Amtsgericht:Eskalation in der Freinacht

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Konflikte und Straftaten bleiben in der Freinacht nicht aus. Einige landen jedes Jahr bei den Amtsgerichten in der Region.

(Foto: Peter Steffen/dpa)

Ein Rentner muss sich wegen Körperverletzung vor dem Amtsgericht verantworten. Er soll in der Freinacht auf Minderjährige losgegangen sein.

Von Benjamin Emonts

Es waren tumultartige Szenen, die sich am Abend des 30. April 2017 in Icking abspielten - Zeugenaussagen und Handy-Videos lassen daran keine Zweifel. Eine Horde von etwa 30 Jugendlichen versammelte sich demnach auf einer Straße vor der Einfahrt eines Rentners. Was dann genau passiert ist, lässt sich noch nicht genau sagen. Zwischen dem Rentner und zwei minderjährigen Jugendlichen kam es jedenfalls zu verbalen Auseinandersetzungen. Der Rentner schlug offenbar zu. Mit einem Vater, der später intervenierte, soll er einen Ringkampf eingegangen sein. Vor dem Haus des Seniors kam ein Wasserschlauch zum Einsatz. Am Ende, so viel ist sicher, standen Polizei und Rettungsdienst vor dem Anwesen. Vor dem Amtsgericht Wolfratshausen muss sich der Rentner nun wegen vorsätzlicher und versuchter Körperverletzung sowie Nötigung verantworten.

Wie so oft bei Konflikten mit vielen Personen, ist die Sache sehr undurchsichtig. Die zwei kurzen Videos, die dem Gericht vorliegen, zeigen lediglich ein aufgeregtes Durcheinander in der Einfahrt des Rentners und dessen Gerangel mit dem Vater eines der vermeintlichen Opfer. Aussagen stehen gegen Aussagen. Gesichert ist hingegen, dass es von Anfang an kein gewöhnlicher Abend war. Die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai ist in Süddeutschland auch besser als Freinacht bekannt. Nach Einbruch der Dunkelheit geht der Spuk meist schon los. Die Jugendlichen spielen den Anwohnern fiese Streiche, die oft Grenzen überschreiten. Sie putzen Klingeln, hängen Gartentüren aus, wickeln Autos mit Klopapier ein und sprühen Rasierschaum in Briefkästen. Und das sind noch einige der harmloseren Übungen.

Was die Jugendlichen an jenem Abend angestellt haben könnten, bleibt bislang im Dunkeln. Der angeklagte Rentner behauptet vor Gericht, dass sie ihn jedes Jahr zur Freinacht tyrannisierten und teilweise Sachschäden an seinem Haus anrichteten. Am Abend des 30. April 2017 soll es wieder soweit gewesen sein. Von 19 Uhr an hätten die Jugendlichen Lärm veranstaltet und bei ihm geklingelt. Als seine Frau zwei Stunden später mit dem Hund das Haus verlassen wollte, sei sie mit Feuerwerkskörpern beschmissen worden. Der Mann sei daraufhin auf die Jugendlichen zugegangen und habe sie zur Rede gestellt. Nach einem kurzen Wortwechsel, das räumt der 71-Jährige vor Gericht ein, habe er einem der Jungen eine Ohrfeige gegeben. Mit dem herbeigeeilten Vater des Jugendlichen soll es wenige Minuten später dann noch zu einem Gerangel gekommen sein. "Als wir auf dem Boden gelegen sind, hat meine Ehefrau uns mit dem Gartenschlauch total nass gespritzt."

Die Darstellung der Gegenseite sieht anders aus. Der damals 15-jährige Schüler behauptet, völlig grundlos von dem Angeklagten auf der Straße attackiert worden zu sein. Er habe mehrere Schläge ins Gesicht kassiert, davon mindestens einen Schlag mit der Faust. "Meine erste Reaktion war: Ich muss meinen Vater anrufen. Ich war total schockiert. So etwas hätte ich in meinem friedlichen Heimatdorf Icking niemals erwartet", erinnert er sich.

Sein Vater traf keine fünf Minuten später ein. Seiner Schilderung zufolge war er zunächst überrascht, wie groß der Auflauf vor dem Haus gewesen sei: Etwa 50 Jugendliche will er gesehen haben. Er sei erst davon ausgegangen, dass sein Sohn mit einem Jugendlichen aneinandergeraten war. So aber stellte er den Rentner zur Rede, anfangs ganz sachlich, wie er betont. Der Rentner aber sei wie außer sich gewesen und habe ihn wüst beschimpft. Schließlich habe er den Entschluss gefasst, die Polizei zu rufen und sich das Telefon bereits ans Ohr gehalten. Der Angeklagte habe daraufhin den Gartenschlauch genommen und ihm aus kurzer Distanz ins Gesicht gespritzt, um, so wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, das Telefongespräch zu verhindern. Es folgte das besagte Gerangel.

Ein Wiedersehen der Streitparteien gab es später im Wolfratshauser Krankenhaus. Der Rentner hatte eine Risswunde am Ohr, wie ein Attest bestätigt. Der Sohn und ein Freund klagten über Schmerzen und Übelkeit. Dem 15-Jährigen wurde eine leichte Gehirnerschütterung attestiert, seinem Freund eine leichte Prellung.

Die Verhandlung wird am Dienstag, 15. Januar, fortgesetzt.

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