Bayerischer Wald:Kommt ein Fuchs ins Wirtshaus

Auf dem Gipfel des 1011 Meter hohen Brotjacklriegel holt sich regelmäßig ein Fuchs Wiener Würstl bei Ingo Müller ab. Inzwischen frisst er dem Wirt aus der Hand.

Von Andreas Glas, Sonnenwald

Das Paar Wiener kostet beim Turmwirt am Brotjacklriegel drei Euro. Für zwei Paar Wiener kassiert Ingo Müller fünf Euro, auch von seinen Stammgästen. Der einzige Stammgast, der die Wiener umsonst kriegt, ist rothaarig und hat kurze Beine. Er kommt jeden Tag, immer nachmittags, immer zwischen halb fünf und fünf Uhr. Er kommt wegen der Würstl. "Wenn's pressiert, dann packt der acht Stück", sagt Ingo Müller, 49. "Der Kerl hat Kraft."

Er sagt "Kerl", aber ganz sicher ist der Wirt sich nicht mit dem Geschlecht. Was dagegen dokumentiert ist: Der Kerl ist ein Fuchs. Das belegen die Filmchen, die Müller mit seinem Handy aufgenommen hat. Man sieht, wie der Fuchs sich anschleicht, wie Müller ihm eine Wurst hinstreckt, wie der Fuchs sich nähert, dann wieder umdreht, sich nähert, wieder umdreht und am Ende doch nicht widerstehen kann. Er schnappt sich die Wurst aus Müllers Hand und verzieht sich wieder in die Schneelandschaft.

Bayerischer Wald: Zu Anfang hielt der Fuchs noch reichlich Sicherheitsabstand zu Ingo Müller. Inzwischen frisst das Tier die Wiener aus der Hand.

Zu Anfang hielt der Fuchs noch reichlich Sicherheitsabstand zu Ingo Müller. Inzwischen frisst das Tier die Wiener aus der Hand.

(Foto: privat)

Ihren Ursprung hat die Freundschaft zwischen Fuchs und Wirt im vergangenen September. Ingo Müller saß auf der Terrasse und trank einen Feierabendkaffe. Da hörte er ein Geräusch. Er schaute nach und sah einen Fuchs tapsen. "Wann siehst du in freier Wildbahn mal einen Fuchs?", sagt Müller. Also ist er hinterher, um sich den Fuchs genauer anzuschauen. Eigentlich sind Füchse menschenscheu, aber dieses Exemplar sei "in Seelenruhe" weiter ums Wirtshaus geschlichen, sagt Müller. Er holte eine Wurst aus der Küche und warf sie dem Fuchs hin. Es hat ein bisschen gedauert, aber irgendwann hat das Tier gefressen.

In den Tagen danach kam der Fuchs immer wieder. Und jedes Mal traute er sich näher an Ingo Müller heran. Inzwischen frisst der Fuchs dem Wirt nicht nur aus der Hand. Er kommt sogar ins Wirtshaus zum Fressen. "Aber nur, wenn ich allein bin", sagt Müller. Eine Gästeattraktion ist der Fuchs inzwischen trotzdem. Wenn die Stube voll ist, kommt er zwar nicht rein. Aber ums Wirtshaus schleicht er trotzdem, tagtäglich. Die Leute schauen dann zu, wie der Wirt den Fuchs füttert. Oder sie versuchen es selbst. "Die Leute sind begeistert", sagt Müller.

Natürlich wisse er, dass man Wildtiere nicht füttern soll. Und dass man vorsichtig sein muss, wenn ein Fuchs zutraulich ist. Es könnte eine Krankheit dahinterstecken. Ein Jäger habe ihm aber versichert, dass der Fuchs gesund ist, sagt Müller. Der Jäger war Gast im Wirtshaus und sei "schon überrascht gewesen, als der Fuchs zur Haustür reingeschaut hat". Der Jäger habe sich den Fuchs genau angeschaut und gesagt: "Dem fehlt überhaupt nichts." Und wie erklärt sich der Jäger, dass der Fuchs so gar keine Scheu hat? Wahrscheinlich, sagt Müller, handle es sich um "einen Jungfuchs, der mit Menschen noch keine schlechten Erfahrungen gemacht hat".

Jetzt, im Winter, hat der Turmwirt nur noch am Wochenende geöffnet. Ingo Müller ist also nicht mehr jeden Tag droben, auf dem Gipfel des 1011 Meter hohen Brotjacklriegel. Aber wenn er oben ist, legt er dem Fuchs immer ein paar Wiener in den Schnee. Jedes Mal "sieht man die Spuren" und die Würstl vom vorherigen Mal seien verschwunden, sagt Müller.

Zurzeit habe er den Eindruck, dass der Fuchs seltener kommt. "Den Neuschnee, den packt er nicht", glaubt Ingo Müller. Aber irgendwann kommt ja der Frühling wieder. "Wenn wir Glück haben, ist es ein Weibchen. Das wäre natürlich eine Schau", sagt Müller, wenn der Fuchs im Frühling "mit den Jungen antanzt". Dann wird der Bayerwald-Wirt aber ein paar Würstl mehr springen lassen müssen. Denn ein Rotfuchs bringt drei bis fünf Jungtiere zur Welt, in seltenen Fällen sogar mehr.

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