Interview mit Liselotte Pulver:"Ich war immer nur der Seitensprung"

Eine der größten deutschsprachigen Komödiantinnen spricht über Doris Day, Billy Wilder und ihre Vorliebe für Chirurgen, Piloten und Artisten.

Harald Hordych

Liselotte Pulver wohnt seit 35 Jahren am Genfer See, dort wo er am breitesten ist. Wie ein Meer. Das Haus ist keine Villa, es ist ein immer weiter ausgebautes Wochenendhaus. Liselotte Pulver serviert Milchkaffee, Kuchen und Orangenscheiben mit Sahne. Sie wirkt ernst, etwas fehlt doch, denkt man. Da erscheint ihr die Frage "Wollen wir jetzt Sahne schlagen?" komisch. Und dann erschallt es: das sagenhafte Pulver-Lachen, so jung, als seien die Jahre nicht vergangen.

liselotte pulver

Liselotte Pulver bei der Präsentation ihres Buches "Meine Wunder dauern etwas länger" 2001 in Berlin.

(Foto: Foto: ap)

SZ: Sie haben hier einen tollen Blick auf den See, Frau Pulver . . .

Liselotte Pulver: . . . ja, aber ich kenne diesen Blick schon so lange, dass ich den gar nicht mehr wahrnehme. Ich weiß nicht, ob ich hier noch lange wohnen möchte. Ich überlege seit einiger Zeit, wegzuziehen.

SZ: Wohin?

Pulver: Nach München vielleicht. Das war immer meine Lieblingsstadt. Dort bin ich immer so gern gewesen.

SZ: Sie haben oft in Geiselgasteig gedreht.

Pulver: Ich habe dort auch ein großes Haus besessen. Das habe ich irgendwann verkauft. Darüber könnt' ich mich heute noch schwarzärgern.

SZ: Würden Sie nicht viele Freunde hier am Genfer See zurücklassen?

Pulver: Bekannte habe ich viele. Aber Freunde? In dem Sinne, dass sie mir immer helfen, wenn man ihre Hilfe wirklich braucht - da habe ich nur meine Schwester. Und den Buebi.

SZ: Ihren Bruder?

Pulver: Ja. Und natürlich meinen Sohn Tell und seine Familie. Die waren immer die Stützen meines Lebens.

SZ: Stimmen Sie zu, wenn ich sage, dass Sie die deutsche Schauspielerin sind, die die meisten kumpelhaften Schulterklapse bekommen hat und am häufigsten hin und her geschubst worden ist?

Pulver: Wie meinen Sie das? Von der Presse?

SZ: Von ihren Kollegen. Sie haben viele Hosenrollen gespielt. In "Fritz und Friederike" zum Beispiel . . .

Pulver: Den haben Sie gesehen?

SZ: Auf DVD.

Pulver: Und wie fanden Sie den?

SZ: Die Doppelrolle von "Fritz und Friederike" war toll für Sie.

Pulver: Ich habe viele Hosenrollen gespielt. Weil ich eben so dünn war. Weil mich die Schauspielerei immer schon angestrengt hat - auch im Theater. Dabei habe ich abgenommen. Ich sah aus wie ein Bub. Seit dem "Wirtshaus im Spessart" kamen immer wieder solche Rollen.

SZ: Dass eine so hübsche Frau sich - wie in "Kohlhiesels Töchter" - als unfrisierter Bauerntrampel präsentierte, war das nicht ungewöhnlich für die Zeit?

Pulver: Ja, ziemlich. Ich war auch nicht sicher, ob das wirklich gut ist. Ich sah entsetzlich aus mit diesen Haaren, die da so 'runterhingen. Dazu der flache Hinterkopf!

SZ: Sie haben auch Grimassen gezogen.

Pulver: Ich habe immer sehr gerne Grimassen gemacht. Und die Leute haben immer furchtbar gelacht.

SZ: Kamen gleich die komischen Rollen?

Pulver: Die Mutter von Maria Schell, die eine Schauspielschule in Bern hatte, hat sofort gesagt: Du bist komisch. Du musst Buben spielen.

