Filmemacherin:Die Komik im Sterben

Pauline Ronneberg Regisseurin Dokumentation

Filmemacherin Pauline Roenneberg taucht komplett in ihre Projekte ein.

(Foto: Stephan Rumpf)

Pauline Roenneberg drehte als Abschlussarbeit an der Filmhochschule eine tragisch-komische Doku über ein Bestatter-Ehepaar. Nun plant sie eine Miniserie, bei der Alte in den Wald abgeschoben werden.

Von Gerhard Fischer

Die Bestatterin Roswitha Schöfl sitzt einem älteren Paar gegenüber, das seine Beerdigung planen will. Die Frau redet, der Mann hockt daneben. Manchmal nickt er. Sie blättert in einem Katalog mit Urnen und sagt: "Die sind alle so schön - da möchte man gleich sterben." Dann sorgt sie sich offenbar, ob alles wie ausgemacht ablaufen wird. Jedenfalls sagt die Frau zu Roswitha Schöfl: "Wir sind ja altersmäßig gleich - werden Sie denn länger durchhalten als ich?"

Die Filmemacherin Pauline Roenneberg, 34, sitzt im Café Vorhoelzer an der TU München. Sie sagt, dieses Gespräch sei ihre Lieblingsszene in ihrer Dokumentarserie "früher oder später". Natürlich liegt das daran, dass sie so komisch ist - Roenneberg nennt sie "eine Loriotszene". Aber sie ist auch tragisch. Als Schöfl nämlich nach den Adressen der Kinder fragt, sagt die Frau barsch: "Kann ich Ihnen nicht geben - wir haben keinen Kontakt".

Da geht die Kamera direkt auf das Gesicht von Schöfl, und man sieht, wie sich ihr ganzes Leid in einem Moment verdichtet. Auch Roswitha Schöfl hat Probleme mit ihren Kindern; sie hat kaum Kontakt. "Da wurde der Konflikt meiner Protagonistin gespiegelt", sagt Roenneberg.

Pauline Roenneberg hat Roswitha Schöfl und ihren Mann Ernst drei Jahre lang begleitet; die Schöfls sind Bestatter und Landwirte in Schönsee in der Oberpfalz. Die Jungen verlassen den kleinen Ort, die Alten bleiben, und zwischen beiden herrscht jene Sprachlosigkeit, die zwischen Traditionalisten und Progressiven, zwischen Nicht-Akademiker-Eltern und Akademiker-Kindern oft besteht. Mitten in den Dreharbeiten übernimmt eine vegane Kommune das Hotel in Schönsee. Das ist ein Glücksfall für die Doku: Hier die urbanen Gefühlsmenschen, die das Landleben romantisieren; dort die Einheimischen, die viel arbeiten, nie Urlaub machen - und wollen, dass alles bleibt, wie es immer war.

In einer Szene redet eine Veganerin über Tiere und ihre Eltern, die Metzger waren. Sie ist betroffen. Sehr betroffen. Unfreiwillig komisch betroffen. Im nächsten Moment sieht man in Großaufnahme, wie die Einheimischen Blutwürste machen. Die Doku sei irre witzig, sagt Roenneberg. "Da ist so viel Situationskomik drin, aber das ist kein Sich-lustig-machen über die Leute." Die Serie ist Roennebergs Abschlussarbeit an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF). Sie hat beim DOK.fest in München den Förderpreis gewonnen; und die Doku lief gerade im BR.

Komik bei der Bestattung

Roenneberg hat das Café Vorhoelzer als Treffpunkt gewählt, weil es gleich bei der HFF liegt und sie als Studentin oft hier gewesen ist. Außerdem arbeite ihr Mann an der TU; er passe während des Gesprächs auf den kleinen Sohn auf.

Es war vereinbart, dass man darüber reden wolle, wie stark die Serie ihre Karriere angeschoben habe; und welche Projekte Pauline Roenneberg plane. Aber es geht schon eine halbe Stunde um "früher oder später" - zu intensiv ist die Doku, zu viel will man darüber wissen, zu sehr hat sich Roenneberg ins Geschehen gestürzt - sie hat, unter anderem, ein Praktikum bei den Schöfls gemacht.

Wie kam es dazu?

"2013 starben zwei meiner Großeltern", sagt Pauline Roenneberg. "Das war sehr schlimm, aber ich suche in solchen Situationen auch immer nach Komik - und fand sie bei beiden Bestattungen." Da trugen etwa ihre Cousins den Sarg und kamen nicht voran, weil eine Frau mit Rollator den Weg versperrte. "Ich fand auch die Figur des Bestatters interessant", sagt sie. "Er muss stets ernst sein und verdient Geld mit dem Tod anderer Menschen."

