Ein Annus horribilis liegt hinter der Bundeskanzlerin, ein fürchterliches Jahr. 2018 hat Angela Merkel nicht nur den CDU-Parteivorsitz abgegeben, selbstbestimmt, aber unter Druck. Nach den Wahlniederlagen der CDU in den Ländern, nach schärfsten Auseinandersetzungen mit Horst Seehofer in der Migrationsfrage, nach Autoritätsverlust der großen Koalition und Rechtsruck hat sich im Land ein ätzender Ton breitgemacht. Gleichzeitig schwindet Merkels Kraft, Autokraten wie Donald Trump, Wladimir Putin oder Recep Tayyip Erdoğan in die Schranken zu weisen.
In ihrer Neujahrsansprache hat Merkel gar nicht erst versucht, Rückschläge schönzureden. In nachdenklichen, streckenweise fast niedergeschlagenem Ton hat die Wir-schaffen-das-Kanzlerin ein "überaus schwieriges politisches Jahr" eingeräumt. Staatsdiener hätten sich zu prüfen, ob sie alles in ihrer Macht Stehende für den inneren Frieden des Landes getan hätten. Für sich selbst habe sie das getan und Konsequenzen gezogen. Was Merkel nicht sagte, aber zu verstehen gab: Auch andere hätten Grund zu Selbstprüfung und Rückzug.
Merkels Deutschland am Ende des Jahres 2018 ist ein Land, in dem vermeintlich Unverrückbares verrückt worden ist: die Überzeugung etwa, welche Lehre aus zwei Weltkriegen zu ziehen sei. Die Gewissheit, dass die internationale Gemeinschaft demokratischer Staaten trägt. Auch an die "Schicksalsfrage" des Klimawandels hat die Kanzlerin erinnert. Angela Merkel ist weit gegangen. Am Ziel ist sie nicht.