SZ: Sie waren ein besonderer Frauentyp. Das Schönheitsideal war in den 50ern doch eigentlich kurvenreich, oder?

Pulver: Zu meinem Leidwesen. Aber mehr war bei mir nicht drin. Sie sehen ja, wie viel ich esse. Aber ich nehme einfach nicht zu.

SZ: Heute tun die Frauen viel, wenn nicht alles, um eine solche Figur zu haben.

Pulver: Ja, und ich kapiere das nicht: Einerseits lassen sie sich Silikon spritzen für einen Riesenbusen, andererseits wollen sie nichts essen.

SZ: Die ideale Figur?

Pulver: Ach wissen Sie, in Wirklichkeit interessiert mich das nicht. Ich finde Frauen, die das alles von Natur aus haben, einfach fabelhaft.

SZ: Haben Sie die beneidet?

Pulver: Ja! Wie gerne wäre ich so gewesen. Aber das ist mir nicht vergönnt gewesen. Ich bin nun mal, wie ich bin.

SZ: Sie haben viel Liebeskummer in Ihrem Leben gehabt, sagten Sie mal. Was waren das denn für Männer, in die Sie sich verliebt haben?

Pulver: Sie waren vor allem: verheiratet. Ich war ja immer nur ein Seitensprung. Deswegen wollten sie sich nicht scheiden lassen. Wenn sie sich dann doch haben scheiden lassen, so jedenfalls nicht für mich. Leider.

Lesen Sie im nächsten Teil, welchen Männertyp Liselotte Pulver bevorzugt und wie sie im Rückblick ihre Konkurrentinnen sieht.

"Ich war immer nur der Seitensprung"

SZ: Auf welchen Typ standen Sie?

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Die Außenrolle der Frisur gibt zusätzlich Schwung: "Lilo" in den 50er Jahren.

(Foto: Foto: ap)

Pulver: Auf die schönsten weit und breit! Chirurgen, Piloten, Artisten.

SZ: Woran hat's denn gehapert?

Pulver: Bei meiner ersten großen Liebe war ich Schülerin und 17 Jahre alt. Er war Arzt.

SZ: War der nicht verheiratet?

Pulver: Und er hatte Kinder. Der hat mich einfach nicht angerührt, da konnte ich machen, was ich wollte. Das war damals einfach so. Das machte man nicht.

SZ: Er hat Sie am kleinen Finger verhungern lassen, wie man so sagt, oder?

Pulver: Ich wollte immer das Nonplusultra und war daher sehr wählerisch. Deswegen konnte ich mich auch nicht trösten mit jemandem, der unter dem Niveau meines Traummannes gewesen wäre. Das ist auch jetzt der Fall, da mein Mann nicht mehr da ist. Der Nachfolger müsste mindestens so sein wie Helmut.

SZ: Groß und muskulös . . .

Pulver: . . . und begabt. Und gescheit. Und gebildet. Und komisch!

SZ: Hm, konnten denn diese Wunderknaben immer was mit Ihnen anfangen? Sie verkörperten ja, wie gesagt, ein Gegenbild zur typischen Frau der 50er: das Koboldhafte, das Witzemachen.

Pulver: Ja, vermutlich war ich nicht ihr Typ. Ich war sehr vorwitzig. Und jemand, der auch mal nicht so zurechtgemacht war, wenn ich keine Zeit hatte. Dann sah ich vielleicht nicht so attraktiv aus. Und mir war wurscht, wie ich angezogen war.

SZ: Viele junge Frauen haben Ihre burschikosen Auftritte als Befreiung empfunden. Und die Männer?

Pulver: Die mochten das vielleicht nicht so, die hatten lieber die perfekten Frauen, die ich übrigens sehr beneidete. Die sahen immer aus wie aus dem Ei gepellt.

SZ: Wer zum Beispiel?

Pulver: Nadja Tiller! Das war eine Wucht von einem Mädchen, so was von schön!

SZ: Mit solchen Konkurrentinnen hatten Sie seit der Schulzeit zu kämpfen?

