Bildung:Lokal handeln - und global

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Amelie und Götz von Borries zeigen in Sauerlach gerade Fotos über die Arbeit ihres Vereins in Kambodscha.

(Foto: Angelika Bardehle)

Der Verein Concultures vermittelt Teenager als Freiwillige nach Kambodscha. Entstanden ist er aus einer Inititiave, die sich in Sauerlach erfolgreich für ein Jugendzentrum eingesetzt hat

Von Patrik Stäbler, Sauerlach

Für sie am eindrücklichsten, sagt Amelie von Borries, sei der Moment, wenn die Teenager aus Deutschland nach der strapaziösen Fahrt ins kambodschanische Hinterland aus den Autos steigen und erstmals vor jenen Kindern stehen, die sie später unterrichten werden. Wenn also - und in diesem Fall ist das nicht nur so daher gesagt - zwei Welten aufeinandertreffen: Hier die Jugendlichen, die ehrenamtlichen Volunteers, die wohlbehütet im reichen Deutschland aufgewachsen sind; dort die Grundschüler, die in einfachsten Verhältnissen leben, ohne Strom und fließend Wasser, und deren Familien als ethnische Minderheit in Kambodscha zu den ärmsten in einem ohnehin armen Land gehören.

Doch aller Unterschiede zum Trotz dauere es oft nur wenige Minuten, erzählt Amelie von Borries, bis beide Seiten den Kontakt zueinander finden, gemeinsam spielen und scherzen - ungeachtet dessen, dass keiner die Sprache des anderen beherrscht. "Wenn die Volunteers zum Beispiel Bälle und Frisbees auspacken, dann finden sie sofort den Zugang zu den Kindern." Und für die Jugendlichen, "die bei uns in Deutschland so behütet aufwachsen", sagt Amelie von Borries, sei die Arbeit mit den kambodschanischen Grundschülern "eine echte Herausforderung, die sie mit unglaublich viel Enthusiasmus annehmen." Schon auf dem Rückflug nach Deutschland, ergänzt ihr Mann Götz von Borries, merke man, "wie die Volunteers sich menschlich weiter entwickelt haben und was dieser Aufenthalt mit den jungen Menschen macht."

Dieser Aufenthalt - damit meint das Ehepaar aus Sauerlach das dreiwöchige Freiwilligenprogramm, das ihr Verein Concultures anbietet. Dabei handle es sich um "Bildungsarbeit im doppelten Sinne", wie es Amelie von Borries formuliert. Zum einen für die deutschen Jugendlichen, deren Horizont durch das Projekt erweitert werde und die Erfahrungen fürs Leben sammelten. Zum anderen natürlich für die Kinder der Bergvölker in Kambodscha. Denn dort unterstützen die Volunteers die Hilfsorganisation United World Schools (UWS), die seit 2008 mehr als 160 Grundschulen in Kambodscha, Myanmar und Nepal errichtet hat und bis heute betreibt. Der Grundgedanke lautet dabei: Bildung ist die beste Form der Entwicklungshilfe. Oder wie es Götz von Borries hier im Vortragssaal der Sauerlacher Volkshochschule ausdrückt, wo aktuell Dutzende seiner Kambodscha-Fotos an den Wänden hängen: "Gebt den Leuten keinen Fisch, gebt ihnen ein Angel."

Seit fünf Jahren gibt es den Verein Concultures - der Name ist eine Abkürzung von "connecting cultures", was so viel bedeutet wie: Kulturen verbinden. Dass es überhaupt dazu gekommen ist, sei einer Reihe von Zufällen zu verdanken, sagt Amelie von Borries. Zuvorderst sei da ihre älteste Tochter gewesen, die es schon früh ins Ausland zog und die sich daher als 16-Jährige bei den United World Colleges (UWC) bewarb. Dahinter verbirgt sich ein Verbund von 17 Schulen in aller Welt, an denen Jugendliche aus 120 Ländern gemeinsam leben, lernen und ein internationales Abitur anstreben.

Ihre Tochter sei 2010 an eine Schule in Hongkong gekommen, erzählt Amelie von Borries. Und als sie ihr dort einen Besuch abstattete, kam es zu einer folgenreichen Begegnung. "Ich war auf dem Weg zum Flughafen, als ich mit meinem Koffer quasi in ihn reingerannt bin." Gemeint ist Chris Howarth, selbst ein früherer UWC-Schüler, der für einen Vortrag über die von ihm gegründete Hilfsorganisation United World Schools nach Hongkong gekommen war. Kaum fünf Minuten habe sie sich seinerzeit mit ihm unterhalten, erzählt von Borries. Und doch sei sie von diesem Menschen und seinem Projekt so begeistert gewesen, dass sie schon auf dem Heimflug wusste: "Da will ich mitmachen und mithelfen."

Zurück in Sauerlach arbeiteten Amelie und Götz von Borries einen Plan aus: Sie strukturierten ihren Verein Joker um, der sich jahrelang für ein Jugendzentrum im Ort eingesetzt und dieses Ziel letztlich auch erreicht hatte. Aus ihm wurde Concultures, und bereits 2013 startete Amelie von Borries mit fünf Jugendlichen zu einem erstem Testprojekt nach Kambodscha. Seither organisiert der Verein jährlich ein Freiwilligenprogramm in den Schulferien, an dem jeweils knapp ein Dutzend Jugendliche aus ganz Deutschland teilnehmen. Sie bereisen zunächst zehn Tage lang Kambodscha und lernen Land und Leute kennen, ehe es zu einer neu eröffneten UWS-Schule geht, wo die Volunteers vier Tage lang im Unterricht helfen. Für die dreiwöchige Reise zahlen die Jugendlichen rund 1700 Euro, wovon aber kein Cent an den Verein gehe, betont Götz von Borries. "Das sind die reinen Reisekosten."

Jedoch können und sollen die Jugendlichen nach ihrer Rückkehr die Werbetrommel für Concultures rühren - in ihrer Familie, ihrem Bekanntenkreis und ihrer Schule. Schließlich versucht der Verein nicht zuletzt über Kooperationen mit deutschen Schulen Spenden für United World Schools zu sammeln; seit der Gründung sind mehr als 100 000 Euro zusammengekommen. Künftig wolle man sich verstärkt an Firmen richten, sagt Amelie von Borries. Sie trägt bislang die Hauptlast der ehrenamtlichen Arbeit bei Concultures, weshalb sie aktuell auf der Suche nach Unterstützung sei. "Wir haben hier etwas aufgebaut, das sich etabliert hat", sagt die Sauerlacherin. "Jetzt geht es darum, das weiterzuführen, und dafür bräuchten wir noch Mitstreiter."

Die Fotoausstellung des Vereins Concultures ist noch bis 17. Januar in den Räumen der Volkshochschule, Bahnhofstraße 5, in Sauerlach zu sehen. Überdies halten Amelie und Götz von Borries dort am Sonntag, 13. Januar, von 11 Uhr an einen Vortrag über "Bildung als beste Form der Entwicklungshilfe am Beispiel ethnischer Minderheiten in Kambodscha". Der Eintritt ist an diesem Vormittag kostenlos; um eine Anmeldung unter der Telefonnummer 0170/200 88 45 wird gebeten.

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