MAN-Anlage in Karlsfeld:Hochwassergefahr

Erst als Bürger Alarm schlagen, wehrt sich die Gemeinde Karlsfeld gegen eine Brunnenwasseranlage von MAN

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Viele Karlsfelder sind sehr beunruhigt: Hochwasser hat hier fast jeder schon erlebt - nicht wenige im eigenen Keller. Eine Erfahrung, die keiner noch einmal machen möchte. Umso größer ist das Entsetzen, als Joachim Stärk im Juni per Zufall mitbekommt, dass die Stadt München der Firma MAN Truck & Bus erlauben will, im großen Stil Grundwasser aus dem Boden zu entnehmen und später an der Grenze zu Karlsfeld leicht erwärmt wieder zurückzuführen. "Das ist eine Katastrophe", sagt der Ingenieur. Denn wenn pro Tag bis zu 78 900 Kubikmeter Wasser an einer Stelle in den Boden geleitet werden, habe dies einen Anstieg des Grundwasserspiegels zur Folge. Normalerweise wäre eine Erhöhung von bis zu 50 Zentimetern nicht schlimm, aber Karlsfeld liegt im Moorgebiet und der Grundwasserspiegel ist ohnehin schon relativ knapp unter der Oberfläche.

"Künftig muss man bei jedem Starkregen, der länger anhält, Angst haben, dass die Keller überflutet werden", klagt Stärk. Er schlägt so laut Alarm, dass sich im Nu eine Bürgerinitiative gründet, die wild entschlossen ist, sich gegen die Genehmigung zu wehren.

Bürgermeister Stefan Kolbe gerät in Bedrängnis, denn seine Verwaltung hatte dem Vorhaben ebenso zugestimmt wie das Landratsamt. Obwohl beide Behörden um die prekäre Situation Karlsfelds wissen. Die Empörung unter den Häuslebesitzern ist groß. Und sie wächst noch, als der Rechtsanwalt der Gemeinde behauptet, dass die Kommune nichts dagegen tun könne, da sie nicht betroffen sei. Die Bürger müssten selbst vor Gericht ziehen. "Da kann ich meine Immobilie ja gleich verkaufen", schimpft Stärk, der von seinem Anwalt bereits gewarnt worden war, dass die Sache teuer und aussichtslos sei. Erzürnt sammeln die Karlsfelder Unterschriften, 700 sind es inzwischen. Kolbe merkt, wie die Stimmung immer mehr kippt. Er erhebt dennoch Klage. Die Karlsfelder können aufatmen - zumindest vorerst, denn die Genehmigung entfaltet so keine Wirksamkeit. Die Brunnenwasseranlage, mit der MAN sowohl Produktion als auch Gebäude umweltfreundlich kühlen wollte, bleibt ungenutzt.

Etwa 2250 Tonnen Kohlendioxid wollte der Nutzfahrzeughersteller mit der neuen Technik einsparen und so zur "grünen Fabrik" werden. Jetzt muss vorerst weiter mit Strom gekühlt werden. Das konterkariert das Konzept des Unternehmens und kostet auch einiges mehr. Bei MAN ist man darüber natürlich wenig begeistert. Auch in der Landeshauptstadt ist die Freude getrübt, denn München strebt Klimaneutralität an, bis 2050 sollen nur noch geringfügig Treibhausgase ausgestoßen werden. Die Brunnenwasseranlage von MAN wäre ein bedeutender Schritt in diese Richtung gewesen. Doch München zeigt sich einsichtig und gesprächsbereit.

MAN, das Wasserwirtschaftsamt, die Stadt München, Landratsamt Dachau sowie Gemeinde Karlsfeld und sogar die Regierung von Oberbayern suchen derzeit gemeinsam nach Lösungen. Der Nutzfahrzeugehersteller soll ein Konzept entwickeln, wie die Anlage genutzt werden kann, ohne dass Nachteile für die Karlsfelder entstehen, wenn Extremwetterlagen herrschen. Ein externer Gutachter prüfe derzeit die Ideen von MAN, berichtet Kolbe. Den Vorschlag von Bernd Rath (Bündnis für Karlsfeld), das Wasser nicht auf dem Firmengelände zurück in den Boden zu leiten, sondern im Krenmoos oder Schwarzhölzl, wo laut moorökologischem Gutachten von Austrocknung bedrohte Gebiete seien, hält die Regierung zwar für "interessant", aber nicht für praktikabel. Dies sei "keine kurzfristige Lösung", erklärt ein Sprecher. Dazu seien größere ökologische und wasserhaushaltliche Untersuchungen erforderlich. Im Januar soll es eine Bürgerinformation zu diesem Thema geben.

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