ein Münchner Überblick.

Von Christian Schlodder und Melanie Staudinger

779 290 Einwohnerinnen

In München leben etwas mehr Frauen als Männer. Von den 1 539 298 Einwohnern sind 779 290 weiblich. Das entspricht einer Quote von ziemlich genau 50,6 Prozent. Mehr Männer als Frauen geben ledig als ihren Familienstand an (52,8 zu 47,2 Prozent). Auffällig ist, dass mehr Frauen als Männer geschieden bleiben (9,3 zu 6,2 Prozent). Besonders groß ist der Unterschied bei verwitweten Menschen. Nur 1,7 Prozent der Männer sind verwitwet, dafür aber 7,2 Prozent der Frauen. Bei den Geburten hingegen haben seit Jahren Jungs die Nase vorne. Wie aus der offiziellen Statistik der Stadt ersichtlich ist, kommen jedes Jahr mehr Jungen als Mädchen auf die Welt. Das statistische Amt erklärt diesen Trend damit, dass zwar gleich viele weibliche wie männliche Embryonen entstehen, über den Gesamtverlauf einer Schwangerschaft aber mehr männliche als weibliche überleben.

287 Mitglieder

Auf den ersten Blick wirkt die Frauenquote in den Bezirksausschüssen ganz ordentlich: 287 der 671 Mitglieder in den 25 verschiedenen Gremien sind weiblich. Das entspricht 42,8 Prozent. Jedoch variiert der Frauenanteil in den einzelnen Bezirksausschüssen doch erheblich. In Laim, Thalkirchen-Obersendling-Fürstenried-Forstenried-Solln, Hadern, Moosach, Neuhausen-Nymphenburg, auf der Schwanthalerhöhe und in Schwabing-West engagieren sich sogar mehr Frauen als Männer. Eher düster sieht es in Altstadt-Lehel und Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt aus, wo nur jedes vierte Mitglied weiblich ist. Auch in Feldmoching-Hasenbergl, Untergiesing-Harlaching, Berg am Laim, Bogenhausen, Milbertshofen-Am Hart und Sendling-Westpark gibt es Aufholbedarf. Hier liegen die Quoten deutlich unter 40 Prozent.

0 Oberbürgermeisterinnen

Seit 1818 regierten im Münchner Rathaus 39 Bürgermeister. Davon durften sich sieben Oberbürgermeister nennen: Karl Scharnagl (CSU, 1945 bis 1948), Thomas Wimmer (SPD, 1948 bis 1960), Hans-Jochen Vogel (SPD, 1960 bis 1972), Georg Kronawitter (SPD, 1972 bis 1978 und 1984 bis 1993), Erich Kiesl (CSU, 1978 bis 1984), Georg Kronawitter (SPD, 1984 bis 1993), Christian Ude (SPD, 1993 bis 2014) und Dieter Reiter (SPD, seit 2014). Beim Lesen der Namen fallen zwei Dinge auf: Nur zweimal hat es ein CSU-Mann auf den Chefposten im Rathaus geschafft. Einer Frau hingegen gelang das bisher noch gar nicht. Bei der Kommunalwahl 2014 trat Sabine Nallinger für die Grünen an, schaffte es aber nicht in die Stichwahl, die Reiter gegen Josef Schmid von der CSU gewann. Bei der nächsten Wahl im Jahr 2020 hingegen sieht Reiter sich gleich mit zwei Frauen konfrontiert: Katrin Habenschaden (Grüne) und Kristina Frank (CSU) wollen beide ins OB-Büro am Marienplatz einziehen.

Im Jahr 1990

Mit Rathaus-Chefinnen kann die bayerische Landeshauptstadt bisher nicht aufwarten. Stellvertreterinnen des Oberbürgermeisters aber gab es sehr wohl. 1990 schaffte es die erste Frau: Sabine Csampai (Grüne) wurde Dritte Bürgermeisterin. Sie bekam 1993 Gesellschaft: Als Christian Ude OB wurde, folgte ihm Gertraud Burkert als Zweite Bürgermeisterin nach. Drei Jahre lang war Ude damit Hahn im Korb, dann verzichtete Csampai auf eine Wiederwahl. Burkert blieb bis 2005. Die dritte Frau kam 2006 ins Amt: Christine Strobl. Sie war bis 2014 Zweite und ist seitdem Dritte Bürgermeisterin.

1 Fraktionsvorsitzende

Der Münchner Stadtrat ist fast vollständig in Männerhand, zumindest was die Riege der Fraktionschefs anbelangt. Nur die Grünen haben eine Doppelspitze mit Katrin Habenschaden und Florian Roth. Die CSU leitet Manuel Pretzl, die SPD Alexander Reissl, die Bayernpartei Johann Altmann und die Fraktionsgemeinschaft aus FDP und Hut Michael Mattar. Macht in der Bilanz fünf Männer und nur eine Frau.

6:7

Wer im Münchner Stadtrat nach vorne blickt auf die Referentenbank, auf der traditionell die sogenannten Stadtminister, also berufsmäßige Stadträte, sitzen, der sieht ein ziemlich ausgeglichenes Geschlechterverhältnis. Sechs Referate werden von Frauen geleitet: das Baureferat von Rosemarie Hingerl, das Kommunalreferat von Kristina Frank, das Referat für Gesundheit und Umwelt von Stephanie Jacobs, das Planungsreferat von Elisabeth Merk, das Referat für Bildung und Sport von Beatrix Zurek und das Sozialreferat von Dorothee Schiwy. Sieben Männer verantworten derweil das Direktorium (Robert Kotulek), das Kreisverwaltungsreferat (Thomas Böhle), das Kulturreferat (Hans-Georg Küppers), das Personalreferat (Alexander Dietrich), das Wirtschaftsreferat (Clemens Baumgärtner), das IT-Referat (Thomas Bönig) und die Stadtkämmerei (Christoph Frey).