Pulver: Da hatte ich Schulkameradinnen, die hatten Locken, die hatten Busen, niedliche Kleidchen. Und im Badeanzug sahen die auch wohlgeformt aus. Ich war ja ein Brett. Es gab schon Jungs, die mich zu Klassenabenden eingeladen hatten. Aber eben die interessierten mich nicht.

SZ: Wie wollten Sie die jungen Männer denn erobern?

Pulver: Naja, da habe ich mich im Berner Aarebad dazugesetzt und gefragt: "Gehst du mit mir schwimmen?" Das Komische war: In dem Moment, in dem ich merkte, dass einer Feuer gefangen hatte, war's für mich wieder vorbei.

SZ: Alles nur ein Spiel.

Pulver: Ab diesem Moment war er mir zuwider. Mich hat ein Mann nur dann interessiert, wenn er mir überlegen war. Das hat sich eben auch dadurch geäußert, dass er nichts von mir wissen wollte.

SZ: Wie war das mit den berühmten Filmpartnern, die Sie hatten: Paul Hubschmid, Hardy Krüger, Curd Jürgens - um nur ein paar zu nennen. Ging das übers Berufliche hinaus?

Pulver: Ja, aber wenn der Film zu Ende war, hat man sich nicht mehr gesehen. Dann wurde der Kontakt immer schwächer und schwächer und schwächer. Schließlich kam wieder ein neuer Film - dann war man wieder neu verliebt.

SZ: Hätten Sonja Ziemann oder Ruth Leuwerik so was gemacht wie Sie in "Zürcher Verlobung"? Sie tragen zu weite Skihosen und rutschen dann auch noch aus. Alle schütteln sich vor Lachen über Sie. Sie waren kein Sexobjekt, richtig?

Pulver: Nein, ich war irgendwas anderes. Es gibt allerdings auch Männer, die lieben solche Bohnenstangen, solche knabenhaften Frauen. Ziemlich viele sogar. Audrey Hepburn, das war doch auch so eine dünne. Meine Beine übrigens konnten sich schon sehen lassen.

SZ: War es auch Emanzipation, die da hinter Ihrem Stil gesteckt hat?

Pulver: Hm, möglich. Auch wenn ich die richtigen Emanzen nicht ausstehen kann, wegen ihres Gehabes und der Art, wie sie sich anziehen, ich habe mich immer ein bisschen anders verhalten. Aber ich habe immer eine Abneigung gehabt gegen Haushalt und gegen eine sozusagen bürgerliche Existenz.

SZ: Quatschmacherei als Auflehnung?

Pulver: Nicht bewusst. Nein, bestimmt nicht. Ich habe es einfach wahnsinnig genossen, wenn man über mich gelacht hat. Wenn im Theater brüllendes Gelächter losging, das war das Größte!

SZ: Warum haben Sie dann immer diese Sehnsucht nach ernsten Rollen gehabt?

Pulver: Weil ich natürlich glaubte, dass ich eigentlich eine Tragödin bin. Ich kam mir ja immer unwahrscheinlich tragisch vor! Weil ich halt privat Kummer hatte. Ich dachte: Das schreit danach, auf eine klassische Rolle übertragen zu werden.

SZ: Und war das wirklich so leicht ?

Pulver: Irgendwann habe ich gemerkt, dass es falsch ist, dramatische Rollen spielen zu wollen. Ich hatte die Stimme gar nicht für diese Ausbrüche. Da kann man nicht herumpiepsen. Ich dachte immer, die großen Schauspielerinnen seien alle Tragödinnen gewesen.

SZ: Frau Pulver, was zeichnet denn eine gute Schauspielerin aus?

Pulver: Na, dass sie alles spielen kann.

SZ: Was ist mit der Fähigkeit, auch mal dick aufzutragen?

Pulver: Das ist ein großer Fehler von mir gewesen, der zum Teil unterstützt wurde, gerade von Kurt Hoffmann am Anfang, weil die sich ja immer totgelacht haben beim Drehen . . .

SZ: . . . immerhin der erfolgreichste deutsche Regisseur in den 50er- und 60er-Jahren. . .

Pulver: . . . sicher, aber die haben mich manchmal nicht korrigiert, weil sie gedacht haben: Wenn wir lachen, lachen die Leute auch. Auf der Leinwand war es nachher zu viel. Das habe ich auch anderen Regisseuren vorgeworfen. Dass sie mich nicht gebremst haben.

