Stadtplanung:Gibt es in München eine Spezlwirtschaft von Architekten?

Stadtansicht München

Sind die Neubauten in München zu uniform? Das bemängelt zumindest der CSU-Chef im Rathaus.

(Foto: lukasbarth.com)
  • Der CSU-Chef im Stadtrat Manuel Pretzl wetterte jüngst gegen eine Cliquenwirtschaft von Architekten in München, deren Arbeiten "belanglos und uniform" seien und am "Lebensgefühl der Menschen" vorbeigingen.
  • München will nun Jurys von Architektenwettbewerben abwechslungsreicher besetzen.
  • Offene Wettbewerbe sollen mehr junge Architekten und kleinere Büros zum Zuge kommen lassen.

Von Sebastian Krass

Mehr Vielfalt bei der Suche nach der besten Architektur: Unter diesem Motto lassen sich Vorschläge von Stadtbaurätin Elisabeth Merk zusammenfassen, mit denen sie auf die Debatte um die Qualität von Neubauten in München reagiert. So will die Stadt mehr Abwechslung bei der Besetzung von Jurys für Architektenwettbewerbe schaffen. Und sie will versuchen, mehr offene Auslobungen zu starten, bei denen sich jedes interessierte Architekturbüro bewerben kann. Das geht aus einer Stadtratsvorlage hervor, mit der sich der Planungsausschuss in seiner nächsten Sitzung am Mittwoch beschäftigen wird.

Losgetreten hatte die Debatte der CSU-Fraktionschef im Stadtrat, Manuel Pretzl. Er und sein Fraktionskollege Marian Offman ärgerten sich über eine Debatte in der Stadtgestaltungskommission. Ein geplantes Hochhaus an der Ridlerstraße mit einer auffälligen verdrehten Architektur sahen viele Stadträte wohlwollend, Architekten hingegen kritisch. Es gebe in München eine Cliquenwirtschaft von Architekten, deren Arbeiten "belanglos und uniform" seien und am "Lebensgefühl der Menschen" vorbeigingen, polterte Pretzl damals. Zudem verhinderten sie innovative Projekte anderer Architekten.

Die Kritik zielte nicht nur auf die Kommission, sondern auch auf Wettbewerbe, in denen stets dieselben Juroren säßen, die die immer gleichen Büros favorisierten. Es folgte eine Reihe von Stadtratsanträgen von CSU, SPD und Grünen mit unterschiedlichen Anregungen für mehr Qualität in der Architektur.

Das Planungsreferat hat nun eine Statistik über Teilnehmer und Sieger von Wettbewerben erstellt. Die Stadt schreibt einerseits städtebauliche und landschaftsplanerische Wettbewerbe aus, um einen Rahmen für die Bebauung neuer Siedlungsgebiete zu schaffen, etwa für den neuen Stadtteil Freiham, das Kreativquartier oder die Bayernkaserne. Andererseits lobt sie sogenannte Hochbauwettbewerbe für einzelne Bauprojekte aus, etwa für einen Schulcampus oder das neue Volkstheater. Ähnlich verfährt der Freistaat.

Das Planungsreferat untersuchte 33 Wettbewerbsverfahren aus den Jahren 2016 und 2017. 52,4 Prozent Juryposten waren demnach "mit wechselnden Architekten und Landschaftsarchitekten besetzt". Auf die übrigen "zahlenmäßig möglichen Positionen" seien 23 Juroren zwei- bis zu maximal sechsmal berufen worden, heißt es in der Vorlage. Dabei müsse man berücksichtigen, dass insbesondere für den Juryvorsitz der "geeignete Personenkreis" relativ klein sei, wegen der hohen Anforderungen an fachliche Qualifikation wie an die Moderationsfähigkeit. Da manchmal zwei erste Preise verliehen werden, gab es in den untersuchten Wettbewerben 39 Gewinner. 22 Büros waren einmal vertreten, sieben Büros zwei- bis dreimal.

Das Planungsreferat spricht von "einem hohen Niveau" bei der "Varianz in den Preisgerichten und bei den Teilnehmenden in den Wettbewerben". Dennoch will es sich verpflichten, dass künftig "50 Prozent der externen Fachpreisrichter", vereinfacht gesagt: der Architekten, "nur einmal in zwei Jahren an einem Wettbewerb dieser Art teilnehmen sollen". Zudem will man "insbesondere bei den Preisgerichtsvorsitzenden auf eine deutlich höhere Varianz achten". Hier lehnt das Referat eine Quote ab, wegen der "begrenzten Gruppe" von Kandidaten.

Ein anderer Aspekt ist die Frage, wie Teilnehmer für Wettbewerbe gesucht werden: In der Regel setzt die Stadt auf "beschränkt offene" Verfahren. Dabei ruft sie zunächst EU-weit zu Bewerbungen auf und wählt dann Teilnehmer aus. Künftig will sie vor allem bei städtebaulichen Wettbewerben "in jedem Einzelfall die Eignung eines offenen Verfahrens" prüfen. Die Hoffnung ist, dass so auch verstärkt junge Architekten und kleine Büros zum Zuge kommen.

Der Wettbewerb für die Besiedlung des Münchner Nordostens, über dessen Auslobung der Planungsausschuss ebenfalls am Mittwoch befindet, soll offen ausgeschrieben werden. Bei städtebaulichen Wettbewerben ist die Teilnehmerzahl erfahrungsgemäß nicht so hoch, was auch für offene Verfahren spricht. Bei Wettbewerben für einzelne Gebäude ist das oft anders. Zu den vom Freistaat ausgeschriebenen offenen Wettbewerben für den Konzertsaal im Werksviertel gab es 206 Einsendungen. In einem solchen Fall verzögert sich das Verfahren, weil die Jury zunächst eine aufwendige Vorauswahl treffen muss.

Neben den Wettbewerben beschäftigt sich das Planungsreferat in der Vorlage auch mit der Gestaltung von Fassaden, also dem Teil, mit dem Gebäude in die Öffentlichkeit wirken. Einmal geht es um die Qualität, die den Experten Sorgen macht. Immer wieder beobachten sie, dass ein Gebäude nach der Fertigstellung ganz anders aussieht als im Wettbewerb, nämlich billiger. Bauherren fangen oft während des Bauens an, bei Materialien und Details zu sparen, oft wechseln sie auch das Architekturbüro. Manche der prämierten Schöpfer eines Entwurfs schämen sich dann für das, was am Ende dasteht.

Eine rechtliche Handhabe haben dagegen weder Stadt noch Architekten. Deshalb will das Planungsreferat "mit den Akteuren des Wohnungsbaus in München Vorschläge zur Sicherung der Qualität im Neubau" erarbeiten. Auch die Farbgebung von Neubau-Fassaden löst oft Irritationen aus. Deshalb will das Planungsreferat eine "Expertengruppe für Farbkonzepte" einberufen.

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