Brasilien:Bolsonaros Plan

Bolsonaro Brasilien Präsident

Bolsonaro will die progressiven Reformen seiner Vorgänger rückgängig machen.

(Foto: AFP)

An Neujahr übernimmt in Brasilien ein Rechtsextremer das Präsidentenamt. Er will Polizisten einen Freifahrtschein zum Töten ausstellen, Vergewaltiger kastrieren lassen und das Fach Sexualkunde abschaffen.

Von Benedikt Peters

An Neujahr dürfte es schöne Bilder aus Brasilia geben. Jair Bolsonaro, der neue Präsident, wird laut Protokoll in einer Luxuskarosse durch das Regierungsviertel der brasilianischen Hauptstadt gefahren werden. Gemeinsam mit seiner Frau Michelle soll er in die Menge winken und dann schließlich offiziell die Amtsgeschäfte übernehmen, so ist es geplant. 500 000 Unterstützer Bolsonaros sollen nach Brasilia kommen, um dem neuen Präsidenten zuzujubeln.

Weniger sichtbar werden diejenigen Brasilianer sein, die sich ob Bolsonaros Amtsübernahme allergrößte Sorgen machen. Der rechtsextreme Politiker hat die Wahl im Herbst mit einer beispiellosen Hetzkampagne, mit Tabubrüchen und gnadenloser Polarisierung gewonnen - und alles spricht dafür, dass er als Präsident genau da weiter machen wird, wo er im Wahlkampf aufgehört hat. Er steht für eine Politik, die manche Brasilianer frenetisch bejubeln - und die andere gnadenlos ausschließt.

Eines der Kernthemen, die Bolsonaro in den Präsidentenpalast gespült haben, ist die öffentliche Sicherheit. Hunderttausende Brasilianer wurden in den letzten Jahren getötet, viele von ihnen durch Schusswaffen. Die linken Regierungen Lula da Silvas und Dilma Rousseffs bekamen das ebenso wenig in den Griff wie ihr unbeliebter rechtskonservativer Nachfolger Michel Temer. Den letzten Homizid-Rekord gab es erst 2017.

Brasiliens neuer Präsident will abschrecken

Bolsonaro will der Gewalt mit Gewalt begegnen. Jeder Brasilianer soll eine Waffe tragen dürfen, um sich zu verteidigen. "Waffen sind Instrumente, leblose Objekte, die man zum Töten benutzen kann - aber auch zum Retten von Leben", heißt es in seinem Regierungsprogramm. Mitglieder der brasilianischen Polizei - die in der Vergangenheit zu einem wesentlichen Teil für das Ausmaß der Gewalt verantwortlich war - sollen eine Art Freifahrtschein bekommen. Er sieht vor, dass Polizisten nicht juristisch verfolgt werden können, wenn sie bei der Arbeit Verdächtige töten.

Brasiliens neuer Präsident will abschrecken, so auch mit seiner Ankündigung, das Erwachsenenstrafrecht solle künftig schon ab 16 Jahren angewendet werden. Häftlingen soll das Recht auf Freigang gestrichen werden. Verurteilten Vergewaltigern droht er mit Kastration. Haus- und Landbesetzungen von Aktivisten soll mit Terrorismus gleichgesetzt werden, Höchststrafe: 30 Jahre Haft.

Ein zweiter elementarer Baustein von Bolsonaros Erfolgsgeschichte ist das Wettern gegen alles, was anders ist als er, also weiß, männlich, heterosexuell. Er schimpfte auf Schwarze, Indigene, auf Frauen und nicht zuletzt auch auf Homosexuelle - und holte damit etliche Millionen Brasilianer ab, denen zum Beispiel Genderfragen verhasst sind. So zog er auch die starken evangelikalen Kirchen auf seine Seite. "Brasilien über alles - Gott über allen" - mit diesem Slogan ist sein Regierungsprogramm überschrieben.

Der Rechtsaußen hat es sich zur Aufgabe gemacht, alles Progressive zurückzudrehen, das seine linken Vorgänger eingeführt haben. Ein Knackpunkt dafür: Brasiliens Schulen, in denen die "Indoktrinierung" und "frühreife Sexualisierung" nach Bolsonaros Willen endlich beendet werden soll. Zu diesem Zweck kommen Fächer auf den Lehrplan, die zuletzt zu Zeiten der Militärdiktatur unterrichtet wurden. Sie heißen zum Beispiel "Moralische und bürgerliche Erziehung". Sexualkunde und Genderthemen sollen dagegen aus dem Unterricht verbannt werden. Lehrern soll zudem verboten werden, ihre politische Meinung im Unterricht zu äußern. Das zielt vor allem auf Anhänger der Linken in der Lehrerschaft. Bolsonaro hat Brasiliens Schüler aufgefordert, ihre Lehrer bei Verstößen zu filmen. In der Hauptstadt jedes der 26 Bundesstaaten soll in den nächsten zwei Jahren eine Militärakademie geschaffen werden. Bolsonaro hat auch versprochen, die Bildungsausgaben allgemein zu erhöhen.

Für die zahlreichen indigenen Völker Brasiliens, die in Schutzgebieten leben, brechen unter dem neuen Präsidenten schwere Zeiten an. "Nicht einen Milimeter mehr" wolle er ihnen Platz geben, sagte Bolsonaro im Wahlkampf. 129 dieser Gebiete sollen überprüft, der Schutzstatus könnte ihnen womöglich entzogen werden. Das passt zu seiner Idee, noch mehr Abholzung im Amazonas-Gebiet zuzulassen, die ohnehin schon ein großes Problem ist.

Für Brasiliens Unternehmer könnte 2019 hingegen ein gutes Jahr werden. Zwar hat Bolsonaro noch als Präsidentschaftskandidat zugegeben, selbst keine Ahnung von Wirtschaft zu haben. Dafür hat er aber den ultraliberalen Paolo Guedes, der ihn im Wahlkampf beriet und nun eine Art Superminister für Wirtschaft und Finanzen werden soll. Er will staatliche Hürden für Unternehmer soweit es geht abbauen.

Guedes ist ein später Vertreter der sogenannten "Chicago-Boys", von ultraliberalen Ökonomen um den US-amerikanischen Professor Milton Friedman, der an der Universität von Chicago lehrte. Die "Boys" haben schon einmal die wirtschaftspolitischen Geschicke eines Staates gelenkt - ab 1973 unter dem Diktator Augusto Pinochet in Chile. Gesundheit, Straßenbau, Schulen und Universitäten wurden dort privatisiert, massive soziale Konflikte prägen das Land bis heute.

In Brasilien dürfte die ohnehin schon riesige Kluft zwischen Arm und Reich noch größer werden - auch wenn Bolsonaro verspricht, an dem einst von Lula aufgelegten Sozialprogramm "Bolsa Familia" festhalten zu wollen. Darüber werden auch die schönen Neujahrsbilder aus Brasilia nicht hinwegtäuschen können.

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