Andy Murray bei den Australian Open:Es tut beim Zuhören weh

  • Andy Murray hat kurz vor Beginn der Australian Open angekündigt, dass er seine Tenniskarriere bald beendet.
  • Nach einer Hüftoperation habe er weiterhin große Schmerzen, die professionelles Spielen unmöglich mache.
  • Unter Tränen sagt er auf einer Pressekonferenz, dass er gerne noch einmal in Wimbledon antreten würde.

Von Martin Anetzberger

Eigentlich ist dies gerade die heiterste Phase im jährlichen Tenniszirkus. Die Profis landen nach der Weihnachtspause und dem Wechsel ins neue Jahr im australischen Sommer. Sie trainieren und bereiten sich bei den Turnieren in Perth, Sydney, Brisbane oder im neuseeländischen Auckland vor - und starten dann mit den Australian Open, dem ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres, so richtig in die neue Saison. Das Turnier in Melbourne wird auch der "Happy Slam" genannt. Wegen der Unbeschwertheit, die jeder Neuanfang mit sich bringt, und vor allem wegen der ausgelassenen Atmosphäre im Melbourne Park, den gut gelaunten und sportbegeisterten Australiern, von denen sich die angereisten Fans anstecken lassen.

Doch jetzt ist die Vorfreude zu Beginn des Turniers am Montag heftig angekratzt. Andy Murray, zweifacher Wimbledon-Champion und Doppel-Olympiasieger, hat mitgeteilt, dass es bald vorbei sein wird mit seiner großen Karriere - mit erst 31 Jahren. Als der Schotte in Melbourne zur Pressekonferenz erscheint, sehen die Journalisten einen niedergeschlagenen Mann. Wie es ihm gehe, wird er gefragt. "Nicht toll", ist die knappe Antwort. Murray atmet tief durch, bläst die Backen auf, senkt den Kopf und verbirgt sein Gesicht hinter dem Schirm seiner Kappe und der Hand, die er darauf legt. Als ihm die Tränen kommen, steht er auf und geht aus dem Raum.

Murray würde gerne in Wimbledon aufhören

Murray ist auf Platz 230 der Weltrangliste gefallen, darf nur wegen des sogenannten "Protected Rankings", das bei langen Verletzungspausen hilft, überhaupt antreten. Er leide seit 20 Monaten unter Hüftproblemen, sagt er, als er wieder zurück zur Pressekonferenz kommt. Er ließ sich deswegen vor einem Jahr operieren. Doch die Schmerzen seien zu groß, um weiterhin professionell Tennis spielen zu können. Immer wieder sagt er das Wort pain (Schmerzen). So oft, dass es schon beim Zuhören wehtut.

Der schlimmste Moment ist, als Murray über den konkreten Zeitpunkt seines Karriereendes spricht. "Wimbledon, dort möchte ich gerne mit dem Spielen aufhören", sagt er. Aber er wisse nicht, ob er das könne. Wieder senkt der Brite den Kopf, schluchzt heftig und reibt sich die Tränen aus den Augen.

Mit ihm verliert das Tennis einen herausragenden Spieler, einen der "Big Four", wie Murray, Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Đoković genannt wurden in der Phase, als sie das Männertennis dominierten. Seit 2006 konnten außer diesen vier nur Stan Wawrinka, Marin Čilić und Juan Martín del Potro ein Grand-Slam-Turnier gewinnen. Die beste Phase in Murrays Karriere waren die Jahre 2012 und 2013. Zunächst schlug er im olympischen Finale auf dem Centre Court von Wimbledon Roger Federer, wenige Wochen später triumphierte er bei den US Open und gewann am 7. Juli endlich den lang ersehnten Grand-Slam-Titel in London - als erster Brite seit Fred Perry 1936.

Spätestens an diesem Tag schlug die Anerkennung des Londoner Publikums in Bewunderung und Zuneigung um. Seine schnörkellose Vorhand, seine großartigen Returns, seine exzellente Beinarbeit, gepaart mit einem unbeugsamen Kampfgeist. All das hatten die Zuschauer an der Church Road bemerkt. Doch Murray war kein strahlender, scheinbar fehlerloser Held wie Federer, den sie in Wimbledon als nahezu gottgleich verehren. Der Schotte lamentierte, motzte, schimpfte - auch mit den Schiedsrichtern.

In Melbourne verlor Murray fünf Finals

Oft zum Missfallen des Publikums auf der Insel, das derartiges Gemecker nicht als Show versteht, sondern eher als Unsportlichkeit. 2016 wiederholte er seinen Wimbledonsieg und wurde die Nummer eins der Welt. In Rio gewann er erneut Olympiagold. Danach ging es sportlich und gesundheitlich bergab, in der Weltrangliste rutschte er weit nach hinten.

Murray war kein bequemer Profi und setzte sich immer wieder öffentlich für seine Überzeugungen ein. Er sprach sich dafür aus, weiblichen Profis das gleiche Preisgeld zu zahlen wie Männern. Nach seiner Mutter Judy verpflichtete er die ehemalige Spielerin Amélie Mauresmo als Trainerin, ein ungewöhnlicher Schritt für einen männlichen Profi. Und er war hochgeschätzt im Business.

Andrea Petkovic zum Beispiel sagt nun, Murrays Karriereende werde ein "großer Verlust" für das Tennis sein. "Man braucht immer noch Männer, vor allem erfolgreiche Männer, die sich für Frauen einsetzen." Auch von Frauenlegende Billie Jean King kamen anerkennende Worte.

Jetzt muss sich Murray vor allem um seine Gesundheit kümmern. Er erwägt eine weitere Operation, um zumindest im normalen Leben wieder schmerzfrei zu sein. Es ist ihm zu wünschen, dass der harte Untergrund in Melbourne ihm noch einen letzten Start in Wimbledon erlaubt. Schmerzen psychischer Natur hat ihm der Belag schon zur Genüge beigebracht. Murray verlor fünf Endspiele bei den Australian Open. Seinen wohl allerletzten Versuch startet er am Montag gegen den Spanier Roberto Bautista Agut - eine schwere Aufgabe, schließlich gewann der soeben das Turnier in Doha. Es ist wahrlich keine heitere Zeit für Andy Murray.

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