Vor fast 34 Jahren

Seit Oktober 1985 gibt es offiziell eine eigene Stelle im Münchner Rathaus, die sich um die Gleichberechtigung von Frauen kümmert: die Frauengleichstellungsstelle. Der Stadtrat hat ihre Einrichtung am 16. Januar 1985 beschlossen, was damals wegweisend war. Denn in keiner anderen Stadt in Bayern gab es damals eine ähnliche Institution. Erst im Mai 1996 trat das Bayerische Gleichstellungsgesetz in Kraft, nach dem in allen größeren Kommunen Gleichstellungsbeauftragte zu benennen sind. Die Mitarbeiterinnen beraten Bürger sowie Beschäftigte der Stadt zum Thema Gleichberechtigung - übrigens auch Männer. Zudem sollen sie geschlechtergerechte Strukturen fördern und entwickeln. Dazu bearbeiten sie Stadtratsvorlagen, beteiligen sich an Personalauswahlverfahren, organisieren Arbeitskreise und Veranstaltungen und erstellen Informationsmaterial.

Baby-Boom in der CSU-Fraktion

9 Babys

In der CSU-Fraktion ist der Baby-Boom ausgebrochen: 50 Kinder haben die CSU-Stadtratsmitglieder insgesamt, allein in den vergangenen vier Jahren kamen neun Babys auf die Welt. Anlass genug für die Fraktion, sich für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und kommunalem Mandat einzusetzen. Der klassische Mutterschutz und die Elternzeit sind für Stadtratsmitglieder verfassungsrechtlich nicht möglich, denn sie können ihr Mandat nicht ruhen lassen. Im vergangenen Juli hat der Stadtrat eine Mutterschutz-Regelung beschlossen. In der Geschäftsordnung steht seither: "Beantragt ein weibliches Stadtratsmitglied eine Befreiung von der Pflicht zur Sitzungsteilnahme, ist diese vom Oberbürgermeister zu gewähren." Wer mehr Frauen in der Politik wolle, müsse konkrete Maßnahmen ergreifen, sagte Kristina Frank, damals stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CSU und heute Kommunalreferentin sowie OB-Kandidatin.

26,8 Prozent

Die Frauenquote im Maximilianeum ist kein Ruhmesblatt. Seit November sind nur 55 von 205 Abgeordneten weiblich und damit so wenige, wie schon seit den Neunzigerjahren nicht mehr. Das liegt zum einen daran, dass die AfD erstmals in den Landtag einzog - mit 20 Männer und darunter sind aber nur zwei Frauen. Auch bei den Freien Wählern finden sich unter den 27 Abgeordneten nur sechs Politikerinnen. Die Münchner wählten ebenfalls eher Männer als Frauen. In den neun Wahlkreisen im Stadtgebiet setzten sich nur zwei Frauen direkt durch: Katharina Schulze und Gülseren Demirel, beide von den Grünen. Über die Liste zogen Susanne Kurz (Grüne), Ruth Waldmann und Diana Stachowitz (beide SPD) sowie Julika Sandt (FDP) ein. Bei den Männern sieht die Bilanz besser aus: Ganze sieben Direktmandate sicherten sie sich in München. Über die Liste gelang neun weiteren der Einzug ins Maximilianeum. Macht sechs Frauen und 16 Männer bei 22 Mandaten.

41,3 Prozent

Im Vergleich zum Bayerischen Landtag ist der Münchner Stadtrat nahezu vorbildlich. Mit einem kleinen Einbruch im Jahr 2008 steigt die Frauenquote dort kontinuierlich seit den Siebzigerjahren an. Im ersten Stadtrat, gleich nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1945, saß lediglich eine einzige Frau im Gremium: Zita Zehner. Sie wurde gemeinsam mit 35 weiteren ehrenamtlichen Mitgliedern vom damaligen Oberbürgermeister Karl Scharnagl in das provisorische Gremium berufen. Erst im Frühjahr 1946 durften die Bürger ihrer Vertreter auf kommunaler Ebene wieder selbst wählen - prompt war der Frauenanteil deutlich höher.

Dass die Zahl der Frauen im Stadtrat relativ hoch ist, liegt nicht nur daran, dass München eine Großstadt ist. Viele Parteien wie die CSU, die SPD, die Grünen oder die Linken haben Quoten, damit auf ihren Wahllisten Frauen auch auf aussichtsreichen Plätzen stehen und gewählt werden.

3 Parteichefinnen

Die politischen Parteien werden überwiegend von Männern geführt. Es existieren aber drei Ausnahmen. Die Münchner SPD hat eine Frau an der Spitze, die Bundestagsabgeordnete Claudia Tausend wurde erst kürzlich im Amt bestätigt. Immerhin Doppelspitzen haben die Grünen mit Gudrun Lux und Sylvio Bohr sowie die Linke mit Nicole Gohlke und Ates Gürpinar. Bei der CSU ist hingegen ein Mann alleine an der Spitze: der frühere Kultusminister Ludwig Spaenle. Die Freien Wähler haben Kultusminister Michael Piazolo als Vorsitzenden, die FDP hat Fritz Roth zum Stadtchef gewählt. Bei der AfD gibt es keinen alleinigen München-Chef, wohl aber vier männliche Kreisverbandsvorsitzende: Markus Walbrunn, Michael Groß, Wilfried Biedermann und Wolfgang Wiehle.

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