Medien:"Spiegel" will Anzeige gegen Relotius erstatten

Der Spiegel Admits Fabricated Reporting By Star Reporter

Das Redaktionsgebäude des Spiegel in Hamburg.

(Foto: Morris MacMatzen/Getty Images)
  • Der Spiegel-Reporter Claas Relotius soll Spendengelder gesammelt haben, die auf seinem Privatkonto landeten. Das Magazin will deshalb Strafanzeige erstatten.
  • In dieser Woche war bekannt geworden, dass Relotius zahlreiche Geschichten und Interviews gefälscht hat.

Der Spiegel hat neue Vorwürfe gegen Claas Relotius veröffentlicht. Der Reporter des Magazins soll nicht nur in großem Umfang Geschichten gefälscht, sondern auch auf dubiose Weise das Mitleid der Leser ausgenutzt haben. In der am Abend veröffentlichten Meldung heißt es, Relotius habe Leserinnen und Leser privat zu Spenden für Protagonisten aufgerufen. Das Geld soll auf seinem Privatkonto gelandet sein. Der Spiegel will deshalb Strafanzeige erstatten. Unklar sei, wie viele Leser auf den Spendenaufruf reagiert hätten, wie viel Geld geflossen und wofür es verwendet worden sei. Die Redaktion sei über diese Spendenaktion nicht informiert worden.

Dabei ging es offenbar um Protagonisten der Reportage "Königskinder", die im Sommer 2016 im Spiegel-Magazin erschien. Sie handelt von einem Geschwisterpaar, das vor dem Krieg in Syrien geflohen sei und als Waisen in der Türkei auf der Straße gelebt habe. Für diese Kinder soll Relotius die Spenden gesammelt haben - und später in einem Buch berichtet haben, dass er sie zu einer deutschen Familie vermittelt habe, die die beiden Geschwister schließlich adoptierte. Inzwischen wurde jedoch bekannt, dass es bei der Beschreibung der Geschwister einige Ungereimtheiten gibt. Details der Biografie des Jungen sollen nicht stimmen; der Spiegel prüft nach eigenen Angaben, ob seine beschriebene Schwester überhaupt existiert. Relotius habe sich zu den neuen Vorwürfen noch nicht geäußert.

Designierter Chefredakteur kündigt "Neuaufstellung" an

In dieser Woche war bekannt geworden, dass Relotius zahlreiche Reportagen und Interviews gefälscht hat. Betroffen ist hauptsächlich der Spiegel, wo er zunächst als freier Autor und später als Redakteur arbeitete. In seiner Zeit als freier Journalist erschienen aber auch manipulierte Stücke in anderen Medien, unter anderem 2015 zwei Interviews im SZ-Magazin.

Unterdessen hat der designierte Chefredakteur des Spiegel, Steffen Klusmann, interne Konsequenzen angekündigt. "Wir als Macher des Spiegel müssen einräumen, dass wir in einem erheblichen Ausmaß versagt haben", schreibt er in einer am Abend veröffentlichten Mitteilung. Die Redaktion des Spiegel sei im Umgang mit Relotius so blauäugig gewesen, "wie wir das bei Recherchen nie akzeptieren würden".

Eine Kommission soll nun das Ausmaß der Fälschungen und des Versagens der Kontrollmechanismen aufarbeiten. Das könnte mehrere Wochen oder gar Monate dauern. Dabei wolle man nicht "mit jedem Fitzelchen" an die Öffentlichkeit gehen, schreibt Klusmann, sondern die Zwischenberichte und eine abschließende Untersuchung präsentieren. Anschließend werde die designierte Chefredaktion an einer "Neuaufstellung" des Spiegel arbeiten. Auch personelle Konsequenzen schließt Klusmann nicht aus: "Wer Verantwortung zu tragen hat, wird sie tragen."

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