Musik:Zwei ganz normale Ausnahmetalente

Die Jugendlichen Ilia Antoniadis und Levent Geiger aus dem Würmtal feiern als Klavierduo internationale Erfolge. Sogar mit Starpianist Lang Lang sind sie aufgetreten.

Von Blanche Mamer

Als das Gespräch schon fast beendet ist, nimmt Ilia den rotgetigerten Kater Wanja, der sich auf dem Sofa geräkelt hat, auf den Arm, krault ihn zwischen den Ohren und drückt die Nase ins weiche Fell. Und ist plötzlich ein ganz normaler, hoch aufgeschossener Junge, der mit seinem Kater schmust. Minuten davor war er noch der dreizehnjährige Ausnahmepianist Ilia Antoniadis, der jüngere des Piano-Duos Antoniadis-Geiger, das mit dem chinesischen Star Lang Lang aufgetreten ist und international großen Erfolg hat. Sein Ko-Pianist Levent Geiger, 15, beantwortet derweil seine Handy-Anrufe. Mädels seien noch kein Thema, hat er eben noch erklärt, doch so wie seine Augen blitzen, muss das gerade eine sehr anregende Kommunikation gewesen sein.

Seit 2016 begeistern die beiden Jugendlichen aus dem Würmtal die Zuhörer im In- und Ausland. Erst kürzlich im Künstlerhaus in München und davor in der 20-Millionen-Metropole Shenzhen in Nordchina, wo sie mit dem Symphonieorchester das Klavierkonzert für zwei Klaviere von Mozart gespielt und Standing Ovations bekommen haben. Bei einem Konzert hätten sie von Bodyguards über einen Nebenausgang aus dem Saal geführt werden müssen, erzählt Ilia. Es waren einfach zu viele Fans, die einen Blick oder eine Berührung auf die jugendlichen Exoten mit den roten und blauen Hosenträgern erhaschen wollten.

Zwei Nachwuchspianisten aus dem Würmtal

Die Nachwuchspianisten Ilia Antoniadis und Levent Geiger (rechts) aus dem Würmtal sind bereits in China aufgetreten.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ihr Ruhm ist ziemlich schnell gekommen: "Da wir so nah beieinander wohnen, Ilia in Planegg, ich in Stockdorf, hatten wir dieselbe Klavierlehrerin", erzählt Levent. Kennengelernt haben sie sich bei einem Schülerkonzert. Sie hätten sich gleich gut verstanden und beschlossen nicht nur als Solisten bei "Jugend musiziert" mitzumachen, sondern auch als Duo. Solo waren sie in ihrer jeweiligen Altersgruppe bereits ausgezeichnet worden. Der erste Auftritt als Duo bei "Jugend musiziert" war kurios: "Wir hatten zuerst kein großes Repertoire. Wir haben vier Stücke gespielt, die einzigen, die wir beide konnten", sagt Ilia und lacht. Das Konzert der Preisträger wurde zum Riesenerfolg. "Sie haben die anderen an die Wand gespielt", sagt Ilias stolzer Papa, Demetrius Antoniadis, der fast immer dabei ist, wenn die Beiden ein Konzert geben. Beim Bundeswettbewerb 2018 seien sie zudem mit dem Bechstein-Sonderpreis ausgezeichnet worden, erzählt er. Wichtiger noch als die jurierten Siege sind ihnen die Publikumspreise. "Die Jury achtet auf Fehler, das Publikum auf die Ausstrahlung", findet Ilia.

