Frankreich:Wer am lautesten brüllt

Macron sollte auch jene anhören, die nicht Autos anzünden.

Von Nadia Pantel

Zu Beginn war die Bewegung der sogenannten Gelbwesten ungewöhnlich zornig. Inzwischen ist sie vor allem ungewöhnlich erfolgreich. Die Gilets jaunes haben eine Steuer gekippt, Zugeständnisse an Geringverdiener erkämpft und Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron ins Straucheln gebracht. Zudem haben die Menschen in Warnwesten nicht nur in Frankreich, sondern in ganz Europa Debatten über gerechte Löhne und die Verteilung von Wohlstand angestoßen.

Doch dem Erfolg der Gilets jaunes haftet ein übler Beigeschmack an. Ihre Macht entstand nicht, weil sie besonders viele wären. Sie wurden gehört, weil sie Wochenende um Wochenende Paris zerlegten. Die Zerstörungslust wurde nicht von Krawalltouristen in die Demonstrationen getragen, sie entstand innerhalb der Bewegung. Ja, die große Mehrheit hat friedlich demonstriert. Aber die vergleichsweise gewaltfreien Blockaden der Anfangszeit waren von der Regierung noch kleingeredet worden. Erst die Ausschreitungen brachten in Teilen das erhoffte Einlenken und nun den Brief des Präsidenten.

Macron hat sich entschieden, den Unmut der Gelbwesten ernst zu nehmen. Das ist richtig und nötig. Noch nötiger wäre es aber, Unzufriedenen und Ausgegrenzten auch dann ein Podium zu bieten, wenn sie darauf verzichten, Autos und Häuser anzuzünden.

© SZ vom 15.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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