Gastbeitrag:Das Komische in der Politik

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Was Merkel und Maas, Nahles und Seehofer wirklich verbindet: Die Gabe, gespannte Erwartungen in ein Nichts zu verwandeln. Komisch an der Politik ist vor allem ihre Ernsthaftigkeit.

Von Bruno Jonas

Im "Ministerium für komische Gänge" schleichen die Menschen in Ausfallschritten dahin, sie tapsen, tippeln, trampeln, hüpfen. Leider gibt es bei uns kein "Ministry of Silly Walks", wie im Sketch der Monty Python. Auch nicht in Great Britain, wo es aber doch eine tanzende Prime Ministerin gibt. Es gibt aber auch in Deutschland einen Minister, über dessen komischen Gang wir sehr viel über ihn erfahren können. Heiko Maas! Er nimmt sich und sein hohes Außenministeramt sehr ernst. Er kommt irgendwo von hinten nach vorne, geht entschlossen auf die Kamera zu und wirkt dabei wie ein Erstkommunikant, der seine Kerze vergessen hat und das nun überspielen muss. Seine Komik entzündet sich an seiner körperlichen Steifheit. Maas spielt Größe!

Das Komische in der Politik manifestiert sich im betont Ernsten. Gerede, Getue und Gehabe signalisieren höchste Wichtigkeit, dafür hat nicht nur Maas ein Talent. Wir Bürger erwarten ja auch von den Politkern, dass sie ihr demokratisches Geschäft ernsthaft betreiben. Wir machen am Wahltag unser Kreuz nicht bei Komikern, wenigstens nicht bewusst.

Viele Politiker werden mit diesen hohen Erwartungen gut fertig. Es gibt aber Einzelbegabungen, die das komische Potenzial nutzen, das ihnen ihr hohes Amt bietet. Andrea Nahles zum Beispiel mit ihrer Gesangseinlage im Bundestag, als sie Pippi Langstrumpf spielen wollte und keinen einzigen Ton traf. Oder Horst Seehofer, der in diesem Genre Großes geleistet hat, als er verkündete, dass Hans-Georg Maaßen ein überaus geeigneter Mann für vieles sei. Seehofer, der Schelm, brachte Merkel und Nahles dazu, in seiner Commedia dell'Arte alla bavarese mitzuspielen.

Warum gedeiht Komik im politischen Raum so gut? Immanuel Kant bietet eine gute Erklärung dafür. Alle Komik werde hervorgerufen durch "die plötzliche Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts," schrieb er. Je höher also die Erwartungen, desto größer die Chancen zur plötzlichen Verwandlung in ein Nichts. Martin Schulz wollte hoch hinaus, doch seine Ambitionen verpufften. Die Komik seiner Volten erreichte ihren Höhepunkt, als er gegen sein Versprechen, nicht ins Kabinett einzutreten, plötzlich dem Land als Außenminister dienen wollte. Erwartung verwandelte sich ins Nichts; auch Friedrich Merz hat dies gerade erst erfahren.

Die Topkomikerin auf diesem Feld ist jedoch Angela Merkel. Sie beherrscht alle Register des komischen Auftritts. Sie wüsste sich auch auf dem Catwalk zu bewegen, so, wie sie eine Ehrenformation der Bundeswehr abschreitet. Ihre Mimik, ihre Gesten, ihr Auftreten bilden ein Gesamtkunstwerk. Um das klarzustellen: Ich finde Angela Merkel komisch, aber nicht lächerlich. Im Gegenteil, sie bewahrt in ihrer Komik immer ihre Würde. Als Merkel erstmals zur Kanzlerin gewählt wurde, schlug ihr Skepsis entgegen. Die Kanzlerschaft verlangt in den Augen der Leute Charisma, sie aber verweigerte sich von Anfang an diesen Erwartungen. Als am Wahlabend bei der sogenannten Elefantenrunde Gerhard Schröder ziemlich uncharmant Merkel anpflaumte, da entfaltete sie die volle Kraft ihres Stils. Sie schenkte Schröder einen mitfühlenden Blick und schwieg vielsagend. Ihre Miene zeigte Erstaunen. Und dann passierte die plötzliche Verwandlung einer Erwartung ins Nichts. An diesem Abend wurde ich zum Fan der Merkel'schen Komik.

Auch als Horst Seehofer Angela Merkel auf dem Parteitag der CSU öffentlich wie ein Schulmädchen vorführte, brachte sie ihr komisches Talent zum Einsatz. Merkel kommentierte Seehofers Worte mit amüsierten Blicken, legte den Kopf zur Seite, senkte den Blick, stand einfach nur da. Irgendwann hatte das komische Spiel ein Ende. Merkel ging ab und hatte alle Sympathien auf ihrer Seite. Und Seehofer war der Depp.

Biegen ist komischer als Brechen! So zitierte Robert Gernhardt einst den Filmkomiker W. C. Fields. Der Bruch markiert eine Trennung; komisch ist dabei allenfalls der Versuch, die ursprüngliche Gestalt wiederherzustellen. Das Verbogene hingegen bleibt als verunstaltetes Ganzes erhalten und ist deshalb immer komischer als das Zerbrochene. Politiker, die sich verbiegen können, sind komischer als solche, die den Bruch betreiben.

Merkel, Nahles und Söder sollten sich auf ein Ministerium für komische Gänge einigen. Andrea Nahles wäre da keine schlechte Ministerin.

Bruno Jonas , 66, ist Kabarettist.

© SZ vom 31.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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