Als ob er die Begabung seines Sohnes geahnt hätte, hat Vater Antoniadis vor zehn Jahren eine folgenschwere Entscheidung getroffen: "Als ich drei Jahre alt war, hat Papa beschlossen, der Junge lernt Klavier. Und dann hat mir Klavierspielen richtig Spaß gemacht", erzählt Ilia und klingt dabei fast selbst ein wenig verwundert. Etwa zur selben Zeit kam auch bei Levent die musikalische Ader durch. "Mein Papa hat in einer Band gespielt. Das fand ich toll. Mit fünf Jahren habe ich mit dem Schlagzeug angefangen. An Klavier habe ich da noch nicht gedacht, das schien mir irgendwie langweilig", erzählt Levent. Erst mit acht Jahren habe er dann doch damit begonnen. Mit neun Jahren kam dann Saxofon dazu und vor drei Jahren zusätzlich Gitarre. "Der erste Saxofonlehrer fand, ich sei zu jung. Da haben wir einen anderen gesucht. Nach zwei Jahren habe ich beim Wettbewerb 25 Punkte bekommen", sagt Levent, der bei "Jugend musiziert" erste Preise in den Fächern Klavier, Saxophon und Schlagzeug gewonnen hat. Am meisten übe er aber Klavier. Drei bis vier Stunden täglich sei normal, sagt er. Am Wochenende kommen weitere Unterrichtsstunden hinzu. Für Ilia in Salzburg am Mozarteum, wo er seit fünf Jahren im Rahmen der Hochbegabtenförderung Unterricht bei Professor Andreas Weber hat, für Levent als Stipendiat der Jürgen-Ponto-Stiftung.

Zwei Nachwuchspianisten aus dem Würmtal

Auch eine eigene CD hat das Klavierduo bereits aufgenommen.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ein volles Pensum für zwei Gymnasiasten: Ilia besucht die achte Klasse am Kurt-Huber-Gymnasium in Gräfelfing, Levent ist in der Zehnten am Carl-Spitzweg- Gymnasium in Germering. Privilegien hätten sie keine, obwohl doch, es gebe schon eine gewisse Narrenfreiheit, wenn es um Fehltage für Proben und Konzertreisen gehe, erzählt Papa Antoniadis. "Solange die Noten okay sind", meint Levent. Und das seien sie. Trotz der vielen Reisen habe er nur 15 Fehltage, betont Ilia. Höhepunkte der bisherigen Karriere waren ohne Zweifel die Tage mit Lang Lang. Kennengelernt haben sie ihn 2016 bei einem Konzert in Passau. Er war richtig begeistert, ist mit ihnen gemeinsam aufgetreten und schwärmte laut Vater Antoniadis: "The boys are amazing and unbelievable."

Levent zieht es trotz der Erfolge in der Klassik in Richtung Pop. Er schreibt Songs, komponiert, singt und macht mit bei der Casting Show "Dein Song" beim ARD/ZDF-Kanal KIKA. Ilia ist dem Klavier treu geblieben und auch der klassischen Musik. "Durch Levent habe ich auch andere Musikrichtungen kennengelernt. Wir spielen jetzt auch Jazz- und Bluesstücke, südamerikanische Tänze und Pop, was sich in unserem Programm "4 Hands, 2 Boys ans 1 Soul" spiegelt", erzählt Ilia. Auch die neue CD "Crossing Lines", deren Cover an das Abbey-Road- Album der Beatles erinnert, weist auf eine Verbindung der Genres.

Bleibt bei einem solchen Terminkalender noch Freizeit? Beide lernen freiwillig Sprachen: Ilia lernt Russisch, die Muttersprache seiner Mutter, Levent übt Türkisch, die Sprache seiner Großeltern. Ilia spielt Schach gegen seinen Vater. Beide Buben kicken ganz gern, Ilia spielt zudem Tennis- und nimmt Golfstunden. Levent hat vor, neben Musik auch Sport als Abitur-Profilfach zu wählen. Die Klavierlehrer hätten auch nichts gegen Tennisturniere einzuwenden, sagt Ilia. Nur die Playstation sei riskant, scherzt Vater Antoniadis. Da könnten sich Probleme mit den Daumen ergeben. Dass das Leben als Musiker auch nicht ungefährlich ist, davon zeugt eine Narbe an Ilias Brust. Bei der Chinatournee ist ihm der Deckel des Flügels auf die Brust gekracht. Zum Glück waren die Eltern dabei und haben ihn gut verarztet. Und zum Glück sind nicht nur die beiden Jugendlichen befreundet, auch die Eltern verstehen sich ausgezeichnet, sehen sich als Team. Soweit möglich begleiten sie die Söhne bei den Tourneen und verreisen auch privat gemeinsam.

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