Lesen Sie im nächsten Teil, was Liselotte Pulver über Doris Day denkt und wie sie die prüden Fünfziger erlebte.

"Ich war immer nur der Seitensprung"

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Dietmar Schönherr, Liselotte Pulver und Mario Adorf (von links) bei der Preisverleihung der Goldenen Kamera in Berlin 2002.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Wie finden Sie den Vergleich, der immer wieder kommt: die deutsche Doris Day?

Pulver: Ein Kompliment. Eine hervorragende Schauspielerin, die ja auch hinreißend singt. Und sie sieht gut aus.

SZ: Doris Day war sicherlich die amerikanische Schauspielerin, die am meisten für Züchtigkeit stand.

Pulver: Kann sein, aber sie war auch an erster Stelle, was die Beliebtheit angeht. Daran sieht man doch, dass das ganze Sextheater überhaupt keine Rolle spielt!

SZ: Sie meinen in den prüden Fünfzigern?

Pulver: Immer. Auch heute. Die Leute wollen das in Wirklichkeit nicht. Sie wollen sich amüsieren, sie wollen sich schon angezogen fühlen von einem Mann, sie wollen sich auch was dabei denken . . .

SZ: Aber?

Pulver: Aber sie wollen nicht unbedingt nackte Frauen und nackte Männer sehen, sie wollen eben: interessiert sein. Mein Lehrer Paul Kalbeck hat mal gesagt: Ein Schauspieler muss weder gut noch schlecht sein. Er muss interessieren!

SZ: Sie wiederum haben gesagt: Ich konnte gar nicht spielen. Ich war nur Liebling.

Pulver: Ach, das habe ich nur zitiert. Das hat mal ein Wiener Burgschauspieler gesagt. Ich weiß leider nicht mehr, wer.

SZ: Was hat Sie zum Liebling gemacht?

Pulver: Die Leute haben sich dafür interessiert, wen ich als nächstes spiele. Ich konnte mich verwandeln, aber dahinter steckte immer die Pulver. Die Leute haben sich gefragt: Was macht sie jetzt?

SZ: Am kommenden Donnerstag wird Ihnen, wie wir gerade erfahren haben, die "Goldene Kamera" für Ihr Lebenswerk überreicht . . .

Pulver: . . . ich freue mich wahnsinnig darüber! Das ist ja auch eine Bestätigung dafür, dass die Menschen mich nicht vergessen haben, obwohl ich in den letzten Jahren nicht mehr gespielt habe.

SZ: Es beweist auch, dass Sie einer der großen Stars des deutschen Nachkriegsfilms waren. Glauben Sie, dass Sie Ihre Heiterkeit auch deshalb so unbeschwert verbreiten konnten? Weil Sie aus der Schweiz kamen?

Pulver: Das hat vor allem damit zu tun, dass die Filme, die ich eine Zeitlang gedreht habe, Kassenerfolge waren. Wenn Kurt Hoffmann nicht gewesen wäre, hätte ich ein gutes Dutzend von diesen Kassenfilmen nicht gemacht - und die Leute hätten sich nicht an mich erinnert.

SZ: Aber Sie waren die Richtige.

Pulver: Das hat Kurt Hoffmann herausgefunden. Das ist nun mal Glück, wenn man an so einen Mann gerät.

SZ: Sie haben mit keinem Mann so viele Filme gemacht wie mit ihm. Was hat da so gut funktioniert?

Pulver: Wir haben über dieselben Dinge gelacht. Wir haben viel improvisiert, und er hat mich machen lassen. Das war ähnlich wie mit Helmut Käutner. Der hat auch wahnsinnig gelacht über meine Einfälle.

SZ: Hoffmann ist vorgeworfen worden, alles in einer heilen Welt zu belassen.

Pulver: Aber das war damals beim Film immer so. Heute macht man das Gegenteil. Man muss den Alltag zeigen, alles naturalistisch bis ins kleinste Detail vorführen. Aber das ist falsch. Man muss nicht zeigen, wie es ist - man muss es stattdessen veredeln. Oder idealisieren.

