Prozess am Landgericht:Falscher Börsenhändler soll Anleger um fast drei Millionen Euro betrogen haben

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  • Bereits zum dritten Mal steht der Münchner Bernhard J. wegen Vermögensdelikten vor Gericht.
  • Diesmal soll er Anleger, die zum Großteil mit der Akademie der Bildenden Künste verbunden sind, um fast drei Millionen Euro erleichtert haben.
  • Teure Autos, eine Villa in Grünwald, eine Wohnung am Tegernsee - so sah das Luxusleben des 55-Jährigen aus.
  • Dazu gehörte auch sein Faible, sich als Transgenderfrau Stefanie S. im Dirndl zu präsentieren.

Aus dem Gericht von Susi Wimmer, München

"Broker", so lautet die Berufsbezeichnung, die auf der Anklageschrift von Bernhard J. zu lesen ist. Betrachtet man die Vita des 55-Jährigen, so könnte seine Jobbeschreibung auch anders lauten, nämlich: Betrüger, notorischer. Bereits zum dritten Mal steht der Münchner wegen Vermögensdelikten vor Gericht. Diesmal soll er Anleger, die zum Großteil mit der Akademie der Bildenden Künste verbunden sind, um fast drei Millionen Euro erleichtert haben. Teure Autos, eine Villa in Grünwald, eine Wohnung am Tegernsee, so sah das Luxusleben von Bernhard J. aus. Dazu gehörte auch sein Faible, sich in Künstlerkreisen als Transgenderfrau Stefanie S. im feschen Dirndl zu präsentieren.

Wer einen Lebemann erwartet, eine stattliche Gestalt, der ist bei der sechsten Strafkammer am Landgericht München I verkehrt. Auf der Anklagebank hat ein schmächtiger Mann mit kleinem Kopf und schütterem, ergrautem Haar Platz genommen, der Pressefotografen nur mit "Hau ab!" anschnauzt, ebenso wie seinen Pflichtverteidiger Timo Westermann. Es wird auch nicht besser, als Richterin Cornelia Röthlein die Personalien abfragt und er unwirsch antwortet, er wisse nicht, ob er noch verheiratet oder die Scheidung ohne ihn schon durch sei. Dann zeigt er auf den einzigen Zuschauer im Saal und sagt: "Ich möchte, dass er nicht dabei ist." Wie sich später herausstellt, wurde auch der Zuhörer schon vor etlichen Jahren von Bernhard J. betrogen. Er bleibt.

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Ja, sagt der des Betrugs Angeklagte, "ich bin in allen Anklagepunkten voll schuldig". Dann legt er etliche handbeschriebene Papierbögen vor sich und beginnt zu reden und zu reden und zu reden. Und zwar, wie es zu all dem kam, nicht aber, wie er seine Opfer über den Tisch gezogen hat, was ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft. Von Ende 2012 bis Frühjahr 2017 betätigte sich J. recht erfolglos als Börsen- und Devisenhändler. Ein Geschäft mit einem ehemaligen Knastkumpel, der ihn in seine Villa am Bodensee einlud, entpuppte sich als Desaster. Er sollte 5000 Euro investieren, sein Vater erhalte einen Platz im Aufsichtsrat und er binnen drei Jahren 100 000 Euro. "Das hört sich ziemlich windig an, sind's ma nicht bös", sagt die Richterin. Aber J. glaubte daran. Ebenso wie an das Start-up-Unternehmen für Alarmanlagen oder das Projekt "Generatoren ohne Motor".

Als beide Firmen pleite gingen und sich die Schulden häuften, begann der Münchner, sich als vermögender Börsen-Trader auszugeben und Anleger zu akquirieren. Er mietete für 4500 Euro im Monat eine Villa in Grünwald, fuhr Mercedes, Porsche und ein BMW-Cabrio, leistete sich eine Wohnung am Tegernsee und lud dorthin potenzielle Opfer ein. Ob es die Dame war, die ihn beim Kundenservice des Otto-Versands betreute, reiche Geschäftsleute oder eben Architekten oder Fotografen aus Münchens Künstlerszene: Bernhard J. beschwatzte sie alle. Er versprach Gewinne von 30 bis 500 Prozent, bei Laufzeiten von jeweils fünf bis dreizehn Monaten. 15 Geschädigte listet die Staatsanwaltschaft auf, und knapp 2,9 Millionen Euro, die die Opfer Bernhard J. gaben.

"Haben Sie von Anfang an billigend in Kauf genommen, dass Sie das Geld nicht zurückzahlen können", fragt die Richterin immer wieder. Bernhard J. windet sich und erzählt vom Warten auf "den großen Moment, die große Chance". Dass er einen Hebelkredit von einem Broker in den USA "über eine Million für 10 000" erhalten habe, "Termingeschäfte". Dass ihm beim Brexit oder der Frankreich-Wahl der große Wurf gelingen sollte, "mit dem DAX mache ich 1400 Punkte", sagt er. Und Richterin Röthlein sagt: "Das verstehe ich nicht."

Bernhard J. saß bereits zweimal wegen ähnlicher Fälle im Gefängnis. 2002 hatte der psychiatrische Gutachter Karl-Heinz Crumbach dem Gericht geraten, eine Sicherungsverwahrung zu verhängen. Neun Jahre saß J. im Gefängnis. Als 2011 ein neues Gesetzt besagte, dass eine Sicherungsverwahrung bei Vermögensdelikten nicht mehr möglich sei, wurde J. entlassen - und machte ein paar Monate später wieder munter weiter.

Zum aktuellen Fall will sich der psychiatrische Gutachter Crumbach nicht äußern, auch nicht zu J. Betrüger im Allgemeinen, sagt er, "steigern sich so rein, dass sie selbst an ihre Pläne glauben". Sie hätten Charme und Überzeugungskraft, "eine hohe kreative Fantasie". Ob das bei Bernhard J. auch so ist, davon kann sich das Gericht an den folgenden sieben Verhandlungstagen überzeugen.

© SZ vom 08.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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