Erst ein Praktikum, dann der Dreh

Roenneberg fuhr mit ihrer Kamerafrau Zoë Schmederer zur Deutschen Bestatterkonferenz nach Bonn, und danach war klar: Sie möchte für ihre Abschlussarbeit etwas über Bestatter machen. Und sie möchte dafür starke Protagonisten finden. Ein Freund, der aus Schönsee stammt, riet ihr, Roswitha und Ernst Schöfl zu besuchen. Roenneberg und Schmederer machten bei den Schöfls ein Praktikum. "Um zu spüren, wie es ist, jemanden anzukleiden, der tot ist", sagt sie. "Und damit Ernst uns auch ernst nimmt." Roenneberg und Schmederer wohnten nicht bei den Schöfls, sondern in einer Ferienwohnung - und später im Hotel der Veganer. Pauline Roenneberg hört auf zu erzählen. Sie lächelt. "Jetzt haben wir doch wieder so viel über die Serie geredet", sagt sie. Der erste Kaffee ist längst leer. Eine Stunde ist vergangen, sie ist schnell vergangen, und das lag nicht nur am anregenden Inhalt der Serie. Roenneberg erzählt auch kurzweilig, und sie achtet auf ihr Gegenüber: Ist das zu kompliziert? Wollen wir das vertiefen? Sie ist ein Mensch, der zugewandt ist.

Roenneberg sagt, sie müsse jetzt dranbleiben, um den Erfolg von "früher oder später" zu nutzen. "Ich habe nach dem DOK.fest-Preis viele Leute kennen gelernt", erzählt sie. "Stoffe von mir werden künftig hoffentlich gelesen, auch wenn es damit nicht einfacher wird, ein Projekt zu finanzieren." Sie entwickle gerade einen fiktionalen und einen dokumentarischen Stoff. Priorität habe der fiktionale. "Ein Dokumentarfilm zieht viel Energie", sagt Roenneberg. "Man muss emotional ständig bei den Protagonisten sein." Noch heute besucht sie die Schöfls in Schönsee. "Da kann man doch nicht einfach verschwinden." Sie kann das nicht.

Das nächste Projekt ist eine surreale Dystopie

Von Januar an - ihr Mann nimmt dann Elternzeit - kümmert sie sich intensiver um das fiktionale Projekt, das eine surreale Dystopie werden soll, also das Bild einer beschädigten Gesellschaft. Orwells "1984" oder Langs "Metropolis" sind Dystopien. Bei Roenneberg geht es um das Altern, das leider im deutschen Fernsehen zu selten zu sehen sei. Die "vielen tollen alten Schauspieler" bekämen oft Rollen, "in denen sie süß oder tüdelig dargestellt werden".

Mit ihrem Kollegen Felix Bärwald plane sie die Miniserie "Der Milchmann": In einer überzeichneten Zukunft gilt der Generationenvertrag nicht mehr, ältere Menschen werden in Wälder abgeschoben. Zum 70. Geburtstag gibt es von der Familie einen Koffer und vom Staat ein praktisches Wurfzelt. Im Wald stehen dann Automaten mit Milch, die mit Schmerzmitteln angereichert sind - ansonsten sind die Alten auf sich alleine gestellt. Die Hauptfigur ist Franz, ein ehemaliger Milchmann; einer, der sich nichts gefallen lassen will.

"Das klingt düsterer, als es ist", sagt Roenneberg. "Es wird wieder tragisch-komisch."

Woher kommt dieses Faible?

"Meine Großmutter war Engländerin, die hatte viel schwarzen Humor", sagt sie. "Außerdem bin ich Münchnerin, und ich mag den alten bayerischen Humor - zum Beispiel den von Karl Valentin." Sie überlegt kurz. "Vielleicht bin aber einfach nur ich", sagt sie. "Wenn's mir gelingt, gehe ich an schwierige Situationen mit Humor."

Familienstatus: kompliziert, aber mit Humor

Sie komme aus einer komplizierten Familie. "Wir haben alle viel Humor, aber wenn wir diskutieren, erinnert das an Szenen aus dem Film ,Der Gott des Gemetzels'." Der Vater ist Wissenschaftler, die Mutter ist Autorin. Sie führte früher auch Regie. Das wurde weniger, als die Kinder kamen. Pauline Roenneberg, die selbst zwei Kinder hat, will "beides unter einen Hut bekommen".

Als sie klein war, durfte sie wenig fernsehen. Sie gingen oft in die Schauburg, denn die Eltern waren mit dem Intendanten und mit Schauspielern befreundet. Und die Mutter nahm Filme für die Familie auf, Hitchcock, Buster Keaton, Billy Wilder, Klassiker aus den Dreißigerjahren.

Pauline Roenneberg wollte dann Bühnenbildnerin werden. Im Leistungskurs Kunst entwarf sie ein abstraktes Bühnenbild für die Theatergruppe. "Aber der Regisseur wollte unbedingt, dass ich ein konkretes baue", sagt sie. "Und da habe ich gesehen: Wenn ich später beim Theater das Bühnenbild mache, bin ich abhängig von der Vision des Regisseurs." Sie beschloss, selbst Regie zu führen.

Roenneberg war dann Assistentin am Metropoltheater in München. Das sei eine "unglaublich bereichernde Zeit" gewesen, sehr prägend für ihre Art zu erzählen. "Aber ich merkte, dass am Theater alles im Dunkeln stattfindet", sagt sie, "fernab vom Leben draußen". Also ging sie an die Filmhochschule, um Dokumentarfilm zu studieren.

Die vierteilige Serie "früher oder später" ist noch bis Ende Februar in den Mediatheken der ARD und des BR zu sehen.

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