SZ: Stehen Sie auch für so eine eher harmonische, idealisierte Welt?

Pulver: Auf jeden Fall!

SZ: Hing es also doch damit zusammen, dass Sie aus einer vergleichsweise heilen Welt wie der Schweiz kamen?

Pulver: Kann sein. Vielleicht war ich wirklich unbefangen, oder nicht belastet. Und das konnte ich übertragen. Und die Leute wollten das haben, sie wollten nicht erinnert werden.

SZ: Ein Heiterkeitsimport. Wie war das dann, von Bern fünf Jahre nach Kriegsende nach Deutschland zu kommen?

Pulver: Merkwürdig. Im März 1950 war München ein einziges Trümmerfeld. Ich wohnte im Hotel Regina - und das hatte kein Dach mehr.

SZ: Der Rest der Welt hielt diese Gegend für das Reich des Bösen. Und Sie sollten die Leute dort zum Lachen bringen?

Pulver: Ich hatte überhaupt keine Beziehung dazu. Das hat mich manchmal sogar geärgert, dass Freunde gesagt haben: "Warum gehst du nach Deutschland? Warum gehst du nicht nach Frankreich?" Für mich war das zu Ende. Das ist meine Sprache! Und das ist deutsche Kultur. Und das sind deutsche Stücke, die ich spiele. Fertig. Außerdem waren die Leute in Deutschland irrsinnig nett, die haben mich behandelt wie eine Königin.

Lesen Sie im nächsten Teil, was Liselotte Pulvers Rezept gegen Liebeskummer ist und welche Hauptrollen sie gerne gespielt hätte.

"Ich war immer nur der Seitensprung"

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Bei der Verleihung des Bayerischen Filmpreises 1999 wurde Liselotte Pulver für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Und vom Liebeskummer haben Sie sich auch nicht kleinkriegen lassen?

Pulver: Nein, aus Protest habe ich dann gearbeitet wie ein Berserker. Also ein bisschen Selbstvernichtung. Aber immer im Auge dabei gehabt, Erfolg zu haben. Denn ich wollte immer ganz rauf.

SZ: Wie waren denn die 50er? Waren sie so harmlos wie die Filme?

Pulver: Na, brav waren sie nicht. Ich hatte auch ein paar eindeutige Angebote. Also das hat es schon gegeben, die Mädchen und die Produzenten, die sich ihrer bedienten. Mein Produzent hat mich hingegen immer bloß aufgezogen mit meiner Unschuld.

SZ: Sie wollten allerdings trotzdem nach England, nach Frankreich, nach Hollywood!

Pulver: Ja, ich wollte, aber ich musste nicht. Weil ich ja immer unter Vertrag war. Ich hatte es also nicht nötig, im Ausland zu drehen. Aber im Endeffekt war ich wohl nicht intelligent genug, gewisse Prioritäten zu setzen.

SZ: Angst, den Anschluss zu verlieren?

Pulver: Vielleicht. Ich musste einfach arbeiten, ich habe es nicht ausgehalten alleine zu Hause. Oder überhaupt zu Hause zu sitzen und nichts zu tun.

SZ: Warum haben die Deutschen Sie bis 1967 so konsequent komisch - die Franzosen und die Amerikaner hingegen in ernsten Rollen besetzt?

Pulver: Ja, in Frankreich haben sie mich oft ernst besetzt. Aber nicht meinetwegen, sondern, weil sie einen berühmten Namen für den deutschen Markt brauchten. Dann haben sie geschaut, wer ist gerade oben und haben mich genommen: Die kann das auch spielen.

SZ: Ziemlich desillusionierend.

Pulver: Nein, das war ganz gut so. Das nennt man Marktwert. Die anderen konnten ja kein Französisch - bis auf die Schell und die Knef.

SZ: Ist Ihnen das denn so gesagt worden?

Pulver: Nein. Das wusste ich. Das war mir egal. Ich hab' mir gesagt: Wenn das ein Erfolg wird, komme ich damit auch rauf.

SZ: Trotzdem haben Sie Rückschläge hinnehmen müssen. Sowohl für die Hauptrolle von "Ben Hur" als auch für "El Cid" sind Sie ja dann nicht aus Ihren Verträgen gekommen.

Pulver: Das waren absolute Keulenschläge, kann man sagen! Nach denen steht man nicht so leicht wieder auf.

SZ: Kommt da der Humor ins Spiel?

Pulver: Nein. Später, viel später. Über die Sache mit "Ben Hur" kann ich bis heute nicht lachen, weil ich auch noch selbst schuld war: Wenn ich mich in einer Produktion mit der zweiten Rolle begnügt hätte, wäre Zeit gewesen für "Ben Hur". Stattdessen sagte ich: Nein! Ich spiele die Hauptrolle! So blöd war ich!

SZ: "Eins, zwei, drei" von Billy Wilder war zunächst auch eine Pleite, weil die Mauer während der Dreharbeiten gebaut wurde. Keiner konnte mehr über die Teilung lachen.

Pulver: Das war später ein großer Erfolg. Bis heute einer meiner besten Filme. Obwohl ich nur eine Nebenrolle gespielt habe. Aber ich bin drin gewesen!

SZ: Sie spielen die hinreißende Karikatur einer blonden Sekretärin.

Pulver: Übertreiben, das habe ich einfach am liebsten. Aber das alles habe ich Wilder nur nachgespielt. Er hat immer alles vorgespielt . . . Nein, ich darf mich insgesamt wirklich nicht beklagen.

SZ: Gestatten Sie mir noch ein Wort zu Ihrem berühmten Lachen?

Pulver: Ja, ich weiß schon: etwas zu laut und sehr impulsiv. Und oft über Dinge, die andere nur mäßig komisch finden.

SZ: Hat Ihnen je ein Mann gesagt: Lach doch nicht so laut!

Pulver: Ja, ein Regisseur. In einer Serie, die hieß "Drunter und Drüber". Der Regisseur war Georg Dressler. Der hat mir gleich zu Anfang gesagt: "Lach' nicht immer, Liselotte, lach' nicht!"

SZ: Haben Sie sich dran gehalten?

Pulver: Leider. Prompt war ich auch nicht gut. Das ist nun mal mein Ausdruck, ich rede ja auch so, dass ich gleich lachen könnte. Weil ich mir das verboten habe, war ich nur noch ernst - und ganz schlecht.

SZ: Über einen langjährigen Lebenspartner haben Sie mal geschrieben: Er konnte nur eineinhalb Sprachen, fuhr einen VWKäfer und hatte gerade das Studium abgebrochen . . .

Pulver: Ja.

SZ: . . . aber er konnte wahnsinnig witzig sein. Kommt es am Ende darauf an, dass die Männer die Frauen zum Lachen bringen?

Pulver: Ja! Derselbe Humor! Wenn ich irgendwas gesagt habe, hat er immer gewusst, was dahintersteckt. Wir haben so viel gelacht.

SZ: Das klingt, als hätten Sie die Männer mehr zum Lachen gebracht als die Männer Sie. Stimmt das, Frau Pulver?

Pulver: Ja, das kann sein.

Liselotte Pulver, Jahrgang 1929, gehörte seit den 50ern zu den großen Stars des deutschen Films. Komödien wie "Ich denke oft an Piroschka", "Das Wirtshaus im Spessart" oder "Kohlhiesels Töchter" machten die Schweizerin berühmt. Sie wirkte in mehr als 60 Produktionen mit und spielte auch Hauptrollen in ausländischen Produktionen, so in Douglas Sirks "Zeit zu leben, Zeit zu sterben" und vielen französischen Filmen. Liselotte Pulver lebt am Genfer See. Seit 1961 war sie mit dem Schauspieler Helmut Schmid verheiratet, der 1992 starb und mit dem sie zwei Kinder hatte. Ihr Sohn Tell lebt mit seiner Familie nahe Genf. Ihre Tochter Mélisande stürzte 1989 mit 21 unter ungeklärten Umständen vom Berner Münster. Die beiden Autobiographien Liselotte Pulvers sind bei Langen Müller in München erschienen.

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